Normen
FSG 1997 §7 Abs4 Z4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §131;
StGB §43 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs4 Z4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §131;
StGB §43 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 1 i. V.m. § 7 Abs. 2 und 4 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 20 Monaten (gerechnet ab der am 25. Oktober 2001 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides und ohne Einrechnung allfälliger Haftzeiten) entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in der Zeit vom 26. Dezember 1999 bis 1. Dezember 2000 zusammen mit anderen Personen in rund 30 Angriffen Einbruchdiebstähle begangen oder versucht zu begehen. Der Beschwerdeführer sei deshalb mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. September 2001 wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen, durch Einbruch begangenen Diebstahles nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 und 130 zweiter Satz, zweiter Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und zu einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen verurteilt worden. Die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen hätten Waren in einem Wert von mindestens S 210.440,-- betroffen. Der Beschwerdeführer sei bisher gerichtlich unbescholten gewesen. Die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen seien wegen ihrer Schwere und Verwerflichkeit den im § 7 Abs. 4 FSG aufgezählten bestimmten Tatsachen gleichzuhalten. Das Begehen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahles sei "grundsätzlich sehr verwerflich". Im konkreten Fall sei zu beachten, dass der Wert der gestohlenen Sachen mehr als das Achtfache der im § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB genannten Wertgrenze von S 25.000,-- übersteige. Der Beschwerdeführer sei am 1. Dezember 2000 auf frischer Tat betreten worden. Seither habe er gewusst, dass gegen ihn wegen des Verdachtes des Verbrechens des Diebstahles ermittelt werde. Das gerichtliche Strafverfahren sei mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. September 2001 abgeschlossen worden. Seit Zustellung des Schreibens der Erstbehörde vom 11. Oktober 2001 wisse er, dass das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung eingeleitet worden sei. Der während des gerichtlichen Strafverfahrens verstrichenen Zeit komme im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs. 5 FSG nur geringe Bedeutung zu. Die von der Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens bis zur Wirksamkeit der Entziehungsmaßnahme verstrichene Zeit sei zu kurz, um entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen zu können. Es liege auf der Hand, dass die Begehung von Einbruchsdiebstählen durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typisch erleichtert werde. Zum Nachteil des Beschwerdeführers falle der Wert der gestohlenen Sachen und der bei der Begehung der Straftaten verursachte Sachschaden ins Gewicht. Der Beschwerdeführer habe auch nicht aus eigenem Antrieb von seinem strafbaren Verhalten Abstand genommen. Zu seinen Gunsten seien bei der Prognose seine bisherige gerichtliche Unbescholtenheit und sein Geständnis im gerichtlichen Strafverfahren zu berücksichtigen gewesen. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers sei auf eine erhöhte Bereitschaft zur Begehung solcher Delikte zu schließen. Insgesamt sei somit von einer erheblichen Wiederholungsgefahr und einer schlechten Zukunftsprognose auszugehen. Die Wertung der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers führe zu dem Ergebnis, dass es eines mindestens 20 Monate hindurch bewiesenen Wohlverhaltens bedürfe, um die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit annehmen zu können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG maßgebend:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7.
...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
4. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat,
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."
Von den Diebstahlstatbeständen des StGB ist zwar nur § 131 (räuberischer Diebstahl) in der Z. 4 der beispielsweisen Aufzählung von bestimmten Tatsachen im § 7 Abs. 4 FSG genannt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können aber auch (andere) Diebstähle bei Zusammentreffen mit anderen strafbaren Taten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle (insbesondere Einbruchsdiebstähle) die Annahme der Gleichwertigkeit mit den im § 7 Abs. 4 FSG beispielsweise aufgezählten Straftaten rechtfertigen (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0132, und vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0038, jeweils mwN). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen des Diebstahles in mehrfacher Weise qualifiziert ist und sich die zahlreichen Tathandlungen über einen Zeitraum von fast einem Jahr erstreckt haben, kann die Auffassung, das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen des Diebstahles stelle eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 2 FSG dar, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht mit konkreten Ausführungen bekämpft.
Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG genügt aber nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde wegen seiner Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Die belangte Behörde hat unter dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit der strafbaren Handlung mit Recht die wiederholte Begehung während eines langen Zeitraums ins Treffen geführt. Soweit die belangte Behörde darüber hinaus den Wert der gestohlenen Sachen ins Treffen führt, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Wert der gestohlenen Sachen den Diebstahl zwar zum schweren Diebstahl nach § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB macht, ihn aber zufolge § 17 StGB im Hinblick auf den Strafsatz des § 128 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) nicht einmal zum Verbrechen qualifizieren könnte. Soweit die belangte Behörde mit dem bei der Begehung der Straftaten verursachten Sachschaden argumentiert, ist (mangels diesbezüglicher konkreter Sachverhaltsfeststellungen) nicht erkennbar, was sie damit meint. Weder im Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. September 2001, noch im angefochtenen Bescheid ist vom Sachschaden und dessen Höhe die Rede. Die durch die - die Qualifikation nach § 129 Z. 1 und 2 StGB begründenden - Tathandlungen verursachten Schäden stellen keinen bei der Wertung selbständig zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umstand dar. Die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl ist vielmehr im gegebenen Zusammenhang nach dem oben Gesagten Voraussetzung dafür, um überhaupt das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 2 FSG annehmen zu können.
Die belangte Behörde hat in der Begründung für das Wertungsergebnis zwar die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und dessen umfassendes Geständnis im Strafverfahren erwähnt, diesen Umständen aber nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum FSG bereits mehrfach betont, dass die bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu führe, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen sei, und dies damit begründet, dass sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht mit jenen zur Gänze decken, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könne, die für die im § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (siehe dazu u.a. die Erkenntnisse vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, und vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0406).
Das Landesgericht Feldkirch hat in seinem Urteil vom 10. September 2001 in Abwägung der Strafzumessungsgründe (als mildernd wurden das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren, der "teilweise Versuch" sowie die teilweise Schadensgutmachung erwähnt) die Auffassung vertreten, es genüge gemäß § 43a Abs. 2 StGB der Vollzug der Geldstrafe und die bloße Androhung des Vollzuges der Freiheitsstrafe, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die dieser Auffassung diametral entgegen gesetzte Ansicht der belangten Behörde, es müsse auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und darüber hinaus bis 25. Juni 2003 angenommen werden, dass der Beschwerdeführer sich wegen seiner Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, ist auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes verfehlt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG nicht genügt, dass die Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen bloß nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss vielmehr die Annahme begründet sein, dass der Betreffende "sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird".
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die in dieser Verordnung genannten Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten.
Wien, am 23. April 2002
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