Normen
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs3 Z3 litb;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs3 Z3 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Rumänien, reiste gemäß ihren Angaben Anfang Juni 2003 in das Bundesgebiet ein, wo sie am 10. Juni 2003 einen Sohn zur Welt brachte. In der Folge, mit Eingabe vom 21. August 2003, beantragte sie die Gewährung von Asyl, was sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 21. November 2003 im Wesentlichen damit begründete, dass sie der Vater ihres Kindes, ein 22-jähriger rumänischer Staatsangehöriger, immer wieder geschlagen und, weil sie nicht mit ihm leben wolle, mit dem "Wegnehmen" ihres Kindes bedroht habe. Im März 2003 habe sie ihren "Freund" wegen Körperverletzung bei der Polizei anzeigen wollen. Ihr sei jedoch gesagt worden, dass sie "zu Gericht" gehen müsse und für die Anzeige Geld brauche. Daraufhin sei sie in die ca. 70 km von ihrem Heimatdorf entfernte Stadt Roman gefahren, hätte "für die Klage 600.000,-" gebraucht, die sie jedoch nicht gehabt habe. Sie hätte erwartet, dass man ihren "Freund" einsperre und befürchte im Falle ihrer Rückkehr, von diesem umgebracht zu werden.
Das Bundesasylantrag wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 20. Jänner 2004 gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Rumänien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es ging - insoweit den Angaben der Beschwerdeführerin folgend - davon aus, dass diese von ihrem ehemaligen Lebensgefährten geschlagen und bedroht worden sei. Außerdem traf es Feststellungen "zur Lage in Rumänien", uzw. zur politischen und wirtschaftlichen Situation, zur Minderheitenpolitik, zur organisierten Kriminalität und zur Situation abgeschobener Personen. Rechtlich folgerte es, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private deren Flüchtlingseigenschaft nicht begründen könnten. Verfolgung im Sinn des Asylgesetzes - im Folgenden das Bundesasylamt wörtlich - "muss entweder von staatlichen Stellen ausgehen oder der betreffende Staat muss nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintan zu halten (vgl. Erk. des VwGH v. 23.3.1994, Zl. 93/01/1197). Rumänische Behörden schreiten in Fällen derartigen Fällen ein."
Zur Entscheidung nach § 8 AsylG führte das Bundesasylamt ergänzend aus, die Beschwerdeführerin habe nicht plausibel nachvollziehbar darzulegen vermocht, dass die Sicherheitsbehörden Rumäniens gänzlich schutzunfähig oder schutzunwillig wären bzw. dass sie (die Beschwerdeführerin) aus diesem Grunde auch nur mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gesamten Staatsgebiet Rumäniens mit Schutzverweigerung bzw. mangelnder Schutzgewährung auf Grund der Ineffizienz der staatlichen Sicherheitsbehörden zu rechnen habe. Die Beschwerdeführerin habe, was den von ihr dargelegten Kontakt mit der Polizei bzw. dem Gericht anlange, von einer Anzeigeerstattung Abstand genommen, weil diese gebührenpflichtig gewesen sei. Dies zeige deutlich, dass keine konkrete Verfolgung existent gewesen sei. Es gebe - so das Bundesasylamt weiter - kein Indiz dafür, dass die rumänische Polizei tatsächlich kriminelle Handlungen unterstütze oder nichts unternehmen würde. Es wäre der Beschwerdeführerin daher zumutbar gewesen, sich unter den Schutz der rumänischen Behörden zu stellen, da diese Schutzgewährung "im Lichte der getroffenen Feststellungen" im Allgemeinen als existent anzusehen sei.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. In dieser brachte sie ua. vor, die Polizisten, bei denen sie die Anzeige gegen ihren Lebensgefährten habe einbringen wollen, hätten "die Sache so hingebogen, als ob sie die ganze Angelegenheit nichts angehen würde".
Mit Bescheid vom 19. August 2004 wies die belangte Behörde die Berufung - ohne Durchführung der beantragten Berufungsverhandlung - "gem. §§ 7, 8 (1) AsylG" ab. Sie führte aus, das Bundesasylamt habe ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung seines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfolge klar und übersichtlich zusammengefasst. In der Berufung werde nicht dargetan, warum entgegen der Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid eine Verfolgung der Beschwerdeführerin im Sinne der Flkonv glaubhaft sein solle. Eine individuelle, gegen sie selbst gerichtete Verfolgungshandlung habe sie im gesamten Verfahren nicht aufzeigen können, ebenso wenig eine Bedrohung im Sinne des § 57 FrG. Die belangte Behörde schließe sich daher den auch hinsichtlich der rechtlichen Subsumtion nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes an und erhebe sie zum Inhalt ihres Bescheides.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Vorweg ist anzumerken, dass das Bundesasylamt offensichtlich gegen die ihm in § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG auferlegte Verpflichtung verstoßen hat, wonach, soweit es ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, Asylwerber persönlich von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter zu vernehmen sind. Gegenständlich wurde die am 21. November 2003 erfolgte erstinstanzliche Einvernahme der Beschwerdeführerin gemäß der darüber aufgenommenen Niederschrift nämlich nicht von jenem Organwalter des Bundesasylamtes durchgeführt, der in der Folge den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. Jänner 2004 genehmigte. Dass dies lediglich deshalb erfolgte, um unverhältnismäßigen Aufwand abzuwenden, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ansatzweise entnehmen; das Bundesasylamt selbst hat dazu keine rechtfertigende Erklärung abgegeben.
2. Schon der eben aufgezeigte Aspekt begründet einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, weshalb die im bekämpften Berufungsbescheid vorgenommene Einschätzung, das Bundesasylamt habe ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, keinesfalls zutrifft. Die erwähnte Einschätzung erweist sich aber auch aus anderen Gründen als verfehlt:
Einerseits ist die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides widersprüchlich, andererseits fußt er auf Prämissen, die nicht durch entsprechende Ermittlungsergebnisse gedeckt sind.
Was zunächst die besagte Widersprüchlichkeit anlangt, so muss auf die Überlegungen zu § 8 AsylG verwiesen werden, denen zufolge das "Anzeigeverhalten" der Beschwerdeführerin (letztlich Abstandnahme von einer Anzeige wegen Gebührenpflicht) deutlich zeige, dass in ihrem Fall "keine konkrete Verfolgung existent" gewesen sei. Demgegenüber wurde nämlich, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgend, an anderer Stelle festgestellt, sie sei von ihrem ehemaligen Lebensgefährten geschlagen und mit der Wegnahme ihres Kindes bedroht worden. Mit einer Beurteilung, es habe "keine konkrete Verfolgung" (im Sinn einer ausreichend eingriffsintensiven Maßnahme) existiert, ist das nicht in Einklang zu bringen.
Das zum zweiten erwähnte Ermittlungsdefizit ist darin zu erblicken, dass das Bundesasylamt ohne erkennbare Erhebungen zu dem Ergebnis gelangte, rumänische Behörden schritten "in derartigen Fällen" (das ist das von der Beschwerdeführerin behauptete Bedrohungsbild) ein. Mit der - ansonsten für glaubwürdig erachteten - Darstellung der Beschwerdeführerin, sie habe sich letztlich erfolglos an Polizei bzw. Gericht gewendet, ist diese Annahme jedenfalls nicht ohne weiteres zur Deckung zu bringen. Dass - wie das Bundesasylamt ergänzend zu § 8 AsylG argumentierte - kein Indiz vorliege, die rumänische Polizei unternehme tatsächlich nichts gegen kriminelle Handlungen, trifft davon ausgehend gleichfalls nicht zu.
3. Nach dem bisher Gesagten hätte sich die belangte Behörde nicht im Wesentlichen mit einem Verweis auf die Entscheidung des Bundesasylamtes begnügen dürfen. Angesichts der aufgezeigten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens wäre sie insbesondere zur Durchführung der beantragten Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen, weil von einem "geklärten Sachverhalt" im Sinn des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG nicht die Rede sein konnte (vgl. grundsätzlich das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533). Das Erfordernis, eine Berufungsverhandlung durchzuführen, hätte sich aber auch deswegen ergeben, weil die Beschwerdeführerin bezüglich der Behandlung ihrer Anzeige bei der Polizei ein ergänzendes bzw. präzisierendes Vorbringen (siehe oben) erstattete. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass auch der bekämpfte Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet ist, deren Relevanz für das gesamte Verfahrensergebnis schon deshalb nicht von der Hand gewiesen werden kann, weil das Bundesasylamt (und mit ihm infolge der gewählten Verweistechnik auch die belangte Behörde) sowohl in der Asylfrage als auch hinsichtlich der Entscheidung nach § 8 AsylG lediglich mit dem Fehlen von Verfolgung an sich und/oder der Existenz ausreichenden staatlichen Schutzes argumentierte.
Der bekämpfte Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2005
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