Normen
FSG 1997 §7 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs3 Z11;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §129;
StGB §142 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §7 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs3 Z11;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §129;
StGB §142 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. Juni 2004 entzog die Bundespolizeidirektion Salzburg dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A/B für einen Zeitraum von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung (am 25. Februar 2004) ihres Mandatsbescheides vom 23. Februar 2004, verbot dem Beschwerdeführer unter einem das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges sowie eines Invalidenkraftfahrzeuges für den selben Zeitraum und erkannte gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg (UVS) wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 9. November 2004 als unbegründet ab. In der Begründung führte der UVS nach Wiedergabe des erstbehördlichen Bescheides sowie des Berufungsvorbringens aus, der Beschwerdeführer sei zuletzt mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 8. Mai 2003 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Diesem Urteil gemäß sei es erwiesen, dass der Beschwerdeführer am 23. Jänner 2002 in Salzburg eine Softgunpistole auf zwei Bankangestellte einer Bank gerichtet und sie unter der Aufforderung, dies sei ein Überfall, bedroht und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben diesen Personen fremde bewegliche Sachen in Form eines Bargeldbetrags von EUR 80.250,-- abgenötigt habe, letzteres mit dem Vorsatz, sich durch Zueignung dieses Bargeldbetrages unrechtmäßig zu bereichern. Darüber hinaus schienen im Strafregister der Republik Österreich gegen den Beschwerdeführer eine Vielzahl von Verurteilungen seit dem Jahr 1984 bis hin zur "nunmehrigen" Verurteilung auf. Insgesamt lägen neun (teilweise getilgte) Vorstrafen gegen Leib und Leben und gegen fremdes Vermögen vor. Der Beschwerdeführer habe zur Unterstützung seiner letzten Tat, also des Banküberfalles, ein Kraftfahrzeug benützt. Es sei unbestritten und entspreche auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass gerade derartige Verbrechen durch die Verwendung eines KFZ typischerweise erheblich erleichtert würden. Bei der Bemessung der Entziehungszeit seien alle den Beschwerdeführer betreffenden Vorfälle - auch bereits getilgte Vorstrafen -, die hinsichtlich seiner relevanten Sinnesart aussagekräftig seien, zu berücksichtigen. Wenngleich somit die im Jahre 1985 verübten zwei Raubüberfälle auf eine Tankstelle 19 Jahre zurück lägen, müssten in die Gesamtsicht aller vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten, die hinsichtlich seiner relevanten Sinnesart aussagekräftig seien, auch diese Straftaten in die Prognose einbezogen werden. Dazu kämen noch die durchgeführten Einbrüche in PKW laut Urteil des Landgerichts Traunstein aus dem Jahr 1985, die ebenfalls unter Zuhilfenahme eines KFZ erfolgt sei, welches der Beschwerdeführer zum Abtransport der Beute verwendet habe, sodass auch hier durch Verwendung eines KFZ die Begehung dieser Delikte erleichtert worden sei. Alle diese Umstände - unter besonderer Berücksichtigung der letzten Verurteilung wegen des Banküberfalls im Jahr 2002 - seien somit in die Betrachtung und die Prognose hinsichtlich der Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen mit einzubeziehen. Da der Beschwerdeführer während seiner Haftzeit auch kein KFZ habe verwenden können, sei sein Wohlverhalten während der Haft diesbezüglich auch nicht besonders relevant. Auf Grund dieser Darlegungen könne "derzeit" somit noch nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer könne bereits wieder als verkehrszuverlässig angesehen werden. Es werde wohl noch für eine angemessene Zeitspanne des Beweises des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers nach Verbüßung der Haftstrafe bedürfen, um die Prognose stellen zu können, er habe hinsichtlich seiner Sinnesart beim Lenken eines KFZ wieder die Verkehrszuverlässigkeit erlangt. Diesbezüglich könne der Erstbehörde nicht vorgeworfen worden, dass ein Zeitraum von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides (25. Februar 2004), hiefür ein zu langer Zeitraum wäre. Die ausgesprochene Entziehung ende somit am 25. Februar 2006. Da der Beschwerdeführer voraussichtlich am 9. Februar 2005 aus der Haft entlassen werde, verbleibe dann noch ziemlich genau ein Jahr als entsprechender Beobachtungszeitraum, der unter diesen Umständen keinesfalls als zu lange zu werten sei. Es stehe unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer strafbare Handlungen gesetzt habe, die einer Person die Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 FSG "per legem" absprächen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
(2) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen, die im Ausland begangen wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
10. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;
11. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend,
(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ...
...
Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen
§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten,
... ."
2. Unbestritten ist im Beschwerdefall die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines am 23. Jänner 2002 begangenen Raubes. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht die von der belangten Behörde festgestellten, aus dem strafgerichtlichen Urteil übernommenen Umstände der Tatbegehung. Unstrittig sind im Beschwerdefall schließlich auch die übrigen (aktenkundigen) Verurteilungen des Beschwerdeführers, insbesondere die Verurteilung durch das Landgericht Traunstein vom 2. Juni 1986 wegen zweier Raubüberfälle auf eine Tankstelle im September bzw. Oktober 1985, beide Delikte verbunden mit Einbruchsdiebstählen aus
PKW.
In Hinblick auf § 7 Abs. 3 Z. 10 FSG ist die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG ausgegangen.
Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat die belangte Behörde ihrer Annahme, der Beschwerdeführer sei verkehrsunzuverlässig, zu Grunde gelegt, dass auf Grund der erwiesenen bestimmten Tatsache und ihrer nach § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung angenommen werden müsse, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen - im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG - sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde.
Was nun die von der belangten Behörde vorgenommene Wertung anlangt, so ist das Verbrechen des Raubes zwar wegen der durch Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bewirkten Willensbeugung des Opfers zweifellos verwerflich. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt hat, ist einzuräumen, dass die Furcht des Raubopfers auf Grund der Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben nicht deshalb geringer ist, weil der Täter anstelle der vorgetäuschten Faustfeuerwaffe nur eine Spielzeugpistole verwendet habe. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit der Verhältnisse im Sinn des § 7 Abs. 4 FSG ist aber ein objektiver Maßstab anzulegen. Objektiv gesehen ist die Drohung mit einer Spielzeugpistole nicht gefährlich. Gefahren können sich bei einer Tat wie der im Beschwerdefall vorliegenden aus Reaktionen der bedrohten Personen oder der ihnen Hilfeleistenden ergeben. Dass im konkreten Fall eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer Person bestanden hat, wird im angefochtenen Bescheid nicht begründet und ist nach der Aktenlage auch nicht anzunehmen (vgl. zum Fall eines Raubes unter Verwendung einer Spielzeugpistole das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2001/11/0119).
Was die beiden vom Urteil des Landgerichtes Traunstein erfassten Raubüberfälle auf eine Tankstelle anlangt, so durfte die belangte Behörde diese Straftaten im Rahmen ihrer Wertung ebenfalls berücksichtigen, doch fallen sie deshalb nicht entscheidend zum Nachteil des Beschwerdeführers in Gewicht, weil sie 16 Jahre vor der nunmehr verfügten Entziehung der Lenkberechtigung, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, begangen wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2003, Zl. 2002/11/0215).
Was schließlich die von der belangten Behörde nicht im einzelnen festgestellten, von ihr aber offenbar miterfassten Verurteilungen des Beschwerdeführers zwischen 1992 und 1997 anlangt, so sind diese Verurteilungen insofern nicht unbeachtlich, als es darin neben Körperverletzungen, Nötigung und gefährlicher Drohung in einem Fall auch um - im Hinblick auf die von der belangten Behörde getroffene Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG relevanten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0019) - Einbruchsdiebstahl ging, die - nicht festgestellten - Begehungszeitpunkte dieser rechtskräftig abgeurteilten Taten müssen aber nach der Aktenlage jedenfalls vor September 1997 liegen und liegen damit ebenfalls viele Jahre vor der nunmehr verfügten Entziehung der Lenkberechtigung und auch etliche Jahre vor der zuletzt begangenen strafbaren Handlung am 23. Jänner 2002.
Wie der Verwaltungsgerichtshof überdies bereits mehrfach betont hat, genügt es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG nicht, dass die Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen bloß nicht ausgeschlossen werden kann, es muss vielmehr die Annahme begründet sein, dass der Betreffende "sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird" (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 25. November 2003, Zl. 2003/11/0240).
Wegen der unstrittigen Verwerflichkeit der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlung vom 23. Jänner 2002 durfte die belangte Behörde auf Grund der oben dargelegten Erwägungen zu den Wertungskriterien der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit der Verhältnisse trotz des Umstands, dass die zahlreichen dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen zum Teil bereits viele Jahre zurückliegen, zwar davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides der Erstbehörde am 25. Februar 2004 - und auch im Sinne des § 25 Abs. 3 FSG (vgl. dazu zB. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/11/0050) noch für mindestens drei weitere Monate - verkehrsunzuverlässig gewesen ist. Ihre darüber hinaus gehende Annahme, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst am 26. Februar 2006, mithin 49 Monate nach Begehung der strafbaren Handlung (des Bankraubes), wiedererlangen, erweist sich aber als bei weitem überhöht. Die belangte Behörde hätte auf der Basis ihrer Feststellungen vielmehr mit einer deutlich kürzeren Entziehungszeit das Auslangen finden müssen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zur Frage der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen über die Zeitpunkte und näheren Umstände der Begehung derjenigen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers zu treffen haben, die für die Prognose nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG einschlägig sind, hinsichtlich derer bisher aber nur das Faktum der Verurteilung bekannt ist.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. Juli 2005
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