VwGH 2004/12/0016

VwGH2004/12/001610.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Mag. P in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. November 2003, Zl. 1005/3-CS5/03, betreffend Karenzurlaub nach § 75 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §56;
BDG 1979 §39a;
BDG 1979 §54 Abs1;
BDG 1979 §54;
BDG 1979 §75 Abs1 idF 1997/I/061;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §13 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §56;
BDG 1979 §39a;
BDG 1979 §54 Abs1;
BDG 1979 §54;
BDG 1979 §75 Abs1 idF 1997/I/061;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge

Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren an Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revident in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist - nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften - rechtskundig im Sinn des § 24 Abs. 2 VwGG. Seine Dienststelle ist das Büro für Funkanlagen und Telekommunikationseinrichtungen (in der Folge kurz: BFTK).

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit einer Eingabe vom 8. August 2003 "um Entsendung zu Aus- und Fortbildungszwecken gemäß § 39a BDG 1979 in der Zeit vom 01.10.2003 bis 30.06.2004" ersuchte; die beantragte Entsendung solle der Absolvierung der Gerichtspraxis dienen.

Weiters ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 25. September 2003 eine Eingabe, betreffend "Änderung des Antrages auf Karenzurlaub" einbrachte, in der er sein "Ansuchen vom 08.08.2003 um Gewährung eines Karenzurlaubes gemäß § 75 BDG 1979" änderte. Der Antrag richte sich nun auf Gewährung eines Karenzurlaubes in der Zeit vom 31. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004. Der Beschwerdeführer begründete die Änderung seines Begehrens u.a. mit der Unwahrscheinlichkeit der rechtzeitigen Erledigung seines Ansuchens vor dem ursprünglich beantragten Beginn der Karenz (1. Oktober 2003).

Schließlich ist unbestritten, dass am 4. Dezember 2003 bei der belangten Behörde eine an sie gerichtete "e-mail" einlangte, wonach der Beschwerdeführer "vorab die Änderung des Entsendungsantrages" übermittle. Das dieser E-Mail angeschlossene, an die belangte Behörde adressierte Schreiben enthält eine Änderung seines Ansuchens vom 8. August d.J. um Entsendung auf den Zeitraum vom "01.12.2004 bis 30.06.2004" und bezüglich seines "Antrages auf Karenzierung" die Klarstellung, dass dieser Antrag nur unter der Bedingung gestellt worden sei, dass die Entsendung zu Aus- und Fortbildungszwecken abgelehnt werde. Diese auch in Schriftform im Dienstweg eingebrachte, an die belangte Behörde gerichtete Eingabe vom 4. Dezember 2003 langte schließlich am 23. Dezember d.J. bei der belangten Behörde ein.

Mit dem angefochtenen, mit 17. November 2003 datierten, dem Beschwerdeführer am 15. Dezember d.J. ausgehändigten Bescheid sprach die belangte Behörde wie folgt ab:

"Über Ihren Antrag vom 25. September 2003 wird Ihnen gemäß § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, für die Zeit vom 31. Dezember 2003 bis einschließlich 31. Dezember 2004 ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt.

Die Zeit dieses Karenzurlaubes ist gemäß § 75a Abs. 1 leg. cit. für Rechte, die von der Dauer Ihres Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen."

Neben der Rechtsmittelbelehrung und einem Hinweis nach § 61a AVG enthielt dieser Bescheid nur mehr die "Anmerkung", wonach der Beschwerdeführer auf die bestehende Möglichkeit einer Antragstellung zur Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte gemäß § 75a Abs. 2 und 3 BDG 1979 iVm § 22e des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes hingewiesen werde. Ein solcher Antrag sei bei sonstiger Unwirksamkeit spätestens ein Jahr nach Beendigung des Karenzurlaubes zu stellen. Der Beschwerdeführer werde jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass er für den Fall der Anrechnung des Karenzurlaubes gemäß § 22 des Gehaltsgesetzes 1956 Pensionsbeiträge zu entrichten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben einer Entscheidung in einer Angelegenheit, für die die Behörde nicht zuständig sei, in seinem Recht auf Erhalt von Bezügen auf Grund seines Dienstverhältnisses und in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt. Begründend führt er zusammengefasst aus, er habe am 8. August 2003 in einer weiteren - ebenfalls im Dienstweg bei seiner Dienststelle, dem BFTK eingebrachten - Eingabe auch um Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 BDG 1979 für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 31. März 2004 ersucht, um in dieser Zeit die Gerichtspraxis zu absolvieren. Mit Schreiben vom 25. September 2003 habe er den Antrag auf Karenzurlaub geändert und um Karenzierung für ein Jahr beginnend mit 31. Dezember 2003 ersucht. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2003 habe er bezüglich des Antrages auf Karenzierung klargestellt, dass dieser als Eventualantrag gelte und nur unter der Bedingung gestellt worden sei, dass die beantragte Entsendung abgelehnt werde. Die belangte Behörde habe nunmehr über den Antrag auf Karenzierung ohne Berücksichtigung des Primärantrages auf Entsendung entschieden.

Die belangte Behörde hält dem Beschwerdevorbringen in ihrer Gegenschrift entgegen, ein Schreiben vom 8. August 2003, in dem der Beschwerdeführer die Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 BDG 1979 begehrt habe, sei bei der belangten Behörde nie eingelangt. Zur behaupteten Unzuständigkeit sei festzustellen, dass Grundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Genehmigung des Karenzurlaubes der am 24. Oktober 2003 im Dienstweg eingegangene Antrag des Beschwerdeführers vom 25. September d.J. gewesen sei. Der Bescheid sei am 17. November d.J. genehmigt und am 15. Dezember d.J. vom Dienststellenleiter an den Beschwerdeführer ausgefolgt worden. Die am 4. Dezember 2003 eingelangte E-Mail und das angeschlossene Schreiben seien auf Grund der darin enthaltenen Formulierung "vorab" nur als Vorausinformation und nicht als Antrag gewertet worden, zumal auch keine Einbringung auf dem Dienstweg im Sinn des § 54 BDG 1979 erfolgt sei. Das Schreiben sei im Original auf dem Dienstweg am 23. Dezember 2003 bei der belangten Behörde eingelangt. Daraus ergebe sich, dass der Genehmigung des Karenzurlaubes ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers, nämlich jener vom 25. September 2003, zu Grunde gelegen habe und die behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht gegeben sei. Im Lichte dieser Ausführungen sei das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Abänderung seines Antrages und über das Eventualbegehren unwesentlich.

Die belangte Behörde hält der Behauptung ihrer Unzuständigkeit somit im Kern entgegen, dass im Zeitpunkt der "Genehmigung" des angefochtenen Bescheides das Begehren auf Karenzurlaub noch nicht als Eventualbegehren zurückgereiht worden sei.

Nach § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, kann dem Beamten auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegen stehen.

Die Erlassung eines antragsgebundenen Bescheides ohne Vorliegen eines Antrages belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (vgl. etwa die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 584 im ersten Leitsatz wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Ob die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war, ist nach den Vorschriften im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beurteilen (vgl. wiederum etwa die in Dolp, aaO, auf Seite 583, im ersten Leitsatz referierte hg. Rechtsprechung sowie Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, Rz. 82 mwN).

Ein Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2002, Zl. 2001/12/0041, mwN).

Eine Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über das Begehren auf Karenzurlaub war daher nur dann gegeben, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der dahingehende Antrag noch nicht als Eventualantrag hinter jenen auf Entsendung nach § 39a BDG 1979 zurückgetreten wäre.

Die belangte Behörde zieht nun nicht in Zweifel, dass die Eingabe vom 4. Dezember 2003, die ihr einerseits "vorab" im Wege der automationsunterstützten Datenübertragung übermittelt worden, andererseits an diesem Tag im Dienstweg eingebracht worden war und schließlich - nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - bei ihr eingelangte, den Antrag auf Gewährung von Karenzurlaub nach § 75 BDG 1979 als Eventualbegehren hinter jenes auf Entsendung reihte; es bleibt daher die Frage zu beantworten, ob diese Reihung gegenüber der belangte Behörde bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des (antragsgebundenen) Bescheides erfolgt war.

Gemäß dem im Dienstrechtsverfahren nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren § 13 Abs. 1 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf telegrafisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte Anbringen, die sich auf sein Dienstverhältnis oder auf seine dienstlichen Aufgaben beziehen, bei seinem unmittelbaren Dienstvorgesetzten einzubringen. Dieser hat das Anbringen unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf von der Einbringung im Dienstweg bei Gefahr im Verzug sowie dann abgesehen werden, wenn die Einhaltung des Dienstweges dem Beamten billigerweise nicht zumutbar ist. Abs. 3 dieser Bestimmung, angefügt durch die 2. BDG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 362, sieht Ausnahmen von der Einhaltung des Dienstweges für Fälle vor, die im Beschwerdefall nicht in Betracht kommen.

Die belangte Behörde zieht die Zulässigkeit eines Anbringens im Wege der automationsunterstützten Datenübertragung im Dienstrechtsverfahren nicht in Zweifel, sie wendet diesbezüglich jedoch ein, sie habe das der elektronischen Sendung angeschlossene Schreiben nur als "Vorausinformation" und nicht als Antrag gewertet, zumal noch keine Einbringung auf dem Dienstweg erfolgt sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0169 (mwN), dargelegt hat, stellt § 54 BDG 1979 eine Ordnungsvorschrift dar, die die Einhaltung des Dienstweges zum Gegenstand - und solcherart die Vermeidung der Umgehung des unmittelbaren Vorgesetzten zum Ziele - hat. Sie dient der Erhaltung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beamten und seinem Dienstvorgesetzten und dessen notwendigen Information.

Stellt nun das Gebot der Einhaltung des Dienstweges nach § 54 Abs. 1 BDG 1979 eine bloße Ordnungsvorschrift dar, so kann die belangte Behörde dem Beschwerdeführer schon von daher nicht entgegen halten, dass die - unter allfälliger Missachtung dieser Ordnungsvorschrift - im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung direkt eingebrachte und bei ihr eingelangte Eingabe eben nicht eingebracht worden sei. Schließlich durfte die belangte Behörde diese Eingabe gerade im Vertrauen auf die Einhaltung des Dienstweges durch den Beschwerdeführer - durch Vorlage des Antrages auch im Wege seines unmittelbaren Dienstvorgesetzten - auch nicht nur als bloße "Vorausinformation" deuten, sondern als Anbringen, das sowohl im Dienstweg als auch automationsunterstützt direkt seinen Weg zur Dienstbehörde finden sollte. Beschwerdefallbezogen folgt daraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 15. Dezember 2003 der Antrag auf Gewährung von Karenzurlaub nach § 75 Abs. 1 BDG 1979 "nur mehr" als Eventualbegehren hinter den Antrag auf Entsendung gereiht war, sodass die belangte Behörde - ohne vorher den Primärantrag auf Entsendung zu versagen - nicht zuständig war, über das Eventualbegehren auf Karenzurlaub abzusprechen.

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Kosten gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG, die Abweisung des Mehrbegehrens an Schriftsatzaufwand auf § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG, nachdem der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 10. September 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte