VwGH 2000/15/0093

VwGH2000/15/009319.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der E KG in G, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Martin-Luther-Straße 154, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 29. März 2000, GZ. RV-004.97/1-8/97, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1993, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
EStG §10a;
EStG §4 Abs1;
EStG §4 Abs4;
EStG §6;
BAO §21 Abs1;
EStG §10a;
EStG §4 Abs1;
EStG §4 Abs4;
EStG §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende KG (im Folgenden: Beschwerdeführerin) ist ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Am 17. Dezember 1993 schloss sie mit ihrer Komplementärgesellschafterin (in der Folge: Oberstufe), welche zur Stromerzeugung eine Wasserkraftanlage (Höchstleistung 2.200 Kilowatt) betreibt, ein "Stromversorgungsübereinkommen", worin sich die Oberstufe zur Einspeisung ihrer gesamten Stromproduktion in das Hochspannungsnetz der Beschwerdeführerin verpflichtete. Die Beschwerdeführerin ihrerseits verpflichtete sich darin zur Abnahme dieser Energie, zur "Steuerung der Kraftwerks-Erzeugung in der Oberstufe" durch eigenes Personal und auf eigene Kosten sowie zu allfälligen Wartungsarbeiten, Reparaturen und Überprüfungen im Kraftwerksgebäude oder den übrigen Anlagen der Oberstufe, wobei die Kosten dafür die Oberstufe tragen sollte. Die Beschwerdeführerin übernahm auch gegenüber der Aufsichtsbehörde die hochspannungstechnische Verantwortung für die Oberstufe. Sie verpflichtete sich weiters, für jede von der Oberstufe eingespeiste Kilowattstunde einen Preis zu entrichten, der davon abhängen sollte, ob diese im eigenen Netz verbraucht oder in das Netz des landesweit agierenden Stromversorgungsunternehmens S AG eingespeist wurde.

§ 5 lit. d und e sowie § 6 des Übereinkommens lauteten:

"d. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen ergibt sich für (die Beschwerdeführerin) durch diesen Vertrag gegenüber dem ansonsten erforderlichen Strombezug bei der S AG eine laufende jährliche Ertragsverbesserung, die sich aus eingespartem Leistungspreis, zusätzlicher Nutzung des Tagesausgleichsspeichers und eingelieferter Überschussenergie zusammensetzt und eine einmalige Einsparung des ansonsten an die S AG zu entrichtenden Bereitstellungspreises.

(Die Beschwerdeführerin) verpflichtet sich, an die Oberstufe (…) als Gegenleistung für den Abschluss dieses Vertrages einen nicht rückzahlbaren, auf Basis der für 1993 sich ergebenden Zahlen wie folgt zu ermittelnden Beitrag zu leisten:

Leistungspreis

S

1.350,00

pro kW

zusätzliche Speichernutzung zuzüglich Überschusslieferung an S AGergibt Ertragsverbesserung 1993.

S

0,11

pro kWh

Zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage wird die Ertragsverbesserung 1993 für die folgenden zehn Jahre angenommen und ein Barwert zum 01.01.1994 unter Ansatz eines Abzinsungssatzes von 4 % ermittelt. Zur Ermittlung des Bereitstellungspreises werden S 4.000,-- pro kW der 1993 von der S AG bereitgestellten Leistung, wobei die ersten 3.762 kW außer Ansatz bleiben, in die Verrechnungsgrundlage einbezogen.

Der vereinbarte Beitrag (der Beschwerdeführerin) an die Oberstufe (…) für den Abschluss dieses Vertrages beträgt 50 % der Berechnungsgrundlage zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer und ist bis spätestens 30. Juni 1994 zu entrichten. Die Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt durch Umbuchung des Vorsteuerguthabens (der Beschwerdeführerin) auf das Abgabenkonto der Oberstufe (…).

e. Die Oberstufe (…) garantiert, dass durch die Einspeisung des von ihr erzeugten Stromes in das Netz (der Beschwerdeführerin) eine Verminderung des (von der Beschwerdeführerin) an die S AG bezahlenden Leistungspreises von mindestens 1.000 kW eintritt. Sollte diese Verminderung nachweislich - aus welchen Gründen auch immer - nicht eintreten, so verpflichtet sich die Oberstufe (…) die (der Beschwerdeführerin) daraus resultierenden Mehrkosten zu vergüten.

§ 6

Dauer des Übereinkommens

a. Das vorliegende Übereinkommen tritt mit dem heutigen Tage in Kraft und endet mit dem 31. 12. 2004. Danach kann das Abkommen von beiden Seiten mit einjähriger Kündigungsfrist zum darauf folgenden 31. Dezember gekündigt werden.

b. Erfolgt keine Kündigung, verlängert sich das Abkommen um ein Jahr."

In einer nicht datierten "Abrechnung laut Stromlieferungsvertrag vom 17. Dezember 1993" wurden als 50 % der Berechnungsgrundlage (iSd § 5 lit. d des Übereinkommens) S 11,733.000,-- ausgewiesen. Die Beschwerdeführerin stellte in ihre Bilanz 1993 ein "Strombezugsrecht" in Höhe des genannten Betrages ein und machte einen Investitionsfreibetrag in Höhe von 30 % der Anschaffungskosten geltend.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Investitionsfreibetrag die Anerkennung versagt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit der Zahlung von S 11,733.000,-- kein Wirtschaftsgut "Bezugsrecht" erworben, sondern eine Vorauszahlung für die Lieferung von elektrischer Energie geleistet worden sei. Bei Dauerschuldverhältnissen liege der Erwerb eines Rechtes insbesondere dann vor, wenn die Zahlung von der konkreten Dauer des Dauerschuldverhältnisses insoweit losgelöst sei, als es bei vorzeitiger Beendigung des Dauerschuldverhältnisses zu keiner Rückabwicklung der Zahlung komme, sodass der Zahler das typische Wirtschaftsgutrisiko des "Nicht-Mehr-Brauchen-Könnens" trage. Für eine Vorauszahlung spreche, wenn für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Dauerschuldverhältnisses eine Rückabwicklung der noch nicht "verbrauchten" Zahlung vorgesehen sei. An diesen Kriterien gemessen spreche der Inhalt des Stromversorgungsübereinkommens vom 17. Dezember 1993 eindeutig für die Annahme einer Vorauszahlung, wobei auf die von der Oberstufe gemäß § 5 lit. e eingeräumte Leistungspreisgarantie ("aus welchen Gründen auch immer"), welche nach einer Eingabe der Beschwerdeführerin vom 27. Oktober 1999 einen jährlichen Wert in Höhe von rd S 1,4 Mio repräsentiere, verwiesen werde.

Dass im Beschwerdefall ein Strombezugsrecht im EVUrechtlichen Sinn angeschafft worden wäre, werde nicht einmal von der Beschwerdeführerin behauptet.

Die Beschwerdeführerin habe in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Strompreisvorauszahlung in Millionenhöhe geleistet, um während des Vorauszahlungszeitraumes zu einem preislich günstigeren Strombezug zu gelangen. Auch wenn Vorauszahlungen ein "Recht" begründeten, würden sie jedenfalls keine Investition darstellen, weil sie für eine noch nicht erhaltene Leistung gezahlt worden seien. Der Annahme eines Wirtschaftsgutes "Bezugsrecht" stehe auch die offenbar fehlende Möglichkeit einer selbständigen Bewertung desselben entgegen. Der Wert des von der Beschwerdeführerin behaupteten wirtschaftlichen Vorteils aufgrund des Stromversorgungsübereinkommens sei nämlich im Zeitpunkt der Vertragserrichtung keineswegs in einem gesicherten Ausmaß feststellbar, weil beispielsweise auch die Abnahmemengen ständig schwankten.

Die Vorauszahlungen seien bloß eine Form der Finanzierung. Wenn bereits die laufende Strompreiszahlung nicht steuerlich begünstigt sei, dann könne auch die Strompreisvorauszahlung nicht begünstigt sein.

In einem ebenfalls mit der Oberstufe abgeschlossenen Stromversorgungsübereinkommen 1984, das 1993 noch vor seinem Auslaufen durch das vorliegende Übereinkommen abgelöst worden sei, habe sich die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines "festen und nicht rückzahlbaren anteiligen Baukostenbeitrages in Höhe von S 10,000.000,--" zu den der Oberstufe aus der Errichtung der Stromerzeugungs- und Versorgungsanlagen erwachsenden Kosten verpflichtet gehabt. Im nachfolgenden Stromversorgungsübereinkommen 1993 sei die Zahlung eines "nicht rückzahlbaren (....) Betrages" in Höhe von S 11,733.000,-- "als Gegenleistung für den Abschluss dieses Vertrages" vorgesehen worden, wobei dieser Betrag 50 % der erwarteten Kostenersparnis gegenüber dem Strombezug von der S-AG entspreche. Die belangte Behörde habe den Eindruck gewonnen, dass zwei einander nahe stehende Gesellschaften am 17. Dezember 1993 noch "schnell" versucht hätten, durch die vorzeitige Beendigung eines bestehenden und den Abschluss eines neuen Vertrages einen 30 %igen Investitionsfreibetrag zu "konstruieren".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 10 Abs 1 erster Satz EStG 1988 idF BGBl Nr 253/1993 konnte der Steuerpflichtige bei der Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren Anlagegütern einen Investitionsfreibetrag von höchstens 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd geltend machen. Gemäß § 10a erster Satz EStG 1988 idF BGBl Nr 818/1993 erhöht sich der Investitionsfreibetrag für ungebrauchte Wirtschaftsgüter von den nach dem 31. Jänner 1993 und vor dem 1. April 1994 anfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten von 20 % auf 30 %.

Die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages setzt somit die Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens voraus. Strittig ist im Beschwerdefall, ob auf das mit dem Stromversorgungsübereinkommen 1994 eingeräumte Bezugsrecht Anschaffungskosten entfallen.

Wirtschaftsgüter sind alle im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbstständig bewertbaren Güter jeder Art, nicht bloß Sachen (körperliche Gegenstände), sondern auch rechtliche und tatsächliche Zustände, also solche Güter, bei denen eine wirtschaftliche Ausnutzung möglich ist. Der Begriff des Wirtschaftsgutes umfasst in den tatsächlichen Zuständen damit auch konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Ob ein Wirtschaftsgut vorliegt, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach zivilrechtlichen Merkmalen zu beurteilen (vgl das hg Erkenntnis vom 11. März 1992, 90/13/0230, mwN). So ist die zivilrechtliche Selbstständigkeit des Gutes nicht entscheidend für die Wirtschaftsguteigenschaft; allerdings wird ihr Indizwirkung zukommen. Entscheidend ist die wirtschaftlich zu beurteilende Selbstständigkeit (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Tz 11 zu § 4 Abs 1).

Auch unkörperliche Güter wie Rechte (zB Miet- oder Bezugsrechte) können unter den Begriff des Wirtschaftsgutes fallen. Voraussetzung für die Wirtschaftsguteigenschaft ist auch bei immateriellen Wirtschaftsgütern stets, dass sie in irgendeiner Form eigenständig in Erscheinung treten, also nach der Verkehrsauffassung selbstständig bewertbare Güter sind (vgl. das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 21. Jänner 1986, 84/14/0129, mwN).

Ob eine Zahlung eine Vorauszahlung für den (späteren) Bezug einer Leistung oder Anschaffungskosten für den Erwerb des Wirtschaftsgutes Bezugsrecht darstellt, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. das im Zusammenhang mit Mietrechten ergangene hg. Erkenntnis vom 15. April 1998, 98/14/0043, mwN). Vorauszahlungen lägen vor, wenn die Zahlungen den Barwert (eines Teiles des) angenommenen Strompreises für den vereinbarten Zeitraum darstellen, wenn sie also das Entgelt für die künftige laufende Stromlieferung darstellen und diesen zugeordnet werden können (vgl. wieder das hg. Erkenntnis 98/14/0043).

Dem angefochtenen Bescheid sind Tatsachenfeststellungen im Sinne der oben dargestellten Rechtsausführungen in entscheidungsrelevanten Bereichen nicht zu entnehmen. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erschöpft sich im Wesentlichen in einer Wiedergabe des Übereinkommens vom 17. Dezember 1993, dessen Beilage (Berechnung der Sonderzahlung) und des Verfahrensganges. Feststellungen, welche eine Beurteilung der Sonderzahlung nach den oben dargelegten Kriterien (insbesondere eine konkrete Zuordnung der Zahlung zu den Stromlieferungen der Oberstufe) erlauben würden, fehlen.

Der angefochtene Bescheid zieht den Schluss, dass die Regelungen des Übereinkommens "eindeutig" für die Annahme sprechen würden, wonach mit der Zahlung von S 11,733.000,-- kein Wirtschaftsgut erworben, sondern eine Vorauszahlung des Gesamtentgelts geleistet worden sei. Die belangte Behörde unterlässt es aber darzulegen, aus welchen Erwägungen sie zu diesem Schluss gelangt ist. Auch aus dem nicht näher ausgeführten Hinweis auf die "Leistungspreisersparnis-Garantie" (§ 5 lit. e des Übereinkommens) ergibt sich noch keine Begründung, die einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich wäre.

Auf Grund dieses Begründungsmangels belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Mai 2005

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