VwGH 2003/16/0488

VwGH2003/16/048821.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der mj. V, vertreten durch ihre Mutter A, beide in W, diese vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 3, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 12. Oktober 2001, Zl. Jv 3685- 33a/2001, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GGG 1984 §1;
VwRallg;
GGG 1984 §1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Klage vom 18. September 1997 wurde von der Beschwerdeführerin als Erstbeklagter wegen eines Rodelunfalles die Leistung von Schadenersatz in Höhe von S 329.664,-- zuzüglich der Feststellung über Haftung (bewertet mit S 100.000,--) begehrt. Als Gesamtstreitwert wurde in der Klage daher eine Summe von S 429.664,-- angegeben.

Mit Teilzwischenurteil und Endurteil vom 15. Dezember 1999 erkannte das LG Wr. Neustadt, das Klagebegehren, die Beklagte mj. (Beschwerdeführerin) sei schuldig, dem Kläger Schmerzengeld auf Grund des Vorfalles vom 14. Jänner 1995 zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu 50 % zu Recht. Die Entscheidung über das darüber hinausgehende Leistungsbegehren, über das Feststellungsbegehren und die Kostenentscheidung wurde der Endentscheidung vorbehalten.

Mit Schriftsatz vom 27. März 2000 erhob die Beschwerdeführerin gegen dieses Teilurteil Berufung, und zwar insoweit, "als das Klagebegehren, (die Beschwerdeführerin) wäre schuldig, dem Kläger Schmerzengeld auf Grund des Vorfalles vom 14. 1. 1995 zu bezahlen, dem Grunde nach zu 50 % zu Recht bestehend beurteilt wird und die Entscheidung über das darüber hinausgehende Leistungsbegehren sowie das Feststellungsbegehren und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten wird, zur Gänze angefochten" wird, wobei im Rubrum unter "wegen" das Gesamtberufungsinteresse mit S 266.040,-- s.A. angegeben und im Berufungsantrag die Abänderung des Teilzwischenurteils dahin begehrt wurde, dass "das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird".

Für die Berufung wurde die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG in Höhe von S 10.600,-- entrichtet.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. September 2000 wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach dem Spruch dieses Urteiles betrug der Berufungsstreitwert S 50.000,--. In den Entscheidungsgründen wurde darauf hingewiesen, dass das Erstgericht ausdrücklich ausgesprochen habe, "dass die Entscheidung über das Leistungsbegehren (betreffend Verdienstentgang) über das Feststellungsbegehren und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten" bleibe und somit der Berufungsstreitwert nur S 50.000,-- betrage.

Mit Schreiben vom 19. April 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung von S 7.950,--. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, in der Berufungsentscheidung habe das Berufungsgericht den Berufungsstreitwert mit lediglich S 50.000,-- bewertet, sodass gemäß § 7 RATG die Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren nur S 2.650,-- betragen habe.

Diesem Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet werde und die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich bleibe. Das GGG knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Da die Beschwerdeführerin in der gegenständlichen Berufung das Berufungsinteresse ausdrücklich mit S 266.040,-- angegeben habe, sei nach diesem Betrag der Pauschalgebührenbetrag im Sinne der TP 2 GGG zu ermitteln. Im Beschwerdefall sei mangels Bewertung des Streitgegenstandes durch Gerichtsbeschluss weder § 7 RATG noch der Ausnahmetatbestand gemäß § 18 Abs. 2 GGG zur Anwendung gekommen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2003, B 1591/01-3, mit der Begründung, dass dem Gesetzgeber unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden könne, wenn er für die Rechtsmittelzulässigkeit und für die Gebührenbemessung von verschiedenen Werten ausgehe, ab und trat die Beschwerde gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus ihrem Beschwerdeinhalt immerhin erkennbar - in ihrem Recht auf Rückzahlung von S 7.950,-- verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Gerichts- und Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

Nach § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Nach Abs. 2 Z 1 dieser Gesetzesstelle bildet dann, wenn der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert wird, der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage.

§ 7 RATG lautet:

"§ 7. Findet der Beklagte die Bewertung des Streitgegenstandes nach den §§ 56 oder 59 der Jurisdiktionsnorm durch den Kläger zu hoch oder zu niedrig, so kann er spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung die Bewertung bemängeln. Das Gericht hat mangels einer Einigung der Parteien, möglichst ohne weitere Erhebungen und ohne die Erledigung wesentlich zu verzögern oder Kosten zu verursachen, den Streitgegenstand für die Anwendung dieses Bundesgesetzes im Rahmen der von den Parteien behaupteten Beträge zu bewerten. Dieser Beschluss kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden."

Die Pauschalkosten betragen nach TP 2 GGG idF vor BGBl. I Nr. 131/2001 für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz bei einem Berufungsinteresse über S 30.000,-- bis S 50.000,-- S 2.650,--, bei einem Berufungsinteresse über S 100.000,-- bis S 500.000,-- S 10.600,--.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2005, Zl. 2004/16/0237 mwN, und die bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7, unter E 9 zu § 1 GGG referierte hg. Judikatur) sind sowohl der Kostenbeamte als auch die belangte Behörde als Justizverwaltungsorgan bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des Gerichtes gebunden. So bindet etwa die Entscheidung des Gerichtes, dass es sich um ein mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1992, Zlen. 91/16/0108 u.a.) oder um eine Berufung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 99/16/0406) handelt, das Justizverwaltungsorgan.

Der belangten Behörde ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass im Beschwerdefall das Berufungsgericht keine Entscheidung nach § 7 RATG zur Bestimmung des Streitwertes getroffen hat und auch kein Ausnahmetatbestand des § 18 Abs. 2 GGG zur Anwendung gelangt. Allerdings hat das Oberlandesgericht Wien im Kopf seines Berufungsurteils ausgesprochen, dass der Berufungsstreit im Beschwerdefall "richtig S 50.000,--" betragen habe. Der Kostenbeamte hätte daher in Bindung an dieses Urteil ebenfalls von einem Streitwert in der selben Höhe und nicht von dem von der Beschwerdeführerin in der Berufungsschrift angegebenen Gesamtstreitwert von S 266.040,-- auszugehen gehabt.

Indem die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der zu viel entrichteten Pauschalgebühr abgewiesen hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. September 2005

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