VwGH 2004/08/0082

VwGH2004/08/008219.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der

M GmbH & Co KG in W, vertreten durch Korn Frauenberger Rechtsanwälte OEG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 15. März 2004, Zl. 129.993/2-3/2004, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. H in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19; 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;

5. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Mai 2001 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Zeitungskolporteur für die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin in der Zeit vom 23. Mai 1984 bis 11. Juni 1990 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nicht unterlegen sei.

Auf Grund des dagegen erhobenen Einspruches des Erstmitbeteiligten stellte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 26. September 2001 die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten im Zeitraum 23. Mai 1984 bis 11. Juni 1990 auf Grund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG fest.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich des Zeitraumes vom 23. Mai 1984 bis zum 29. Juni 1988 Folge gegeben und festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte in diesem Zeitraum auf Grund seiner Tätigkeit als Zeitungskolporteur für die Beschwerdeführerin nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG nicht pflichtversichert war. Hinsichtlich des Zeitraumes vom 30. Juni 1988 bis 11. Juni 1990 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien bestätigt.

Begründend legte die belangte Behörde zunächst dar, Sache des Verfahrens sei nur die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten auf Grund seiner Tätigkeit als Zeitungskolporteur bei der Beschwerdeführerin. Es könne daher nur über jenen Zeitraum entschieden werden, in dem die Beschwerdeführerin Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten gewesen sei. Über eine Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten auf Grund seiner Beschäftigung beim Dienstgeber K. vom 23. Mai 1984 bis 22. Mai 1985 und beim Dienstgeber D. vom 31. Mai 1985 bis 29. Juni 1988 müssten gesonderte Verfahren geführt werden. Alle drei Beschäftigungsverhältnisse seien allerdings in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht im Wesentlichen inhaltlich gleichartig gewesen.

Weiters führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Erstmitbeteiligte habe mit der Beschwerdeführerin keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Über mündliche Absprachen, allenfalls schlüssig zu Stande gekommene Vereinbarungen und die tatsächliche Ausgestaltung der gegenständlichen Beschäftigung sei der Erstmitbeteiligte mit einem Fragebogen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, bei einer Vernehmung vor dem Landeshauptmann von Wien und einer solchen vor der belangten Behörde befragt worden. Die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 10. September 2001 und vom 29. Jänner 2004 Stellungnahmen zu den genannten Beweismitteln abgegeben.

Der Erstmitbeteiligte habe angegeben, fixe Arbeitszeiten gehabt zu haben. Er habe die Zeitungen spätestens um 5.30 Uhr bei einem Sammelplatz abholen und nicht verkaufte Exemplare zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgeben müssen. Bestimmte mit Uhrzeit vorgegebene Verkaufszeiten habe er einhalten müssen. Er sei Tages- und Abendkolporteur gewesen. Vorgelegt habe der Erstmitbeteiligte schriftliche Beschreibungen der Standplätze mit Platznummer, Ausweisnummer, nach Uhrzeit festgelegten Verkaufszeiten, Mindestverkauf pro Tag und einer Zeichnung, der zu entnehmen sei, wo genau der Kolporteur zu stehen habe. Nach Ansicht der belangten Behörde ließen diese Angaben klar erkennen, dass der Erstmitbeteiligte an eine vom Dienstgeber fix vorgegebene Arbeitszeit gebunden gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, dass es aus Gründen der Organisation des Vertriebssystems unverzichtbar sei, dass Zeitungen und Zeitschriften zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegengenommen werden müssen. Auch müssten Tageszeitungen am Tag ihres Erscheinens verkauft werden und rasch in den Verkauf gelangen. Der Erstmitbeteiligte habe die unverkauften Exemplare nicht persönlich zurückgeben müssen, dies habe oft ein Vertreter übernommen. Außerdem sei es ihm freigestanden, über die vereinbarten Mindestzeiten hinaus länger zu verkaufen. Im Übrigen habe er vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und dem Landeshauptmann verschiedene Beginnzeiten angegeben. Zu diesen Einwänden führte die belangte Behörde aus, sie ließen klar erkennen, dass die objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nur die Beschäftigung eines an eine vom Dienstgeber bestimmte Arbeitszeit gebundenen Kolporteurs zugelassen hätten. Im Übrigen sei der Erstmitbeteiligte für mehrere Dienstgeber tätig gewesen und hätten sich die Arbeitszeiten auch immer wieder geändert. Er werde aus seiner Erinnerung eine ungefähre Beginnzeit angegeben haben. Seine Glaubwürdigkeit sei aus diesem Grund nicht anzuzweifeln.

Der Erstmitbeteiligte habe ferner angegeben, einen fix zugewiesenen Standplatz gehabt zu haben. Die Chefs hätten entschieden, wer welchen Standplatz bekomme. Wenn man nachgefragt hätte, ob man einen besseren Standplatz haben könne, hätte man keine Chance auf Erfolg gehabt. Die Chefs hätten einen zunächst auf einen kleinen Standplatz gesetzt, um ihn "auszuprobieren". Die Beschwerdeführerin habe dagegen eingewendet, dass lediglich das Verlagsunternehmen die Übersicht habe, wo der Verkauf von Zeitungen am besten möglich sei. Die Beschwerdeführerin habe daher dem einzelnen Kolporteur bestimmte Standplätze angeboten oder empfohlen, damit sein unternehmerisches Risiko nicht ungebührlich erhöht werde. Ein Wechsel eines Standortes sei möglich gewesen, insbesondere wenn ein Standort z.B. wegen Aufgrabungsarbeiten unrentabel geworden sei. Nach Möglichkeit sei die Beschwerdeführerin dabei auf Wünsche der Kolporteure eingegangen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin den Kolporteuren frei werdende Plätze angeboten. Die belangte Behörde legte dazu dar, dass sich die Beschwerdeführerin jedenfalls die letzte Entscheidung hinsichtlich des Standortes vorbehalten habe. Es sei somit keine freie Standplatzwahl vorgelegen.

Der Erstmitbeteiligte habe auch ausgeführt, er habe eine bestimmte Tasche, Jacke und Kappe tragen müssen. Von Verhaltensanweisungen habe der Erstmitbeteiligte in der Form erfahren, dass einerseits der Chef gesagt habe, sie müssten z. B. die Zeitung immer hoch halten. Auch hätten sich die Kollegen untereinander gesagt, was wichtig sei. Manchmal sei ein Kollege "rausgeflogen". Da habe man dann gefragt, warum, und habe erfahren, dass er z.B. die Zeitung nicht hoch gehalten, getratscht oder Ähnliches gemacht habe. Es sei auch verboten gewesen, am Standplatz zu essen und zu trinken. Der Erstmitbeteiligte habe eine Fotografie vorgelegt, die für bestimmte Wochentage je einen Kolporteur zeige, um zu demonstrieren, wie die Tageszeitungen an den einzelnen Wochentagen zu präsentieren seien. Weiters habe der Erstmitbeteilige schriftliche Aufforderungen der Beschwerdeführerin zum Jacken- und Kappentausch mit u.a. dem Wortlaut "Wer ab diesem Zeitpunkt noch eine Winterjacke oder Winterkappe auf seinem Platz trägt, erhält keinen Werbekostenbeitrag und wird in Folge nicht mehr beliefert" sowie eine schriftliche Aufforderung der Beschwerdeführerin, wonach die Kolporteure anlässlich einer Werbeaktion während der gesamten Verkaufszeit einen bestimmten Umhang zu tragen und bestimmte Werbeplakate auf ihrem Platz aufzustellen haben, vorgelegt. Die belangte Behörde schloss daraus, dass der Erstmitbeteilige im Rahmen seiner gegenständlichen Tätigkeit weisungsgebunden gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, die Jacken hätten auch dazu gedient, dass der Kolporteur im allgemeinen Trubel erkannt werde. Sie hätten so die Verkaufsaktivität unterstützt. Im Übrigen sei für das Tragen der Jacke eine eigene Werbeprämie bezahlt worden. Auch sei aus den Angaben des Erstmitbeteiligten zu schließen, dass die Kolporteure ihre Erfahrungen untereinander ausgetauscht und ihre Geschäftstätigkeit unabhängig von Weisungen des Auftraggebers weiterentwickelt hätten. Die belangte Behörde legte dazu dar, dass die Ausführungen des Erstmitbeteiligten keineswegs den Schluss auf einen Erfahrungsaustausch selbständiger Unternehmer zuließen. Sie ließen vielmehr erkennen, dass es sich auf den vom Erstmitbeteiligten geschilderten Wegen herumgesprochen habe, welche Anweisungen unbedingt zu beachten und wann bei Zuwiderhandeln Sanktionen zu erwarten gewesen seien.

Der Erstmitbeteiligte habe weiter angegeben, es sei kontrolliert worden, ob die Zeitungen pünktlich abgeholt werden. Bei einmaligem Zuspätkommen habe man kein Wechselgeld erhalten, beim zweiten Mal habe man den Standplatz verloren. Es sei regelmäßig (fast täglich) kontrolliert worden, ob man sich während der Verkaufszeiten am Standplatz aufhalte, die Zeitungen wie vorgeschrieben hoch halte und die Kleidung vorschriftsgemäß trage. Es sei auch untersagt gewesen, sich mit anderen Kolporteuren bei der Arbeit zu unterhalten bzw. zu essen oder zu trinken. Bei der ersten Beanstandung sei das Wechselgeld entzogen worden, bei der zweiten Beanstandung habe man den Standplatz verloren. Als Sanktion sei es auch möglich gewesen, dass ein Kollege überhaupt "hinausgeflogen" sei. Für besonders gute Arbeiten habe es eine Prämie gegeben. Die belangte Behörde zog daraus den Schluss, dass die Beschwerdeführerin die Arbeitszeit und das Verhalten am Arbeitsplatz laufend kontrolliert und nicht weisungskonformes Verhalten mit Sanktionen bedacht habe. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, der Erstmitbeteilige habe persönliche Kontrolle mit Kontrolle der vereinbarten Leistungserbringung verwechselt. Die Behauptung, dass bei der Arbeit nicht gesprochen, gegessen oder getrunken werden dürfe, sei falsch. Die Beschwerdeführerin habe Sanktionen auch in Abrede gestellt. Das pünktliche Abholen der Zeitungen habe laut Beschwerdeführerin nicht kontrolliert werden müssen, da die Zeitungen selbstverständlich dem Erstmitbeteiligten hätten übergeben werden müssen. Die belangte Behörde führte dazu aus, diese Angaben ließen erkennen, dass die objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation eine laufende Kontrolle der Arbeitszeit und des arbeitsbezogenen Verhaltens notwendig gemacht hätten. Die Behauptung, es habe keine Verhaltensanweisungen, keine Verbote des Essens, Trinkens und Unterhaltens sowie keine Sanktionen gegeben, sei insbesondere unter Berücksichtigung des festgestellten Umstandes, dass die Beschwerdeführerin habe bestimmen können, welcher Kolporteur auf einem guten, umsatzstarken Standplatz stehen darf, nicht zu glauben.

Der Erstmitbeteiligte habe ferner angegeben, der Auftraggeber habe für jeden Standplatz eine Mindestzahl an zu verkaufenden Exemplaren festgelegt. Sei diese Zahl nicht erreicht worden, habe der Erstmitbeteiligte die noch nicht verkauften Exemplare selbst bezahlen müssen. Der Erstmitbeteiligte habe daher auch länger als die vorgeschriebene Arbeitszeit gearbeitet. Die Beschwerdeführerin habe angemerkt, der vereinbarte Mindestverkauf habe ein echtes Unternehmerrisiko des Kolporteurs begründet. Der Erstmitbeteiligte hätte durch einen Mehrverkauf bei entsprechendem verkäuferischem Geschick in der Nachlieferungsabteilung zusätzliche Zeitungsexemplare bestellen können. Die belangte Behörde hielt dem entgegen, dass die Tatsache des Mindestverkaufs dann als Sanktion und zumindest als Zeichen einer disziplinären Verantwortung zu werten sei, wenn der Mindestverkauf im Rahmen einer Tätigkeit vereinbart werde, die dem Beschäftigten keinen unternehmerischen Spielraum lasse. Dies sei hier der Fall gewesen.

Der Erstmitbeteiligte habe schließlich dargelegt, Urlaube habe er rechtzeitig bekannt geben und im Falle der Verhinderung habe er einen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin verständigen müssen. Wenn er einen Termin gehabt habe, habe er dies vorher beim Chef bekannt geben und fragen müssen, ob er jemanden anderen schicken könne. Der Chef habe aber meistens nein gesagt. Ganz selten sei er damit einverstanden gewesen. Man hätte dies auch nicht öfter als einmal vorschlagen können, sonst hätte es geheißen, man bekomme einen schlechteren oder gar keinen Standplatz mehr. Wenn jemand länger krank gewesen sei, habe er sich eigentlich damit abzufinden gehabt, dass sein Standplatz nachher weg gewesen sei. Dasselbe habe gegolten, wenn sich jemand Urlaub genommen habe. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass sich der Erstmitbeteiligte nicht habe beliebig vertreten lassen können. Es sei von einer persönlichen Arbeitspflicht auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, selbstverständlich müsse dem Unternehmen eine Verhinderung gemeldet werden, da der Verlag das Interesse habe, die Zeitungen zu verkaufen, und sich der Kolporteur dazu verpflichtet habe. Jedoch sei es üblich, dass sich Kolporteure kurzfristig oder auch langfristig vertreten ließen. Die Person des Vertreters sei dem Verlag aus rein organisatorischen Gründen wegen der Legitimation zur Übernahme der Zeitungspakete mitzuteilen gewesen. In der Praxis sei dies jedoch häufig unterlassen worden. Auch die Tatsache, dass es keine Garantie für einen bestimmten Standplatz gegeben habe, zeige, dass dem Erstmitbeteiligten ein Verhalten des Vertreters zugerechnet worden wäre. Dies weise auf ein für einen mit Vertretern arbeitenden Unternehmer übliches Risiko hin. Der Erstmitbeteiligte habe daher eine Vertretungsmöglichkeit gehabt. Die belangte Behörde führte dazu aus, die Behauptung, der Kolporteur hätte die Möglichkeit gehabt, sich beliebig, also auch langfristig, vertreten lassen zu können, müsse als unglaubwürdig beurteilt werden. Dies im Zusammenhang damit, dass die Beschwerdeführerin stets die Kontrolle darüber behalten habe, welchen Kolporteur sie auf welchem Standort einsetze, dass sie das Verkaufsverhalten laufend kontrolliert habe und nur solche Kolporteure auf guten Standplätzen habe arbeiten lassen, deren Verkaufsverhalten ihren Vorstellungen entsprochen habe.

Die Beschwerdeführerin habe im Übrigen eingeräumt, dass teilweise ein Konkurrenzverbot bestanden habe. Soweit nicht unmittelbare Konkurrenz vorgelegen wäre, wäre es dem Erstmitbeteiligten offengestanden, weitere Zeitungsprodukte anzubieten, was allerdings rein technisch für ihn schwierig gewesen wäre. Im Übrigen hätte er unbeschränkt andere Produkte (wie Rosen und Bücher) anbieten dürfen. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass von einem Konkurrenzverbot auszugehen sei.

Die belangte Behörde legte weiters dar, die Beschwerdeführerin habe die Standplätze an letztlich von ihr bestimmte Kolporteure unter Festsetzung der Arbeitszeiten vergeben. Laufend seien Weisungen und Kontrollen erfolgt und habe es die Androhung von Sanktionen bei weisungswidrigem Verhalten gegeben. Die Beschwerdeführerin habe Art und Menge der zu verkaufenden Zeitungen ebenso wie die Höhe des Mindestverkaufs gemäß der ihr bekannten Umsatzstärke des Standplatzes festgesetzt. Für eine unternehmerische Disposition des einzelnen Kolporteurs sei in einem solchen System kein Platz geblieben. Zwar habe die Beschwerdeführerin behauptet, der Erstmitbeteiligte habe unternehmerisch disponieren können, da er über die Mindestverkaufszeiten hinaus auf seinem Verkaufsplatz habe bleiben können. Dies sei jedoch nicht geeignet, eine selbständige Tätigkeit des Erstmitbeteiligten zu untermauern, da er jedenfalls an seinen Standplatz gebunden gewesen sei und die vorgegebenen Mindestverkaufszeiten habe einhalten müssen. Auch eine freie Preisgestaltung sei insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführerin ihm den Standplatz hätte entziehen können, nicht in Erwägung zu ziehen.

Die Aussagen des Erstmitbeteiligten seien in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar und stimmten mit dem Inhalt der von ihm vorgelegten Unterlagen überein. Bei genauerer Analyse sei klar zu erkennen, dass die objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation der Beschwerdeführerin den Abschluss eines echten Werkvertrages nicht erlaubt hätten. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Vereinbarung eines Werkvertrages sei daher als Scheinvereinbarung zu qualifizieren. Der Erstmitbeteiligte habe mit seinen Aussagen zur tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit reichlich schlüssige Argumente vorgebracht, die Behauptung einer selbständigen Tätigkeit zu entkräften. Den Behauptungen der Beschwerdeführerin über die tatsächliche Ausgestaltung der Beschäftigung sei, soweit sie den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation der Beschwerdeführerin widersprächen, nicht zu glauben. Im Übrigen sei der Erstmitbeteiligte mehrmals im Verfahren befragt worden. Im Wesentlichen seien seine Aussagen widerspruchsfrei. Sie wiesen nur geringfügige Ungenauigkeiten auf, die dem Umstand entsprächen, dass die Tätigkeit zur Zeit der Befragungen schon lange zurückgelegen sei. Insgesamt ergäben die Aussagen jedoch ein klares und nachvollziehbares Bild der Beschäftigung. Zusammenfassend sei daher davon auszugehen, dass bei der gegenständlichen Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt nahm von der Erstattung einer Gegenschrift ebenfalls Abstand.

Der Erstmitbeteiligte hat einen als "Stellungnahme" bezeichneten Schriftsatz erstattet.

Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, aus der Bindung an Arbeitszeiten und an einen Arbeitsort ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis abzuleiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem ebenfalls die Tätigkeit eines Zeitungskolporteurs betreffenden hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 92/08/0213, ausgeführt, dass nicht schon deshalb die persönliche Abhängigkeit des Kolporteurs in und durch seine Beschäftigung zu bejahen sei, weil er den Verkauf der Zeitungen und Zeitschriften an einem bestimmten Standort und jedenfalls zu einer bestimmten Mindestzeit vorzunehmen habe. Es sei vielmehr überdies zu untersuchen, ob zu diesen zeitlichen und örtlichen Beschränkungen seiner Bestimmungs(Gestaltungs)freiheit in Bezug auf den Hauptinhalt der von ihm übernommenen Verpflichtungen auch solche betreffend deren inhaltliche Gestaltung hinzukommen, die - dann unter Mitberücksichtigung aller übrigen beschränkenden Umstände - bei der gebotenen Gewichtung der tatsächlichen Merkmale eine persönliche Abhängigkeit bewirkten. Eine solche Abhängigkeit wäre zu verneinen, wenn der Erstmitbeteiligte berechtigt gewesen wäre, entweder im Rahmen der übernommenen Gesamtverpflichtung sanktionslos einzelne Arbeitsleistungen (ohne Stelligmachung eines Vertreters) abzulehnen, die übernommene Arbeitsverpflichtung generell durch geeignete Dritte vornehmen zu lassen oder schließlich ohne weitere Verständigung der Beschwerdeführerin (also generell) zur Verrichtung der bedungenen Arbeitsleistungen Hilfskräfte (Gehilfen) beizuziehen.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass es dem Erstmitbeteiligten freigestanden sei, zur Abholung der Zeitschriften nicht zu erscheinen oder eben nicht am Platz zu sein, was dazu geführt hätte, dass "von uns" dieser Platz einem anderen Kolporteur angeboten worden wäre. Der Entzug des täglichen Pauschales könne denkunmöglich eine Sanktion sein, sondern sei "lediglich Folge der mangelnden Leistungserbringung". Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin bei Nichterscheinen einen Standort an einen anderen Kolporteur vergeben, woraus sich zeige, dass sie auf einen Arbeitskräftepool habe zurückgreifen können, der das Ablehnungsrecht faktisch gesichert habe.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zeigt, dass keine Vertretungsbefugnis vorgelegen ist. Wie sie selbst ausführt, ist gegebenenfalls der Standplatz von ihr einem anderen Kolporteur angeboten worden. Dass der Erstmitbeteiligte den Standplatz in weiterer Folge wieder erhalten hätte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Ein Vertretungsrecht in genereller Hinsicht hätte aber nur dann bestanden, wenn der Erstmitbeteiligte von sich aus jemand anderen hätte stellig machen können, ohne dass sein Vertragsverhältnis mit der Beschwerdeführerin einer Auflösung oder aus seiner Sicht einer Verschlechterung unterlegen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im zitierten hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995 festgestellt hat, wäre auch eine dermaßen sanktionslose Verweigerung einzelner Arbeitsleistungen bei dem straff organisierten Betriebssystem nicht in Frage gekommen. Aus der bloßen Möglichkeit des Erstmitbeteiligten, sein Vertragsverhältnis zu beenden, kann im Übrigen nicht auf eine persönliche Unabhängigkeit in dem aufrechten Rechtsverhältnis geschlossen werden.

Ist somit aber von einer grundsätzlich persönlichen Arbeitspflicht auszugehen, ist zu prüfen, welche Beschränkungen der Bestimmungs(Gestaltungs)freiheit des Erstmitbeteiligten durch seine Beschäftigung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht und auch durch die vorgegebene inhaltliche Gestaltung seiner Beschäftigung gegeben waren.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelt es sich bei der Verpflichtung, bestimmte Jacken, Kappen und Taschen zu tragen und die angebotenen Zeitungen in bestimmter Weise hoch zu halten, nicht um sachliche, sondern um persönliche Weisungen (vgl. in diesem Sinne das zitierte hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995 und, darauf verweisend, den von der Beschwerdeführerin zitierten Beschluss des OGH vom 30. Oktober 2003, Zl. 8 ObA 45/03f). Im Sinne des zitierten hg. Erkenntnisses vom 31. Jänner 1995 liegt daher auch im vorliegenden Fall angesichts der Bindungen des Erstmitbeteiligten an Arbeitszeiten, Arbeitsorte und persönliches Verhalten bei seiner Tätigkeit ein die Pflichtversicherung begründendes Beschäftigungsverhältnis vor; auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Bemerkt wird, dass der von der Beschwerdeführerin genannte Beschluss des OGH vom 30. Oktober 2003 einen Fall zum Gegenstand hatte, bei dem keine persönliche Arbeitspflicht der Zusteller gegeben war, sondern vielmehr ein echtes Vertretungsrecht bzw. ein Recht vorgelegen ist, Gehilfen beizuziehen. Ein dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbarer Sachverhalt lag daher nicht vor.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, der Erstmitbeteiligte sei einem unternehmerischen Risiko hinsichtlich des Verkaufsausfalls unterlegen und seine Tätigkeit sei jener in einem Franchising-System vergleichbar, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits im zitierten Erkenntnis vom 31. Jänner 1995 darauf hingewiesen hat, dass selbst dann, wenn das Rechtsverhältnis gewisse Parallelen zu einem Subordinations-Franchising eines Einzelunternehmers ohne Berechtigung, Gehilfen beizuziehen, gehabt haben sollte, dies bei dem vorliegenden Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit nicht die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses als ein die Versicherungspflicht auslösendes Beschäftigungsverhältnis hindern könne. Dies trifft auch im hier gegenständlichen Fall zu.

Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass der Erstmitbeteiligte auch andere Produkte, solange es sich nicht um unmittelbare Konkurrenzzeitschriften gehandelt hätte, habe verkaufen dürfen und dass er durch die Mindestabnahmeverpflichtung einem unternehmerischen Risiko unterlegen sei, ist wiederum gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995 zu verweisen, insbesondere darauf, dass bei den detaillierten Vorgaben für die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten praktisch kein noch irgendwie relevanter Spielraum für eine eigene unternehmerische Gestaltung der Verkaufstätigkeiten vorgelegen ist. Dass dies bei Beschränkung auf Tages- oder Abendkolportage nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin anders gewesen wäre, ist schon deshalb nicht von Relevanz, da hier nur die konkrete Tätigkeit des Erstmitbeteiligten zu beurteilen ist.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ausreichend auseinandergesetzt und ihre Feststellungen nachvollziehbar begründet. Die Beschwerdeführerin hebt weiters hervor, dass auch der von ihr mit dem Erstmitbeteiligten getroffenen Vereinbarung Bedeutung zukomme und diese Vereinbarung daher zu ermitteln gewesen wäre. Sie behauptet aber nicht, dass die von der belangten Behörde festgestellte Tätigkeit des Erstmitbeteiligten dieser Vereinbarung widersprochen hätte. Einen relevanten Ermittlungsmangel zeigt die Beschwerdeführerin folglich insofern nicht auf.

Die Beschwerdeführerin bringt schließlich noch vor, dass sie über ausdrückliche Aufforderung der belangten Behörde mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 klargestellt habe, dass der Erstmitbeteiligte bis einschließlich 30. Juni 1988 Auftragnehmer der D. und erst am 1. Juli 1988 Auftragnehmer der Beschwerdeführerin gewesen sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Abgesehen vom genannten Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. Dezember 2003 befindet sich im Akt ein (der belangten Behörde offenbar vom Erstmitbeteiligten vorgelegtes) Schreiben der Kolportageleitung, wonach ab 1. Juli 1988 die Beschwerdeführerin die Kolportageverrechnung für beide Verlage durchführe. X-Kolporteure erhielten demnach in der Woche 26 zwei Rechnungen für ihren Platz, Y-Kolporteure würden bis Donnerstag, den 30. Juni, nach dem (...)system abgerechnet, ab 1. Juli bekämen sie die Rechnungen von der Beschwerdeführerin. Die belangte Behörde ist selbst, folgend auch der vor ihr aufgenommenen Niederschrift mit dem Erstmitbeteiligten vom 16. Dezember 2003, in der Bescheidbegründung offenbar davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin erst ab 1. Juli 1988 als Dienstgeberin in Frage kommt. Sie hat nicht begründet, weshalb sie den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien hinsichtlich des Zeitraumes vom 30. Juni 1988 bis 11. Juni 1990 bestätigt hat.

Nun könnte zwar der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ausgelegt werden, dass die Pflichtversicherung erst mit Ablauf des 30. Juni 1988, also mit 24.00 Uhr dieses Tages, begonnen hat. Diese Auslegung ist allerdings nicht die einzig mögliche. Damit wird der angefochtene Bescheid den Anforderungen, die an einen Bescheidspruch über die Pflichtversicherung zu stellen sind, nicht gerecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2001/08/0034).

Da sich der Bescheidspruch im Hinblick darauf, dass nach ihm die genannte Rechtswidrigkeit sowohl bezüglich der Zeit der Pflichtversicherung als auch der Zeit davor vorliegt, als Einheit darstellt und unteilbar ist, war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltende Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2005

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