VwGH 2002/09/0141

VwGH2002/09/014119.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Mag. V in G, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 14-16/6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 1. Juli 2002, Zl. A 3 - K 5846/2000-10, betreffend Bordellbewilligung nach dem Steiermärkischen Prostitutionsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Stmk 1995 §10;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1 impl;
ProstG Stmk 1998 §7 Z1;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 lita;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 litb;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3;
ProstG Stmk 1998 §7;
ROG Stmk 1974 §22 Abs5;
ROG Stmk 1974 §22;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Stmk 1995 §10;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1 impl;
ProstG Stmk 1998 §7 Z1;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 lita;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 litb;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3;
ProstG Stmk 1998 §7;
ROG Stmk 1974 §22 Abs5;
ROG Stmk 1974 §22;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. März 2002 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Z 1 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes (im folgenden: Stmk PrG), LGBl. Nr. 16/1998, die Bewilligung zum Betrieb eines Bordells am Standort Graz, W Hauptstraße X, nicht erteilt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 2002 hat die belangte Behörde (die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz) gemäß § 66 Abs. 4 AVG über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den namens des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz ergangenen Bescheid vom 8. März 2002 wie folgt entschieden:

"Die eingebrachte Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der bekämpfte Bescheid wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass in dessen Spruch nach '§ 7 Ziff. 1' die Wortfolge 'und Ziff. 3 lit. a) und b)' hinzuzutreten hat.

Im Übrigen wird der erstinstanzliche Bescheid bestätigt."

Zur Begründung führte die belangte Behörde zu Z 1 des § 7 Stmk PrG aus, das Gebäude in Graz, W Hauptstraße X, sei eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss; das Nachbargebäude (in der W Hauptstraße Y) sei etwa 6,50 m entfernt, dazwischen liege die etwa 3 m breite Einfahrt (zum Haus W Hauptstraße X) und eine etwa 3,60 m breite begrünte Fläche. Auf dieser Fläche befinde sich "ein neu aussehendes Spielgerät, bestehend aus 2 Schaukeln". Bei diesem Spielgerät handle es sich "um einen Kinderspielplatz im Sinne des § 7 Z 1 des Stmk. Prostitutionsgesetzes", von dem aus Sicht- und Blickkontakt zu dem im Dachgeschoss befindlichen Fenster mit Sichtschutzverglasung bestehe. Für den Fall der Öffnung dieses Fensters bestehe Sicht- und Blickkontakt in eine Räumlichkeit, die der Ausübung der Prostitution diene. Da im Nachbarhaus (M-gasse Z bzw. W Hauptstraße Y) zwei minderjährige Kinder wohnten, die das "Spielgerät" auch benützten, bestehe die Möglichkeit des Sicht- und Blickkontaktes in Räumlichkeiten, die der Ausübung der Prostitution dienten. Der Schutzzweck des § 7 Z 1 Stmk PrG liege darin, Kinder und Jugendliche vor seelischer Belastung im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution zu schützen. Der Kinderspielplatz müsse nicht den Bestimmungen der Stmk. Bauordnung entsprechen.

Zu Z 3 (lit. a und b) des § 7 Stmk PrG führte die belangte Behörde aus, der für das Bordell gewählte Standort liege nach dem Flächenwidmungsplan (der Landeshauptstadt Graz) im "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet, ausgenommen Einkaufszentren". An die Grundgrenzen dieses Standortes (nämlich sowohl an die nördliche in Richtung Westen als auch an die östliche in Richtung Norden und Süden) schließe sich das Gebiet "Wohnen Allgemein". Im Umkreis von etwa 100 m zum Bordell würden (laut Meldedatei) 442 Personen, davon 38 Personen unter 14 Jahre und 2 unter 15 Jahre, wohnen und in einer Entfernung von etwa 250 m befinde sich die Volksschule W (nämlich in der W Hauptstraße V), die von 284 Kindern (im Schuljahr 2001/2002) besucht werde. Das Haus (des beabsichtigten Bordellstandortes) verfüge in der Hauswand der W Hauptstraße X über drei Kipp- und öffenbare Fenster mit Sichtschutzverglasung. Im Falle einer Öffnung eines dieser drei Fenster bestehe für den vorbeigehenden oder -fahrenden Verkehr, darunter auch die "GVB-Linie 60" (Anmerkung: damit gemeint ist die Bus-Linie 60 der Grazer Verkehrsbetriebe), von der W Hauptstraße aus eine Einsichtmöglichkeit bzw. ein Blickkontakt in Räumlichkeiten, die der (beabsichtigten) Prostitution dienen sollen. Im Hinblick auf den für das Bordell gewählten Standort sei zu erwarten, dass "bei Bewilligung des Bordellbetriebes eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Belästigung der Nachbarschaft entsteht und das örtliche Gemeinschaftsleben, darüber hinaus das öffentliche Interesse des Jugendschutzes verletzt würde". Zur Wahrung des örtlichen Gemeinschaftslebens sei es "keinesfalls im Interesse der Stadt Graz gelegen, dass in unmittelbarer Umgebung eines dicht besiedelten Wohngebietes ein Bordell betrieben wird".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob die erstinstanzliche Entscheidung den vorgeschriebenen Bescheidcharakter aufweise.

Den dazu erstatteten Beschwerdeausführungen ist erwidern, dass die als Bescheid bezeichnete erstinstanzliche Entscheidung vom 8. März 2002, gefertigt "für den Stadtsenat", von einem Stadtsenatsreferenten für den Stadtsenat erlassen wurde. Darauf, dass alle übrigen Angelegenheiten (gemeint: des eigenen Wirkungsbereiches der Stadt Graz) gemäß § 61 Abs. 3 des Statuts der Landeshauptstadt Graz von zuständigen Mitgliedern des Stadtsenates (Stadtsenatsreferenten) zu besorgen sind, verweist auch die Beschwerdeführerin mit Recht.

Ihr darauf aufbauendes Vorbringen, die erstinstanzliche Entscheidung sei deshalb kein Bescheid, weil diese nicht erkennen lasse, ob sie von einem Kollegialorgan oder von dem (sie unterfertigenden) Stadtsenatsreferenten getroffen wurde, entbehrt der (sachverhaltsmäßigen) Grundlage, ist nach dem Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung doch eindeutig zu erkennen, dass diese nicht von einem Kollegialorgan erlassen wurde. Die belangte Behörde hat (belegt durch ihrer Gegenschrift angeschlossene Urkunden) in Erwiderung des Beschwerdevorbringens zutreffend dargelegt, dass die vorliegende Angelegenheit nach dem Stmk. Prostitutionsgesetz einer kollegialen Beschlussfassung nicht vorbehalten ist - demnach von dem zuständigen Mitglied des Stadtsenates (Stadtsenatsreferent) zu besorgen war - und der konkret eingeschrittene Sachbearbeiter durch den zuständigen Stadtsenatsreferenten zur Vertretung und Bescheiderlassung ermächtigt war.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es liege in erster Instanz ein Nichtbescheid vor, vermag ihre Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu führen.

Mit dem Vorbringen, für das gegenständliche Objekt sei eine Benützungsbewilligung zum Betrieb eines Bordells erteilt worden, legt die Beschwerdeführerin dar, dass für den gewählten Standort eine nach dem Steiermärkischen Baugesetz erforderliche Bewilligung zur Verwendung des Gebäudes (Gebäudeteiles) besteht (vgl. § 4 Abs. 5 Z 5 Stmk PrG). Die vorliegend begehrte Bordellbewilligung ist jedoch allein aus diesem Grund nicht zu erteilen, sondern ausschließlich dann, wenn die in § 5 Abs. 3 Stmk PrG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Das (unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels erhobene) Beschwerdevorbringen, es sei nicht festgestellt worden, dass die Spielgeräte wirklich benützt werden, bzw. die Existenz von minderjährigen Kindern in der Nachbarschaft sei vom Parteiengehör ausgeschlossen gewesen, ist nicht begründet. Die vermisste Feststellung hat die belangte Behörde auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides (im Rahmen der Ausführungen zur Voraussetzung des § 7 Z 1) sehr wohl getroffen. Schon im erstinstanzlichen Bescheid vom 8. März 2002 wurde

u. a. festgestellt, dass im Nachbarhaus (W Hauptstraße Y) laut Meldeamt eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern wohnt. Die Beschwerdeführerin konnte daher zu diesem Sachverhaltselement in ihrer Berufung Vorbringen erstatten.

Die Meldedatenerhebung (neben anderen relevanten Urkunden) hat die belangte Behörde mit einem Schreiben vom 31. Mai 2002 der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt; sie hat daraufhin den Schriftsatz vom 13. Juni 2002 erstattet, der danach zur Durchführung eines Lokalaugenscheines (am 20. Juni 2002) geführt hat. In der übermittelten Meldedatenerhebung (./2) waren u. a. die Personen unter 14 Jahren ausdrücklich ausgewiesen. Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk PrG

(LGBl. Nr. 16/1998) lauten:

"§ 1 Geltungsbereich

Die Ausübung der Prostitution und die Anbahnung dazu in einer

der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretenden Weise

unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Unter Prostitution im Sinne dieses Gesetzes ist die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen zu verstehen.

(2) Unter Anbahnung der Prostitution ist ein Verhalten in der Öffentlichkeit zu verstehen, durch welches eine Person erkennen lässt, die Prostitution ausüben zu wollen.

(3) Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Ausübung der Prostitution wiederkehrend in der Absicht erfolgt, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

(4) Unter Bordell ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Prostitution ausgeübt werden soll.

(5) Unter bordellähnlicher Einrichtung ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Anbahnung der Prostitution erfolgt.

§ 4 Bewilligung von Bordellen und bordellähnlichen Einrichtungen

(1) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Behörde (Bordellbewilligung) betrieben werden. Jede Änderung des Betriebes eines Bordells bedarf vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung.

...

(5) Dem Antrag sind anzuschließen:

  1. 1. ...
  2. 5. allfällige nach dem Steiermärkischen Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, in der jeweils geltenden Fassung, erforderliche Bewilligungen zur Verwendung des Gebäudes oder des Gebäudeteiles,

    ...

    § 5 Bewilligungsverfahren und Bewilligung

(1) Über einen Antrag gemäß § 4 ist, soweit sich nicht die Unzulässigkeit des Vorhabens schon aus dem Antrag oder den ihm angeschlossenen Unterlagen ergibt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in deren Rahmen ein Ortsaugenschein stattzufinden hat.

(2) Vor Erteilung der Bewilligung ist der zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen zuständigen Behörde (§ 12 Abs. 2) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Behörde ist auch von der Erteilung, dem Erlöschen und der Entziehung einer Bordellbewilligung zu verständigen.

(3) Die Bordellbewilligung ist zu erteilen, wenn die persönlichen (§ 6) und sachlichen (§ 7) Voraussetzungen erfüllt sind. Sie ist befristet oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung der im § 7 Z. 1, 3 und 5 angeführten Interessen erforderlich ist.

(4) Die Behörde (§ 12 Abs. 1) hat in Abständen von längstens drei Jahren, beginnend mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung, das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen zu überprüfen.

§ 7 Sachliche Voraussetzungen

Die Bordellbewilligung ist für einen bestimmten Standort zu

erteilen, wenn

1. in der Nähe des beabsichtigten Standortes keine der nachfolgend angeführten Einrichtungen mit direktem Blickkontakt gelegen ist: Schulen, Kindergärten, Heime für Kinder oder Jugendliche, Jugendzentren, Kinderspiel- und Kindersportplätze,

2. das Bordell nicht auf Schiffen, in Wohnwagen, Wohnmobilen, Mobilheimen, Zelten u. ä. betrieben werden soll,

3. im Hinblick auf die Lage zu erwarten ist, dass durch den Betrieb

a) eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Belästigung der Nachbarschaft nicht entsteht oder

b) das örtliche Gemeinschaftsleben oder sonstige öffentliche Interessen (wie Gesundheit, Jugendschutz, Fremdenverkehr) nicht verletzt werden,

4. das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll, es sei denn,

a) dass das Bordell über einen baulich getrennten Zugang zu einer öffentlichen Verkehrsfläche verfügt oder

b) dass sich im Gebäude ausschließlich Unterkünfte (Wohnungen, Zimmer) von Personen befinden, die die Prostitution ausüben, das Bordell betreiben oder als verantwortliche Vertreter namhaft gemacht worden sind,

5. die sanitäre Ausstattung des Bordells den Anforderungen der Hygiene entspricht und

6. die zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude oder Gebäudeteile Sicherheitsvorkehrungen aufweisen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen eines Brandes vorbeugen (§ 13 Abs. 1)."

Die belangte Behörde hat die beantragte Bordellbewilligung deshalb nicht erteilt, weil sie die sachlichen Voraussetzungen gemäß § 7 Z 1 und Z 3 (lit. a und b) Stmk PrG im vorliegenden Fall als nicht erfüllt ansah. Schon das Nichtvorliegen nur einer dieser Anforderungen an den gewählten Standort rechtfertigte die Ablehnung der beantragten Bewilligung.

In den Erläuternden Bemerkungen zum Stmk PrG wird ausgeführt, mit § 7 leg. cit. werde die Absicht verfolgt, durch die Wahl des Standortes für ein Bordell sicherzustellen, dass die Umgebung unzumutbaren Belästigungen nicht ausgesetzt wird. Die Bedeutung des Ausdruckes "in der Nähe" in der Z 1 dieser Bestimmung werde "mit etwa 50 m Entfernung in der Weglinie gleichzusetzen sein". Blickkontakt zwischen Bordell und einer der in Z 1 genannten Einrichtungen dürfe jedoch nicht bestehen.

Die Beschwerdeführerin hält der Ansicht der belangten Behörde, auf der Nachbarliegenschaft befinde sich der "Spielplatz für zwei minderjährige Kinder", entgegen, dieser Spielplatz sei eine "mobile Einrichtung", die erst einen Tag vor der in erster Instanz durchgeführten Verhandlung aufgestellt worden sei. Der "Kinderspielplatz" erfülle nicht die Bestimmungen des Stmk Baugesetzes und der Ö-Norm S 4325.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin zutreffend auf, dass die Entscheidung schon deshalb nicht auf Z 1 des § 7 Stmk PrG gestützt werden konnte, weil ein "Kinderspielplatz" im Sinne dieser Gesetzesstelle in der Nähe des beabsichtigten Bordellstandortes nicht gelegen ist. Die belangte Behörde hat zu Z 1 leg. cit. nämlich (nur) festgestellt, dass sich auf einer etwa 3,60 m breiten begrünten Fläche des Nachbargrundstückes ein "Spielgerät, bestehend aus 2 Schaukeln" befindet. Dabei handelt es sich - was im angefochtenen Bescheid ausdrücklich festgehalten wurde - "nicht um einen Kinderspielplatz nach den Bestimmungen der Stmk. Bauordnung". Inwieweit sich Kinderspielplätze nach dem Stmk BauG (vgl. § 10 Stmk BauG) und nach dem Stmk PrG inhaltlich unterscheiden, hat die belangte Behörde nicht dargelegt. Der im angefochtenen Bescheid nicht begründeten Ansicht, es müsse sich nicht um einen Kinderspielplatz im Sinne des Stmk BauG handeln, ist nicht zu folgen, spricht doch die Einheitlichkeit der Rechtsordnung (hier: des Landesgesetzgebers für die Steiermark) dafür, dem verwendeten Begriff "Kinderspielplatz" im Stmk PrG (in Z 1 des § 7) nicht einen von anderen Rechtsvorschriften desselben Gesetzgebers (etwa in § 10 Stmk BauG oder in § 22 Stmk RaumordnungsG) abweichenden Inhalt beizumessen. Da die Z 1 des § 7 PrG uneingeschränkt auf "Kinderspielplatz" abstellt , müssen - anders als in § 22 Abs. 5 Stmk RaumordnungsG - die Kinderspielplätze nach Z 1 des § 7 Stmk PrG nicht "öffentlich" - also weder im Eigentum der Gemeinde stehen noch allgemein zugänglich - sein. Dass ein am Nachbargrundstück befindliches "Spielgerät" (schon in Ansehung der Fläche) nicht als "Kinderspielplatz" nach den Bestimmungen des Stmk BauG qualifiziert werden kann, ist offenkundig und zutreffend im angefochtenen Bescheid festgestellt worden. Davon ausgehend hätte die belangte Behörde aber zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass kein "Kinderspielplatz" im Sinne der Z 1 des § 7 Stmk PrG in der Nähe des beabsichtigten Standortes gelegen ist.

§ 7 Stmk PrG regelt in Z 3 die Standortwahl bzw. die Anforderungen an den gewählten Standort für ein Bordell unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des örtlichen Gemeinwesens bzw. der Nachbarschaft vor den mit einem Bordellbetrieb im allgemeinen verbundenen Auswirkungen bzw. vor unzumutbaren (über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende) Belästigungen. Besteht auf Grund der in § 7 leg. cit. umschriebenen örtlichen (bzw. auch sachlichen) Verhältnisse Anlass zur Befürchtung, der für das Bordell gewählte Standort könne diese Auswirkungen auf die Nachbarschaft bzw. das örtliche Gemeinwesen zur Folge haben, dann darf für diesen Standort keine Bordellbewilligung erteilt werden.

§ 7 Stmk PrG hat - wie sich erkennbar auch aus den Erläuternden Bemerkungen ergibt - präventiven Charakter. Es ist daher nicht erforderlich, dass mit dem Eintritt nachteiliger Auswirkungen sicher zu rechnen ist. Vielmehr genügt es, dass hiefür die "Wahrscheinlichkeit" spricht (vgl. sinngemäß die zu vergleichbaren Regelungen im Oö Polizeistrafgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. Mai 2001, Zl. 2000/10/0158, und vom 12. November 2001, Zl. 2000/10/010).

Davon ausgehend hätte die belangte Behörde zu Z 3 (lit. a und b) des § 7 Stmk PrG begründen müssen, warum der beabsichtigte Bordellstandort erwarten lasse, dass das örtliche Gemeinschaftsleben oder das ins Treffen geführte öffentliche Interesse des Jugendschutzes verletzt würden.

In dieser Hinsicht ist die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Sie hat im angefochtenen Bescheid zu Z 3 leg. cit. nur ausgeführt, welche Flächenwidmung für den beabsichtigten Bordellstandort und seine Umgebung besteht, welche Personenanzahl (auch bezogen auf ein Alter von unter 14 bzw. unter 15 Jahren) in seinem Umkreis wohnen und wieviele Kinder im Schuljahr 2001/2002 die Volkschule W besuchten. Welche Auswirkungen auf das "örtliche Gemeinschaftsleben" durch den beabsichtigten Bordellstandort zu erwarten sind, wird hingegen nicht dargestellt. Mit der "Lage" des beabsichtigten Bordellbetriebes allein oder mit einem bloßen Vorhandensein einer bestimmten Flächenwidmung oder Anzahl von Bewohnern (Schülern) in der Umgebung kann nicht hinreichend begründet werden, dass und warum im vorliegenden Fall eine Belästigung der Nachbarschaft oder eine Verletzung des örtlichen Gemeinschaftslebens zu erwarten ist, und daher der Versagungsgrund nach Z 3 leg. cit. gegeben sein soll. Insoweit in der Bescheidbegründung ausgeführt wurde, in unmittelbarer Umgebung eines dicht besiedelten Wohngebietes sei der Betrieb eines Bordells "keinesfalls im Interesse der Stadt Graz ist", bleibt eben gerade unbeantwortet, warum zu erwarten ist, dass das "örtliche Gemeinschaftsleben" oder der "Jugendschutz" verletzt würde, und worin die erwarteten Verletzungen bestehen. Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, was im vorliegenden Fall unter dem ihrer Beurteilung zugrunde gelegten "örtlichen Gemeinschaftsleben" zu verstehen ist, sodass nicht nachvollziehbar ist, worauf die durch den Bordellbetrieb erwarteten Verletzungen zu beziehen sind. Konkrete (inhaltlich umschriebene) Verletzungen des Jugendschutzes oder des örtlichen Gemeinschaftslebens werden jedenfalls im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt.

Insoweit zu Z 3 leg. cit. auf eine "Einsichtmöglichkeit bzw. sogar Blickkontakt" durch den öffentlichen Verkehr (nämlich durch Fußgänger, in der W Hauptstraße vorbeifahrende Fahrzeuge und die Buslinie 60) abgestellt wurde, hat die belangte Behörde verkannt, dass ein Blickkontakt (nur) zwischen dem Bordell und einer der in Z 1 genannten Einrichtungen nicht bestehen darf. Der öffentliche Verkehr zählt nicht zu diesen in Z 1 genannten Einrichtungen und konnte daher auf einen derartigen Blickkontakt alleine die Begründung für eine Versagung nach der Z 3 des § 7 Stmk PrG nicht gestützt werden. In diesem Zusammenhang wurde zudem nicht begründet, warum dem nach der Bescheidbegründung angenommenen Fall, eines der Fenster mit Sichtschutzverglasung werde vollkommen geöffnet und ermögliche derart die beanstandete Einsicht, selbst durch eine Vorschreibung von Bedingungen (Auflagen) im Sinne des § 5 Abs. 3 Stmk PrG nicht hätte begegnet werden können.

Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid in Ansehung der Versagung nach Z 3 des § 7 Stmk PrG mit einem Begründungsmangel belastet.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der für den Schriftsatzaufwand festgesetzte Pauschbetrag auch die Umsatzsteuer deckt.

Wien, am 19. Oktober 2005

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