VwGH 2004/15/0045

VwGH2004/15/004522.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, über die Beschwerde der T GmbH in G, vertreten durch Jonasch - Platzer - Grant Thornton, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1140 Wien, Henckellgasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 3. Februar 2004, RV/0018- G/03, betreffend Körperschaftsteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
EStG 1988 §18 Abs6;
EStG 1988 §8 Abs3;
HGB §203 Abs5;
KStG §19;
KStG §20;
KStG §8 Abs4;
KStG 1988 §9 Abs7 idF 2004/I/057;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z1;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;
UmgrStG 1991 Teil3 Z4 lita idF 1996/201;
BAO §21 Abs1;
EStG 1988 §18 Abs6;
EStG 1988 §8 Abs3;
HGB §203 Abs5;
KStG §19;
KStG §20;
KStG §8 Abs4;
KStG 1988 §9 Abs7 idF 2004/I/057;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z1;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;
UmgrStG 1991 Teil3 Z4 lita idF 1996/201;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH erwarb am 2. Juni 1994 sämtliche Anteile an der - einen Verlustvortrag von rund 250,000.000 S verkörpernden - A-GmbH um den Kaufpreis von 63,610.020 S.

Die Beschwerdeführerin ermittelt den Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 30. September. Mit Verschmelzungsvertrag vom 20. Juni 1994 wurde die A-GmbH (buchmäßiges Kapital von 33,876.873,50 S) zum 30. September 1993 gemäß Art I UmgrStG auf die Beschwerdeführerin verschmolzen. Dadurch ging der Betrieb der A-GmbH auf die Beschwerdeführerin über (im Folgenden: Teilbetrieb A).

Aufgrund der Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 UmgrStG machte die Beschwerdeführerin in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 jeweils ein Fünfzehntel des - von ihr mit dem Betrag von 29,733.146,50 und sohin exakt in der Höhe des aus der Verschmelzung resultierenden Buchverlustes errechneten - Firmenwertes der A-GmbH (richtig: des Teilbetriebes A) gewinnmindernd geltend.

Zum 30. September 1996 verkaufte die Beschwerdeführerin den Teilbetrieb A im Wege eines "asset deals" an die O-GmbH. Im Zuge dieser (Teil)Betriebsveräußerung schied die Beschwerdeführerin den Restbuchwert des Firmenwertes (25,768.726,50 S) gewinnmindernd aus (Buchwertabgang).

Im Bericht über die bei der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 1996 bis 1998 durchgeführte Buch- und Betriebsprüfung wird ausgeführt (Tz 34): Bei der Verschmelzung des Jahres 1993 sei ein Firmenwert von 29,733.146,50 S außerbilanzmäßig aktiviert worden, um in der Folge auf 15 Jahre verteilt abgeschrieben zu werden. Im Jahr 1996 sei der verbleibende Betrag des Firmenwertes auf Null Schilling abgeschrieben worden. Nach Ansicht des Prüfers sei der Firmenwert allerdings kein Teil des Betriebsvermögens. Aufgrund der fehlenden Betriebsvermögenseigenschaft entziehe sich dieser Wert einer Teilwertabschreibung. Der Verschmelzungsverlust sei als steuerlich abzugsfähiger Teil des Buchverlustes eine rein steuerliche Vermögensposition und könne daher nur über die in § 8 Abs 3 EStG zwingend vorgeschriebene Nutzungsdauer von 15 Jahren abgeschrieben werden. Daher sei die vorgenommene Abschreibung von 25,768.726,50 S dem Gewinn des Jahres 1996 wieder hinzuzurechnen und lediglich die Fünfzehntelabschreibung des Firmenwertes zu gewähren.

In der Berufung gegen den aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 1996 brachte die Beschwerdeführerin vor, der derivativ erworbene Firmenwert sei ein Wirtschaftsgut, mit dem Kundenstock, Vertriebsrechte, innerbetriebliche Organisation und dergleichen "abgegolten" würden. Daher seien eine Teilwertabschreibung und ein Buchwertabgang (im Falle der Veräußerung des betreffenden Betriebes) zulässig. Im Übrigen werde dem Firmenwert iSd § 3 Abs 2 Z 2 UmgrStG durch den Querverweis auf § 8 Abs 3 EStG 1988 ausdrücklich die Eigenschaft als Wirtschaftsgutes zuerkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Mit dem StruktAnpG 1996 sei das UmgrStG dahingehend geändert worden, dass die bislang in § 3 Abs 2 Z 2 UmgrStG vorgesehene Firmenwertabschreibung letztmalig im letzten vor dem 1. Jänner 1997 endenden Wirtschaftjahr geltend gemacht werden könne. Nach den ErlRV zum StruktAnpG 1996 (ÖStZ 1996, 196) solle mit der Neufassung des § 3 Abs 2 UmgrStG die der übernehmenden Körperschaft bislang zustehende Firmenwertabschreibung als ein dem Grundsatz der Steuerneutralität von Buchgewinnen und Buchverlusten widersprechender und daher Steuerbegünstigungscharakter aufweisender Fremdkörper im Umgründungssteuerrecht aufgehoben werden. Wiesner/Helbich hätten in ihrer Kommentierung zum UmgrStG in RdW 1992, 37, zum Ausdruck gebracht, § 3 Abs 2 UmgrStG in der Stammfassung unterscheide sich dahingehend von der korrespondierenden Regelung des StruktVG, dass Buchgewinne auf betrieblicher Grundlage nicht mehr einer gebundenen Rücklage zugeführt werden müssten, um deren Steuerneutralität zu erreichen, und dass Buchverluste insoweit nicht steuerneutral seien, als "das Vorliegen eines Firmenwertes nachgewiesen" werde. Da der Verschmelzungsverlust schon im StruktVG als steuerneutral behandelt worden sei, um eine Doppelabschreibung zu verhindern, müsse die Firmenwertabschreibung als begünstigende Ausnahmenorm gesehen werden, weshalb die Abschreibung der im Buchverlust enthaltenen übrigen stillen Reserven ausgeschlossen sei.

Bei der Verschmelzung entstünden aus der Übernahme der Buchwerte bei der aufnehmenden Gesellschaft "Verschmelzungsdifferenzen", die sich aus der Differenz zwischen der wegfallenden Beteiligung und dem Verschmelzungskapital ergäben. Nach Ansicht der belangten Behörde gehe die Differenz zwischen der technischen Ausbuchung der Beteiligung und der Einbuchung der übernommenen Buchwerte auf einen gesellschaftsrechtlichen und nicht auf einen betrieblichen Vorgang zurück. Die Argumentation, dass der Firmenwert einer Teilwertabschreibung bei der übernehmenden Gesellschaft zugänglich wäre, sei daher verfehlt, zumal diese Gesellschaft keinen Substanzverlust an einem Firmenwert erleide.

Im Hinblick auf das Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene unkörperliche Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs 1 vorletzter Satz EStG führten Konzernverschmelzungen zu sonderbaren, nahezu gekünstelten und unverständlichen Ergebnissen. Die Erwerbergesellschaft gelte den Gesellschaftern der "Zielgesellschaft" stille Reserven und den Firmenwert ab, um sodann eine Verschmelzung mit dieser vorzunehmen, woraus planmäßig ein Buchverlust entstehe. Die aufnehmende Gesellschaft müsse die Abschreibung eines Teiles dieses Buchverlustes "Firmenwert", der in Wahrheit aus der Kapitalisierung ihrer Zukunftserträge in einem Teil des Kaufpreises zu Stande gekommen sei, mit künftigen Gewinnen finanzieren (Hinweis auf Doralt, ÖStZ 1995, 207). Unter gedanklicher Ausklammerung der Verschmelzung wäre im Fall der "upstream-Verschmelzung" die Beteiligung nicht weniger wert geworden, zumal sich an der realen Unternehmenssubstanz der verschmolzenen Gesellschaft nichts geändert habe.

Nach Ansicht der belangten Behörde falle der in § 3 Abs 2 Z 2 UmgrStG genannte Firmenwert unter den Oberbegriff eines Buchverlustes und stelle kein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Es sei unklar, wie Wiesner in SWK 1992 A I 128, zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Teilwertabschreibung des Firmenwertes möglich sei, um diese Ansicht dann Jahre später (in RdW 1998, 706 und RWZ 2001, 189) unter bloßem Hinweis auf Gestaltungsmöglichkeiten im Konzernbereich zu verneinen.

Das BMF habe die Meinung geäußert, die Veräußerung eines Betriebes, dessen Übernahme im Rahmen des Art I UmgrStG zu einer Firmenwertabschreibung iSd § 3 Abs 2 Z 2 UmgrStG idF vor dem StruktAnpG 1996 geführt habe, habe zur Folge, dass für Zwecke der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes bei der übernehmenden Gesellschaft (der vorangegangenen Verschmelzung) neben dem Buchwert des veräußerten Betriebes auch noch die noch nicht abgesetzten Fünfzehntelbeträge des Firmenwertes abzusetzen seien. Diese Meinung des BMF finde aber im Gesetz keine Deckung. Im gegenständlichen Fall seien durch die Veräußerung des Teilbetriebes A stille Reserven in Höhe von ca einem Fünfzehntel des "abgesetzten Buchverlustes" realisiert worden, jedoch zugleich zwölf Fünfzehntel als Buchwertabgang geltend gemacht worden. Durch die Veräußerung sei also in Wahrheit kein Veräußerungsgewinn, sondern ein Veräußerungsverlust realisiert worden. Die zitiere Meinungsäußerung des BMF könne nur für realisierte Veräußerungsgewinne, nicht aber für Veräußerungsverluste gelten. Im übrigen erscheine es unverständlich, eine Verschmelzung mit dem Ziel durchzuführen, den übernommenen Betrieb fortzuführen, um ihn dann im Wege einer Betriebsveräußerung wiederum zu verkaufen. Zudem habe im gegenständlichen Fall durch die Verschmelzung ein Verlustvortrag von 250 Mio S übernommen werden können, der allerdings für die Jahre 1996 und 1997 durch das StruktAnpG sistiert worden sei.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin liege auch kein Verstoß gegen § 307 Abs 2 BAO oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Zum gegenständlichen Problem der Firmenwertabschreibung gebe es weder allgemeine Weisungen noch Judikatur. Es seien lediglich zwei Anfragebeantwortungen (des BMF) - im Übrigen ohne detaillierten Sachverhalt - in Fachzeitschriften veröffentlicht gewesen. Das Finanzamt sei daher nicht iSd § 307 Abs 2 BAO gebunden gewesen. § 307 Abs 2 BAO sei durch das AbgRmRefG, BGBl I 97/2002, aufgehoben worden und durch § 117 BAO ersetzt worden. Ein Anwendungsfall des § 117 BAO liege auch nicht vor. Zudem komme es gemäß Art 18 Abs 1 B-VG der Vollziehung nicht zu, durch bloße Auskunftserteilung die Anordnungen des Gesetzgebers zu unterlaufen. Die Beschwerdeführerin könne sich auch nicht auf eine Auskunft der zuständigen Abgabenbehörde stützen. Außerdem würde sich der Grundsatz von Treu und Glauben nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens richten. Ein solcher sei aber nicht entstanden, zumal bei gedanklicher Ausblendung des Ereignisses, welches allenfalls im Vertrauen auf eine Rechtsauslegung gesetzt worden sei, die Körperschaftsteuer des Streitjahres ebenfalls angefallen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 3 Abs 2 UmgrStG in der Stammfassung (BGBl. 699/1991) lautete:

"Für Buchgewinne und Buchverluste gilt folgendes:

1. Buchgewinne und -verluste bleiben bei der Gewinnermittlung außer Ansatz, soweit nicht Z 2 anzuwenden ist.

2. Ein Firmenwert, der bei der Anschaffung von Gesellschaftsanteilen an der übertragenden oder übernehmenden Körperschaft abgegolten wurde, kann, soweit er im Buchverlust Deckung findet, ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr angesetzt und gemäß § 8 Abs 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 abgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass

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