VwGH 2005/16/0004

VwGH2005/16/000423.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der D Nfg GmbH & Co KG in Linz, vertreten durch Ernst & Young Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsgmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 29. November 2004, Zlen. RV/0719-L/02, RV/0726-L/02, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 litb;
61991CJ0049 Weber Haus VORAB;
61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORAB;
KVG 1934 §2 Z4;
KVG 1934 §5 Abs2;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 litb;
61991CJ0049 Weber Haus VORAB;
61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORAB;
KVG 1934 §2 Z4;
KVG 1934 §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. In der Gesellschaftsteuererklärung vom 15. März 1995 gab die Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei (in der Folge: beschwerdeführende Partei) an, es sei ein "Gesellschafterzuschuss" von der O AG (in der Folge: AG) gegeben und die Erfüllung sei durch den Verzicht der OS GmbH (in der Folge: CTS GmbH) auf eine verzinsliche Forderung gegen die beschwerdeführende Partei per 16. Februar 1995 vorgenommen worden. Der Wert der Leistung betrage

S 500 Mio. Die beschwerdeführende Partei vertrat in der Erklärung vom 15. März 1995 die Ansicht, dieser Vorgang unterliege nicht der Gesellschaftsteuer, weil die Erfüllung des Rechtsgeschäftes nicht durch die "Muttergesellschaft", sondern durch eine "Cousine" erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 31. Mai 1995 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz der beschwerdeführenden Partei für diesen Gesellschafterzuschuss ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 500 Mio. Gesellschaftsteuer von S 5 Mio. vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, mit der Erklärung vom 20. Dezember 1994 habe die AG unter Bezugnahme auf die Zustimmung des Aufsichtsrates vom 16. Dezember 1994 gegenüber der beschwerdeführenden Partei eine Zusage auf Leistung von Gesellschaftsmitteln in Höhe von S 500 Mio. abgegeben. Die tatsächliche Leistung des Zuschusses sei jedoch nicht durch die AG, sondern durch die "Enkelgesellschaft", die CTS GmbH erfolgt. Mit der Forderungsverzichtserklärung vom 14. Februar 1995 habe die CTS GmbH per 16. Februar 1995 auf eine gegenüber der beschwerdeführenden Partei zustehende Forderung in der Höhe von S 500 Mio. verzichtet. Leistungen an eine Kapitalgesellschaft unterlägen grundsätzlich nur der Gesellschaftsteuer, wenn sie von einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter geleistet würden. Nicht erfasst von der Gesellschaftsteuerpflicht seien Leistungen von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter an der leistenden Gesellschaft über eine zwischengeschaltete Gesellschaft mittelbar beteiligt sei. Da im Beschwerdefall die Leistung tatsächlich nicht von der AG, sondern von der CTS GmbH, an der die AG nur mittelbar über die S GmbH beteiligt sei, bewirkt worden sei, sei kein Tatbestand verwirklicht worden, der der Gesellschaftsteuerpflicht unterliege.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Mai 2000 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, der Aufsichtsrat der Gesellschafterin (AG) habe am 14. Dezember 1994 den Beschluss gefasst, der beschwerdeführenden Partei einen Zuschuss in der Höhe von S 500 Mio. zu gewähren. In "Ausführung dieses Beschlusses" habe die Geschäftsführung der AG der beschwerdeführenden Partei am 20. Dezember 1994 mitgeteilt, dass die AG Gesellschaftsmittel zuführen werde und diese Mittel in die Kapitalrücklage einzustellen seien. Wie aus der Anfragenbeantwortung vom 25. April 1995 hervorgehe, sei sodann das Einvernehmen zwischen der AG und der CTS GmbH drüber hergestellt worden, dass nicht die AG selbst, sondern an ihrer Stelle die CTS GmbH die Leistung in Form eines Forderungsverzichtes erbringe. Dieser Verzicht sei am 14. Februar 1995 von der CTS gegenüber der beschwerdeführenden Partei erklärt und die Schuldeinlösung gemäß § 1422 ABGB gegenüber der AG geltend gemacht worden. Dieser Sachverhalt lasse zwingend darauf schließen, dass die befugten Organe der AG der gesellschaftsrechtlichen Tochter (beschwerdeführenden Partei) eine freiwillige Leistung zur Werterhöhung zugesagt und zur Erfüllung dieser Verpflichtung mit der CTS GmbH die Absprache getroffen hätten, dass diese auf Forderungen gegenüber der beschwerdeführenden Partei in Höhe von S 500 Mio. verzichte, wobei ihr der Abgang in der gleichen Höhe wieder von der AG ersetzt werden sollte. Demnach habe die CTS GmbH ihre Leistung zu Lasten der AG und somit auf deren Rechnung erbracht. Erfolge von einem "Nichtgesellschafter" eine Leistung an die Gesellschaft für Rechnung eines Gesellschafters, so unterliege diese Leistung ebenfalls der Gesellschaftsteuer.

Im Vorlageantrag brachte die beschwerdeführende Partei vor, im Beschwerdefall sei die verzichtende Gesellschaft (CTS GmbH) im Zeitpunkt der Verzichtserklärung unbestritten kein Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei gewesen. Weiters sei auch kein Anwendungsfall des § 3 KVG vorgelegen. Die Gesellschafterin der beschwerdeführenden Partei (AG) sei an der CTS GmbH nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beteiligt gewesen. Die von der Behörde vertretene Auffassung dürfte ihre Ursache darin haben, dass der Aufsichtsrat der AG die Zuführung von Gesellschaftsmitteln beschlossen und die CTS GmbH gleichzeitig mit dem Verzicht gegenüber der beschwerdeführenden Partei (AG) eine Forderungseinlösung gegenüber der AG geltend gemacht habe. Damit übersehe die Behörde, dass es in der freien Disposition der Geschäftsführung der CTS GmbH gestanden sei, den Forderungsverzicht gegenüber der beschwerdeführenden Partei zu erklären. Weiters übersehe diese, dass die CTS GmbH nicht als Beauftragter oder als Treuhänder der AG, sondern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agiert habe. Selbst wenn der Forderungsverzicht von der AG abgegeben worden sei, läge keine Gesellschaftsteuerpflicht vor. Für die Beurteilung der Gesellschaftsteuerpflicht komme es nämlich nur darauf an, ob die die Leistung tatsächlich im eigenen Namen bewirkende Person Gesellschafter im Sinne des § 5 Abs. 2 KVG oder Schwestergesellschaft im Sinne des § 3 KVG sei. Die Abdeckung des der CTS GmbH durch den Forderungsverzicht entstandenen Verlustes durch die AG könne an der Frage des Leistenden oder der Stellung als Gesellschafter nichts ändern. Der Forderungsverzicht sei im vorliegenden Fall im eigenen Namen und auf eigene Rechnung von einem "Nichtgesellschafter" bewirkt worden und unterliege daher nicht der Gesellschaftsteuer.

2. Mit Schreiben vom 29. Jänner 1996 setzte die beschwerdeführende Partei das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Kenntnis, dass die CTS GmbH mit der Erklärung vom 8. Jänner 1996 auf eine Forderung gegenüber der beschwerdeführenden Partei in Höhe von S 1.871,240.000,-- verzichtet habe. Gleichzeitig habe die AG als "Großmutter" auf

S 1.871,240.000,-- gegenüber der CTS GmbH verzichtet. Die beschwerdeführende Partei vertrat die Ansicht, es liege kein der Gesellschaftsteuer unterliegender Vorgang vor, weil die CTS GmbH nicht Gesellschafterin der beschwerdeführenden Partei sei.

Mit Gesellschaftsteuerbescheid vom 22. Mai 2000 schrieb das Finanzamt der beschwerdeführenden Partei für diesen Rechtsvorgang ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 1.871,240.000,-- Gesellschaftsteuer in der Höhe von S 18,712.400,-- (EUR 1,359.883,14) vor. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Forderungsverzicht der CTS GmbH sei auf Verlangen und somit auf Rechnung der AG erfolgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, mit der Erklärung vom 8. Jänner 1996 habe die CTS GmbH per 31. Dezember 1995 unwiderruflich auf Forderungen gegen die beschwerdeführende Partei in der Höhe von S 1.871,240.000,-- verzichtet. Dieser Verzicht sei zur Sanierung der Bilanz der beschwerdeführenden Partei in Vorbereitung zur Veräußerung einer Beteiligung an die DSM NV erfolgt. Die beschwerdeführende Partei sei am 8. Jänner 1996 eine 100 %ige Tochtergesellschaft der AG gewesen. Die CTS GmbH sei zu diesem Zeitpunkt eine Enkeltochtergesellschaft der AG gewesen. Zwischen der beschwerdeführenden Partei und der CTS GmbH hätten keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestanden. Parallel zum Forderungsverzicht der CTS GmbH gegen die beschwerdeführende Partei habe die AG am 8. Jänner 1996 einen Forderungsverzicht in Höhe von S 1.871,240.000,-- gegen ihre Enkeltochtergesellschaft, der CTS GmbH, abgegeben. Dieser Forderungsverzicht sei geboten gewesen, weil sonst der Forderungsverzicht der CTS GmbH gegenüber der beschwerdeführenden Partei gegen das gesellschaftsrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen hätte. Der Forderungsverzicht der AG gegenüber der CTS GmbH sei unter der Bedingung erklärt worden, dass die CTS GmbH gegenüber der beschwerdeführenden Partei auf eine Forderung in gleicher Höhe verzichte.

Im Beschwerdefall sei die CTS GmbH im Zeitpunkt der Verzichtserklärung unbestritten keine Gesellschafterin der beschwerdeführenden Partei gewesen. Weiters sei auch kein Anwendungsfall des § 3 KVG gegeben, weil die Gesellschafterin der beschwerdeführenden Partei, die AG, an der CTS GmbH nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beteiligt gewesen sei. Die Auffassung der Behörde dürfte aus dem Umstand geschlossen worden sein, dass die AG ihrerseits gegenüber der CTS GmbH einen Forderungsverzicht in gleicher Höhe unter der Bedingung erklärt habe, dass die CTS GmbH gegenüber der beschwerdeführenden Partei einen Forderungsverzicht abgebe. Damit übersehe die Behörde allerdings, dass es in der freien Disposition der Geschäftsführung der CTS GmbH gestanden sei, den Forderungsverzicht gegenüber der beschwerdeführenden Partei abzugeben. Weiters übersehe die Behörde, dass die CTS GmbH nicht als Beauftragter oder als Treuhänder der AG, sondern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agiert habe. Selbst wenn der Forderungsverzicht von der CTS GmbH für Rechnung der AG abgegeben worden wäre, läge keine Gesellschaftsteuerpflicht vor. Für die Beurteilung der Gesellschaftsteuerpflicht komme es nämlich nur darauf an, ob die die Leistung tatsächlich im eigenen Namen bewirkende Person Gesellschafterin im Sinne des § 5 Abs. 2 KVG oder eine Schwestergesellschaft im Sinne des § 3 KVG sei. Die Abdeckung des der CTS GmbH durch den Forderungsverzicht entstandenen Verlustes durch die AG könne an der Frage des Leistenden oder der Stellung als Gesellschafter nichts ändern. Der Forderungsverzicht sei im Beschwerdefall im eigenen Namen und auf eigene Rechnung von einem "Nichtgesellschafter" bewirkt worden und unterliege daher nicht der Gesellschaftsteuer.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Zur Begründung der Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für den Forderungsverzicht von S 500 Mio. führte die belangte Behörde aus, der EuGH habe mit seinem Urteil vom 28. März 1990, Rs C-38/88 , Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH, Slg. 1990, I-01447, entschieden, dass die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, der vor der Feststellung dieser Verluste geschlossen worden sei, nicht das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne des Artikels 4 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 , 69/335/EWG, betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhöhe. Für die Anwendung der Grundsätze dieses Urteils seien zwei Kriterien zu erfüllen. Es müsse eine Verpflichtung des Gesellschafters vorliegen und diese Verpflichtung müsse vor Eintritt der Verluste eingegangen worden sein. Im Verfahren sei vorgebracht worden, der Vorsitzende des Aufsichtsrates der beschwerdeführenden Partei und gleichzeitig stellvertretende Generaldirektor der AG habe in der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung vom 3. November 1993 gegenüber dem Vorstand der beschwerdeführenden Partei die Erklärung zur Verlustabdeckung durch geeignete Maßnahmen abgegeben. Im vorgelegten Protokoll dieser Aufsichtsratssitzung stehe lediglich, dass der beschwerdeführenden Partei die Legung einer Bilanz zum 31. Dezember 1993 ohne Ausweis einer Überschuldung ermöglicht werden solle. Nach dem Wortlaut handle es sich dabei um eine reine Absichtserklärung; ein Rechtsanspruch auf Leistung könne daraus nicht abgeleitet werden. Darüber hinaus betreffe diese Erklärung nur die Bilanz des Jahres 1993, nicht aber die Bilanzen der folgenden Jahre und damit auch nicht den gegenständlichen, im Februar 1995 geleisteten "Zuschuss" (Forderungsverzicht). Damit sei aber bereits die in der Vorhaltsbeantwortung vom 3. Juni 2004 geäußerte Behauptung widerlegt, wonach der im Februar 1995 geleistete Zuschuss deshalb nicht gesellschaftsteuerpflichtig sei, weil er auf Grund der Verpflichtungserklärung vom 3. November 1993 geleistet worden sei. Weil aus der Absichtserklärung des Gesellschafters noch kein Rechtsanspruch der Gesellschaft auf Leistung der Verlustabdeckung abgeleitet werden könne und überdies nach dem Wortlaut des vorgelegten Aufsichtsratsprotokolls nur die Bilanz des Jahres 1993, nicht aber diejenige des folgenden Jahres betroffen sei, sei der im Februar 1995 geleistete Zuschuss (Forderungsverzicht) von S 500 Mio. zur Gänze gesellschaftsteuerpflichtig.

Im Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 3. November 1993 wurde festgehalten:

"Der Vorsitzende teilt mit, dass der Eigentümer grundsätzlich willens ist, durch geeignete Maßnahmen, deren Form in Kürze festgelegt werden soll, der (beschwerdeführenden Partei) die Legung einer Bilanz zum 31.12.1993 ohne Ausweis einer Überschuldung zu ermöglichen. ..."

In der Begründung zur Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für den Zuschuss von S 1.871,240.000,-- führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, die beschwerdeführende Partei verneine die Gesellschaftsteuerpflicht mit dem Argument, dass in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der im Jänner 1996 geleistete Zuschuss (Forderungsverzicht) von S 1.871,240.000,-- nicht mehr der AG als unmittelbarer Gesellschafterin (vor dem Verkauf der Anteile an der beschwerdeführenden Partei) bzw. der CTS GmbH, sondern bereits der DSM BV (als Käuferin der Anteile an der beschwerdeführenden Partei) zuzurechnen sei. Der im Wege der AG über die CTS GmbH an die beschwerdeführende Partei geleistete Zuschuss sei als "Großmutterzuschuss" nicht gesellschaftsteuerpflichtig.

Aus der Vorhaltsbeantwortung vom 3. Juni 2004 sowie dem zwischen der AG als Verkäuferin und der DSM BV als Käuferin der Anteile an der beschwerdeführenden Partei abgeschlossenen Kaufvertrag sei zu entnehmen, dass sich die Verkäuferin auf Verlangen der Käuferin verpflichtet habe, Eigenkapital von S 2,240 Mio. herzustellen. Der Kaufvertrag datiere nach den vorgelegten Unterlagen vom 20. Dezember 1995. Der Zuschuss (Forderungsverzicht) sei nach der Aktenlage am 18. Jänner 1996 geleistet worden. Bei der Frage, wem in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Leistung zuzurechnen sei, komme es nach Ansicht der belangten Behörde auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes und nicht auf den Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäftes an. Denn die für die Zurechnung ausschlaggebende Frage, wem auf Grund seiner Gesellschafterstellung die Dispositionsfähigkeit über Leistung oder Nichtleistung des Zuschusses zukomme, entscheide sich bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes. Zum Zeitpunkt des Eingehens des Verpflichtungsgeschäftes (Abschluss des Kaufvertrages) sei die AG als Alleingesellschafterin in der Lage gewesen, ihre Rechte als Gesellschafterin der beschwerdeführenden Partei in unbeschränkter Weise auszuüben. Eine Gesellschafterstellung der Käuferin, der DSM BV sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht gekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für die in Rede stehenden Zuschüsse verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z 4 Kapitalverkehrssteuergesetz (KVG) unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen; dazu gehören nach lit. a dieser Gesetzesstelle Zuschüsse und nach lit. b Verzichte auf Forderungen.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit seinem Urteil vom 28. März 1990, Rs C 38/88 ,Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH, Slg. 1990, I-01447, entschieden, dass die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrags, der vor Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, nicht das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 4 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie des Rates 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhöhe.

In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, die im Protokoll vom 3. November 1993 festgehaltene Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden der beschwerdeführenden Partei und Generaldirektorstellvertreters der AG gegenüber dem Vorstand der

beschwerdeführenden Partei "... dass der Eigentümer grundsätzlich

willens ist, durch geeignete Maßnahmen deren Form in Kürze festgelegt werden soll, der (beschwerdeführenden Partei) die Legung einer Bilanz zum 31.12.1993 ohne Ausweis einer Überschuldung zu ermöglichen, ..." beziehe sich auch auf die "eventuell zu erwartenden Verluste des Folgejahres".

Diese Ansicht teilte die belangte Behörde nicht. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob aus dem Inhalt des Protokolls abgeleitet werden kann, dass es sich um eine Absichtserklärung oder um einen verbindlich gewordenen Rechtsanspruch zur Verlustabdeckung gehandelt hat. Die Aussagen im Protokoll beziehen sich unmissverständlich nicht auf die Abdeckung von Verlusten für das Folgejahr des Jahres 1993 und auf die Bilanz zum 31. Dezember 1994, sondern ausdrücklich auf die Legung der Bilanz zum 31. Dezember 1993 und die Abdeckung der sonst darin auszuweisenden Verluste. Eine Verpflichtung zur Verlustabdeckung für das Jahr 1994 in der Höhe von S 500 Mio. war in dieser Erklärung nicht enthalten.

In der Beschwerde wird als Verfahrensmangel gerügt, die belangte Behörde hätte die bei der Sitzung am 3. November 1993 anwesenden Vertreter der AG sowie den damaligen Vorstand der beschwerdeführenden Partei als Zeugen vernehmen müssen. Die beschwerdeführende Partei behauptet jedoch in diesem Zusammenhang nicht einmal, dass die belangte Behörde dann zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Damit ist aber die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird festgehalten, "in der Aufsichtsratsitzung der AG vom 16. Dezember 1994" sei "in Erfüllung des Grundsatzbeschlusses vom 3. 11. 1993 der gegenständliche Gesellschafterzuschuss iHv ATS 500.000.000,00 beschlossen" worden. Dieses Protokoll des Aufsichtsrats vom 16. Dezember 1994 wurde der belangten Behörde im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht vorgelegt. In den Beschwerdegründen wird nicht behauptet, dass der für das Eingehen solcher Verpflichtungen zuständige Vorstand der AG einen Beschluss über die Übernahme des für das Bilanzjahr 1994 zu erwartenden Verlust der beschwerdeführenden Partei in der Höhe von S 500 Mio. vor Feststellung dieses Verlustes gefasst hat.

Im Beschwerdefall kann daher dahingestellt bleiben, ob das Urteil des EuGH vom 28. März 1990 auf Grund des vorliegenden Sachverhalts überhaupt zum Tragen kommt, denn selbst dann fehlt es im Beschwerdefall an der Voraussetzung einer vor Feststellung dieses Verlustes eingegangenen Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Die Vorschreibung der Gesellschaftsteuer für den Gesellschafterzuschuss von S 500 Mio. ist daher nicht rechtswidrig.

Hinsichtlich des Zuschusses vom 8. Jänner 1996 in der Höhe von S 1.871,240.000,-- vertritt die Beschwerde die Ansicht, werde bei der Frage, ob ein Zuschuss eines Gesellschafters vorliege, die formale Betrachtungsweise angewendet, so unterliege im Beschwerdefall der Zuschuss nicht der Gesellschaftsteuer, weil er von der CTS GmbH geleistet worden sei. Werde hingegen auf eine wirtschaftliche Beurteilung abgestellt und untersucht, wem der Zuschuss wirtschaftlich zuzurechnen sei und ob ein Gesellschafter im Sinne des § 5 Abs. 2 KVG oder eine Gesellschaft im Sinne des § 4 KVG den Zuschuss "wirtschaftlich trage", bestehe im Beschwerdefall ebenfalls keine Gesellschaftsteuerpflicht, weil der Zuschuss im Auftrag und für Rechnung der DSM NV, ebenfalls einer Nichtgesellschafterin, geleistet worden sei.

Hiezu ist festzuhalten, dass die CTS GmbH mit Forderungsverzichtserklärung vom 8. Jänner 1996 auf eine Forderung gegenüber der beschwerdeführenden Partei in der Höhe von S 1.871,240.000,-- verzichtet hat. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages vom 20. Dezember 1995 wurden unter der - aufschiebenden - Bedingung einer Kapitalzuführung Anteile der beschwerdeführenden Partei von der AG an die DSM BV verkauft. Diese durch den Forderungsverzicht eingetretene Kapitalzuführung an die beschwerdeführende Partei ist Gegenstand der Besteuerung.

Die CTS GmbH ist nicht unmittelbar Gesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen; Gesellschafterin ist die AG, eine "Großmuttergesellschaft" der CTS GmbH. Gleichzeitig hat die AG als "Großmuttergesellschaft" auf den Betrag von S 1.871,240.000,-- gegenüber CTS GmbH verzichtet.

Mit dem Urteil vom 17. Oktober 2002, Rs C-339/99 , Energie Steiermark Holding AG, Slg. 2002, I-08837, hat der EuGH unter Hinweis auf sein Urteil vom 13. Oktober 1992, Rs C- 49/91 , Weber Haus, Slg. 1992, I-5207, entschieden, dass die Feststellung, ob ein Vorgang in den Anwendungsbereich von

Artikel 4 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie des Rates 69/335/EWG fiele, anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft der Einlagen abstellenden Betrachtungsweise zu treffen sei (Rz 37).

Wird von einer "Enkeltochtergesellschaft" auf eine Forderung gegenüber einer Gesellschaft verzichtet, an der die "Großmuttergesellschaft" Gesellschafterin ist und gleichzeitig von der "Großmuttergesellschaft" gegenüber der "Enkeltochtergesellschaft" ein Forderungsverzicht über einen Betrag in gleicher Höhe abgegeben, dann ist dieser Forderungsverzicht der "Enkeltochtergesellschaft" gegenüber der Gesellschaft der "Großmuttergesellschaft" als der Gesellschafterin der Gesellschaft zuzurechnen. Unter diesen Umständen lag eine Leistung eines Gesellschafters vor.

Nach der Darstellung in der Beschwerde wurde der Kaufpreis für den Erwerb der Gesellschaftsanteile an der beschwerdeführenden Partei von der DSM NV geleistet. Dieser an die AG als Verkäuferin geleistete Kaufpreis war Entgelt für den Erwerb der Anteile. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht kann dabei keine Rede von einem Zuschuss der DSM NV an die beschwerdeführende Partei sein, weil damit - auch bei "wirtschaftlicher Betrachtung" -

keine Leistung der Käuferin an die beschwerdeführende Partei erbracht wurde.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. November 2005

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