Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem Bezug von Karenzurlaubsgeld und Sonderstandshilfe bezog die Beschwerdeführerin zuletzt seit 11. Oktober 2001 Notstandshilfe.
Am 7. November 2001 wurde der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice eine Stelle als Einzelhandelskauffrau beim A-Kaufhaus in der Nachbargemeinde M. zugewiesen, wobei ein Arbeitsantritt am 14. November 2001 möglich gewesen wäre. Ein Vorstellungsgespräch erfolgte, das Dienstverhältnis kam nicht zu Stande.
Im Rückmeldeformular an das Arbeitsmarktservice bat der Dienstgeber um telefonische Kontaktaufnahme durch das AMS.
Einem Aktenvermerk der regionalen Geschäftsstelle des AMS vom 14. November 2001 zufolge erklärte der Dienstgeber im Zuge des daraufhin erfolgten Telefonats, die Beschwerdeführerin hätte zwar dem Betrieb entsprochen, habe sich jedoch "nicht recht arbeitswillig" gezeigt und sei "eigentlich nur den Stempel für das AMS abholen" gekommen.
Über das Nichtzustandekommen der Beschäftigung wurde am 19. November 2001 eine Niederschrift aufgenommen, in welcher die Beschwerdeführerin angab, weder hinsichtlich der angebotenen Entlohnung, der beruflichen Verwendung, der geforderten Arbeitszeit oder der körperlichen Fähigkeit Einwendungen zu haben. Aber ihre Betreuungspflicht gegenüber ihrem dreijährigen Sohn stünde dieser Beschäftigung entgegen.
Auf Vorhalt der vom potenziellen Dienstgeber abgegebenen Stellungnahme laut - dem oben wiedergegebenen - Aktenvermerk vom 14. November 2001 erklärte die Beschwerdeführerin, es sei ein falscher Eindruck beim Dienstgeber entstanden, sie werde "nochmals zum Dienstgeber gehen und nachfragen".
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 14. November 2001 bis 25. Dezember 2001 verloren habe. In der Begründung wurde nach auszugsweiser Wiedergabe der genannten Gesetzesstellen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Arbeitsaufnahme bei der Fa. A-Kaufhaus in M. vereitelt.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, sie sei der Aufforderung des AMS nachgekommen und habe ein Vorstellungsgespräch mit dem potenziellen Dienstgeber geführt. Ihr Gesprächspartner habe sie lediglich gefragt, ob sie eine Lehrabschlussprüfung als Einzelhandelskauffrau abgelegt hätte und kassieren könne. Daraufhin habe sie von sich aus ihren "beruflichen Verlauf" geschildert. Abschließend habe er erklärt, er werde Rücksprache mit ihrer Betreuerin beim AMS halten. Diese habe sie in der Folge davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr Gesprächspartner den Eindruck gehabt habe, sie wolle nicht arbeiten. Sie habe jedoch alle Anstrengungen unternommen, diese Beschäftigung zu erlangen. Die Vereitelung sei durch die Fa. A-Kaufhaus erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe eindeutig ihre Arbeitswilligkeit gezeigt. Diese sei auch daraus zu ersehen, dass sie bereits eine Einstellungszusage eines anderen Unternehmens erhalten habe. Diese Beschäftigung habe sie aus eigener Anstrengung erlangt, weshalb berücksichtigungswürdige Gründe vorlägen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der potenzielle Dienstgeber habe den Eindruck gehabt, die Beschwerdeführerin sei nur wegen des Stempels für das AMS gekommen. Wie die Beschwerdeführerin selbst zugegeben habe, habe das Vorstellungsgespräch nur kurz gedauert. Die Beschwerdeführerin habe auch nach der Auskunft ihres Gesprächspartners, er werde mit ihrer Betreuerin beim AMS sprechen, nicht versucht, mehr Interesse für die Arbeit zu zeigen, sondern sich mit dieser kurzen Bemerkung zufrieden gegeben. Das AMS habe diesen in dieser Angelegenheit dreimal kontaktiert und dieser habe jedes Mal seine Aussage, wonach sein erster Eindruck gewesen sei, die Beschwerdeführerin habe kein Interesse an der angebotenen Stelle gehabt, bestätigt. Auf seine Frage, was die Beschwerdeführerin "wolle und was sie brauche", habe diese geantwortet "einen Stempel für das AMS ...".
Die Beschwerdeführerin sei gelernte Einzelhandelskauffrau. Die angebotene Arbeitsstelle befinde sich in der Nachbargemeinde. Auf Grund des Betreuungsplanes vom 1. Oktober 2001 sei die Betreuung ihres Kindes geregelt. Es bestünden daher keine Zweifel, dass die angebotene Beschäftigung der Beschwerdeführerin auch zumutbar sei.
Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einstellungszusage könne nicht als Nachsichtsgrund für die Nichtannahme der ihr zugewiesenen Beschäftigung berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt des möglichen Arbeitsantrittes bei der Firma A. sei eine rechtsverbindliche Zusage noch nicht vorgelegen. Eine mögliche Arbeitsaufnahme im Februar 2002 sei kein Grund gewesen, eine Arbeitsaufnahme im November 2001 zu verweigern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose den Anspruch auf Arbeitslosengeld (unter anderem) dann, wenn er die Annahme einer von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt. Auf Grund des § 38 AlVG ist diese Bestimmung auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 2004, 2000/08/0128 und die dort angeführte Judikatur).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. auch dazu etwa das Erkenntnis vom 16. Juni 2004).
Die Frage, wie sich die Beschwerdeführerin bei dem Vorstellungsgespräch verhalten hat, ist für die Beurteilung, ob die Notstandshilfe zu versagen ist, ausschlaggebend. Die Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt hat, erfordert somit präzise Feststellungen über den Verlauf des Vorstellungsgespräches (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, 2002/08/0008).
Zwar traf die belangte Behörde Feststellungen über den Ablauf des Vorstellungsgespräches, legte jedoch nicht dar, weshalb sie den Aussagen des potenziellen Dienstgebers Glauben schenkt und nicht der entgegengesetzten Darstellung der Beschwerdeführerin folgt.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides u. a. die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diese Zusammenfassung wird kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen zwischen den Behauptungen und Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es aber einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 60 AVG, E Nr. 89, 101, 104, 105 und 108).
Wenn sich die belangte Behörde darauf stützt, dass der Dienstgeber dreimal dasselbe gesagt hat, ist dies zwar ein Akt der Beweiswürdigung, aber keiner schlüssigen, weil Feststellungen dazu fehlen, woraus der Dienstgeber seinen "Eindruck" vom Fehlen der Arbeitswilligkeit der Beschwerdeführerin gewonnen haben will. Es kommt nämlich auf das objektive Verhalten der Beschwerdeführerin an, wenn ihr unterstellt werden soll, sie habe vorsätzlich das Scheitern des Vorstellungsgespräches herbeigeführt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Mai 2005
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