VwGH 2004/08/0033

VwGH2004/08/003317.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Mag. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den auf Grund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 28. Jänner 2004, Zl. LGS600/SfA/1218/2004- Mag. GR/Kö, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4 Abs1;
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §6;
VwGG §26a Abs3 Z1;
VwGG §26a;
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4 Abs1;
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §6;
VwGG §26a Abs3 Z1;
VwGG §26a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, bei Beurteilung der Notlage des Beschwerdeführers sei das Einkommen seiner Ehefrau gemäß § 6 Notstandshilfeverordnung zu berücksichtigen. Bei gesetzeskonformer Berechnung übersteige der tägliche Anrechnungsbetrag das Ausmaß der dem Beschwerdeführer gebührenden täglichen Notstandshilfe. Notlage im Sinne des Gesetzes liege daher nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer das Einkommen seiner Ehefrau und die rechnerische Richtigkeit der Berechnung seines Anspruches gemäß § 6 Notstandshilfeverordnung nicht in Abrede. Er wendet sich gegen die Anrechnung des Einkommens seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau, weil diese Anrechnung dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, widerspreche. Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer den Umstand, dass die belangte Behörde trotz der im BGBl. II Nr. 15 und 16/2003 kundgemachten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren nicht unterbrochen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In dem am 21. Jänner 2003 ausgegebenen Bundesgesetzblatt Teil II, Nr. 15/2003, wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes in dem zur Zl. 2002/08/0202 anhängigen Verfahren gemäß § 26a VwGG wie folgt kundgemacht:

"1. Es besteht Grund zur Annahme, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Beschwerden eingebracht werden wird, in denen die Rechtsfrage zu lösen ist, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine verdeckte Diskriminierung der Frauen erblickt werden kann.

2. Zur Beantwortung der in Z. 1 genannten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtsvorschriften anzuwenden:

§ 33 und § 36 i.V.m. § 39 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, i. d.F. BGBl. I Nr. 142/2000; § 2 und § 6 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, i.d.F. BGBl. Nr. 240/1996; Art. 2 bis 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vom 19. Dezember 1978 (Gleichbehandlungsrichtlinie), ABl. Nr. L 006 vom 10. Jänner 1979,

S 24.

..."

Die Wirkungen dieser Kundmachung werden im § 26a Abs. 3 und 4 VwGG wie folgt umschrieben:

"(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1

1. dürfen in allen Rechtssachen, in denen eine zur Entscheidung in oberster Instanz berufene Verwaltungsbehörde die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat, nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können und die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten; ...

(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verwaltungsgerichtshof die Antwort auf die zu lösenden Rechtsfragen in einem Rechtssatz zusammen, der nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen ist. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Rechtssatzes enden die Wirkungen des Abs. 3 Z. 1 und 3 und beginnt die gemäß Abs. 3 Z. 2 gehemmte oder unterbrochene Beschwerdefrist zu laufen."

Der Zweck der Bestimmung des § 26a und insbesondere die mit dem kundzumachenden Beschluss verbundenen Wirkungen bestehen darin, so genannte Massenverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verhindern. Dies soll u.a. durch die Wirkung, dass letztinstanzliche Verwaltungsverfahren, in denen die dort genannten Normen anzuwenden sind, unterbrochen werden (Bericht des Verfassungsausschusses, 1258 Blg, NR. XXI. GP, 1). Durch diese grundsätzlich angeordnete Unterbrechung war die belangte Behörde nur berechtigt und verpflichtet, solche Handlungen vorzunehmen oder Entscheidungen und Verfügungen zu treffen, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können und die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten (§ 26a Abs. 3 Z. 1). Die Nichtbeachtung dieser Wirkung der Unterbrechung des Verfahrens begründet eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, 2003/17/0124).

Aus dem Wortlaut des genannten Beschlusses ergibt sich, dass er sich lediglich auf die Rechtsfrage bezieht, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes bei Beurteilung der Notlage der Ehefrau dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine mittelbare Diskriminierung der betroffenen Frauen erblickt werden kann. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob sich - gegebenenfalls -

auch Männer auf eine allfällige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Einkommensanrechnung berufen können, war somit nicht Gegenstand einer Rechtsfrage, bis zu deren Beantwortung durch den Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde auf Grund des § 26a Abs. 3 Z. 1 VwGG bestimmte Entscheidungen nicht treffen durfte.

In der Sache ist strittig, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens der Ehefrau bei Beurteilung der Notlage des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehemannes im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe der Gleichbehandlungsrichtlinie (Art. 2 bis 4 der RL 79/77/EWG) widerspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom 14. Jänner 2004, 2002/08/0038 (Lebensgefährte) und 2002/08/0202 (Ehepartner) aus den in deren Begründung dargelegten Erwägungen die Auffassung vertreten, dass die in § 36 AlVG i.V.m. § 6 der Notstandshilfeverordnung angeordnete Berücksichtigung des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt mit einer arbeitslosen Person lebenden Ehepartners (bzw. Lebensgefährten) bei Beurteilung der Notlage auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass dadurch wesentlich mehr Frauen als Männer Einbußen in ihren Ansprüchen auf Notstandshilfe erleiden bzw. dieses Anspruches zur Gänze verlustig gehen, nicht dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der in Rede stehenden Richtlinie widerspricht. Auf die nähere Begründung dieser Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Wenn daher die belangte Behörde das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebenden Ehefrau bei Beurteilung seiner Notlage berücksichtigt hat, kann dies ebenfalls nicht als diskriminierend im Sinne der genannten Gleichbehandlungsrichtlinie beurteilt werden.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. März 2004

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