Normen
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §50 Abs3 Z2;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §50 Abs3 Z2;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wiener Neustadt hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. .742, Wiener Straße 31, inneliegend der Liegenschaft EZ. 116 Grundbuch 23443 Wiener Neustadt. Dieses Grundstück grenzt im Osten an die öffentliche Verkehrsfläche Wiener Straße und ist dort bis an die Grundgrenze verbaut. Das bestehende Gebäude erstreckt sich an der nördlichen Grundgrenze bis zu einer Länge von über 20 m Richtung Westen. Im Norden grenzt an dieses Grundstück das dem Beschwerdeführer gehörige Grundstück Nr. .741, Wiener Straße 33, inneliegend der Liegenschaft EZ. 5658 Grundbuch 23443 Wiener Neustadt. Die von Osten (Wiener Straße) nach Westen verlaufende gemeinsame Grundgrenze dieser Grundstücke ist rd. 30 m lang. Danach verläuft die gemeinsame Grundgrenze über eine Länge von über 8 m von Süden nach Norden. Das Grundstück der mitbeteiligten Partei verbreitert sich demnach in diesem Bereich in einem nahezu rechten Winkel Richtung Norden um ca. 8 m und verläuft sodann Richtung Westen, wo es an das ebenfalls der mitbeteiligten Partei gehörige Grundstück Nr. .739, Wiener Straße 35, der Liegenschaft EZ. 114 Grundbuch 23443 Wiener Neustadt unmittelbar angrenzt. (Das Grundstück Nr. .741 des Beschwerdeführers ist somit ab der Verkehrsfläche Wiener Straße von den beiden Grundstücken Nr. .739 und .742 der mitbeteiligten Partei umschlossen).
Die beschriebenen Grundstücke liegen im Bauland-Kerngebiet mit ungeregeltem Baulandbereich.
Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Eingabe vom 12. Dezember 2002 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Bürogebäudes mit Terrasse im Erdgeschoss und Obergeschoss, einer Gartenmauer und von 5 PKW-Abstellplätzen auf ihrem Grundstück Nr. .742. Plangemäß soll die rd. 5 m breite Terrasse im Anschluss an das bestehende Gebäude in einer Länge von über 13 m an der nördlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers, getrennt durch die geplante über 8 m lange Gartenmauer, errichtet werden. Das Bürogebäude soll an der von Süden nach Norden verlaufenden Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers in einer Länge von 8,30 m errichtet werden. Plangemäß ist es an dieser Front mit einem Giebel mit einer 27 Gradneigung ausgestattet und soll insgesamt 9,70 m, bei einer Giebelhöhe von ca. 2,50 m, hoch sein.
Der Beschwerdeführer wendete gegen das Bauvorhaben ein, durch die Errichtung eines Bürogebäudes und eines Arkadenganges direkt an der Grenze zu seinem Grundstück werde der Lichteinfall auf die Hauptfenster seines Gebäudes verhindert und der im Gesetz vorgesehene Lichteinfall von 45 Grad nicht mehr gewährleistet.
Die Baubehörde erster Instanz erteilte der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 7. Juli 2003 die beantragte Baubewilligung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Vergleichsbereich bestehe nahezu ausschließlich geschlossene Bauweise. Dies gelte auch für das Gebäude des Beschwerdeführers. In dem von der Baubehörde erster Instanz eingeholten Gutachten des technischen Amtssachverständigen vom 13. Jänner 2003 sei das Vorliegen einer geschlossenen Bebauungsweise festgestellt worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer nichts vorgebracht. Auf Grund der vorherrschenden geschlossenen Bauweise im relevanten Bereich - die Gebäude seien von seitlicher zu seitlicher Grundstücksgrenze zu bauen - komme grundsätzlich nur an den Grundstücksgrenzen, an welche nicht anzubauen sei, die Einhaltung eines Abstandes (ein Bauwich) in Betracht, d. h. im konkreten Fall nur an der hinteren Grundgrenze. Zum Grundstück des Beschwerdeführers sei kein Abstand einzuhalten, weil die geschlossene Bebauungsweise grundsätzlich von der Straßenfluchtlinie bis zum hinteren Bauwich gelte. Die Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles direkt an der Grenze zum Grundstück des Beschwerdeführers sei "somit möglich bzw. aus Ortsbildgründen sowie aus § 54 NÖ Bauordnung geboten". Der Einwand des Beschwerdeführers könne daher nur auf das zweite Kriterium des § 54 NÖ Bauordnung (Gewährleistung des Lichteinfalls unter 45 Grad) abzielen. Bei Prüfung dieser Frage könnten grundsätzlich nur bewilligte oder unter Berücksichtigung der geltenden baurechtlichen Bestimmungen zulässige Bauwerke bzw. Bauvorhaben berücksichtigt werden. Auf dem Grundstück des Beschwerdeführers befänden sich ein in geschlossener Bauweise errichtetes Gebäude, welches aus einem straßenseitigen Trakt bestehe, der an beide seitliche Grundstücksgrenze angebaut sei, sowie ein Hoftrakt, der an die rechte seitliche Grundstücksgrenze angebaut sei, gegenüber der linken seitlichen Grenze (d. i. das zu bebauende Grundstück Nr. .742 der Beschwerdeführerin) hingegen einen Abstand von ca. 3 m einhalte. Dieser Hoftrakt weise Fenster auf, die der Liegenschaft des Beschwerdeführers zugewandt seien. Für diese Fenster liege keine Baubewilligung vor. Für das Hauptgebäude sei zwar vor dem Jahre 1920 eine Baubewilligung erteilt worden. Für die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung des Hoftraktes und den Einbau von Hauptfenstern fehle jedoch jeder Hinweis. Im Jahre 1964 sei der Anschluss des Grundstückes Wiener Straße 33 an den städtischen Abwasserkanal angeordnet worden. Aus den vorhandenen Bauakten gehe hervor, dass damals im Hofbereich an der linken Grundgrenze ein zweites Gebäude bestanden habe, das jedoch zwischenzeitlich entfernt worden sei. Auf Grund der Situierung dieses Gebäudes und der baulichen Trennung vom Hauptgebäude sei es unwahrscheinlich, dass Aufenthaltsräume und die Fenster schon damals bestanden bzw. die Funktion von Hauptfenstern gehabt hätten, da durch den Abstand zum rechten Gebäudeteil von ca. 1,60 m deren Belichtung voraussichtlich nicht ausreichend gewesen wäre. Die heutigen Gegebenheiten (Bestand seitlicher Hauptfenster im Hoftrakt) gingen somit auf bauliche Änderungen, die nach 1966 vorgenommen worden seien, zurück. Der Bestand der Bauakten aus dieser Zeit sei vollständig vorhanden. Aus dem Umstand, dass dieser keine entsprechende Baubewilligung enthalte, sei somit davon auszugehen, dass der heutige Zustand konsenslos sei. Die vom Beschwerdeführer behauptete Vermutung der "Konsensgemäßheit" dieses Hoftraktes bestehe nicht. Es sei immer in erster Linie Sache des jeweiligen Bauwerbers bzw. Grundeigentümers gewesen, für die ausreichende Belichtung der Hauptfenster seines Gebäudes Vorsorge zu treffen. Dies bedeute im Beschwerdefall, dass bei der Anordnung seitlicher Hauptfenster darauf Rücksicht zu nehmen sei, dass der Lichteinfall künftig durch Nachbargebäude, die an die Grundstücksgrenze angebaut werden, beeinträchtigt werden könne. Derartige Fenster müssten daher im erforderlichen Ausmaß von der Grundstücksgrenze abgerückt werden. Da seitens der Behörde die Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf zulässige Hauptfenster zu prüfen sei, liege durch das bewilligte Bauvorhaben keine Verletzung der Bestimmung des § 54 NÖ Bauordnung vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstückes, das an das Baugrundstück der mitbeteiligten Bauwerberin angrenzt. Er ist demnach Nachbar im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) und hatte im beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahren Parteistellung. Er erachtet sich in seinem durch § 6 Abs. 1 Z. 3 BO gewährleisteten subjektiven Recht auf ausreichende Belichtung der Hauptfenster seines Gebäudes durch das bewilligte Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei verletzt.
Für das zu bebauende Grundstück der mitbeteiligten Bauwerberin gilt kein Bebauungsplan. Ob das vom Beschwerdeführer geltend gemachte subjektiv-öffentliche Recht durch die hier zu beurteilende Baubewilligung verletzt wurde, ist daher an Hand der Regelung des § 54 BO zu beurteilen. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
"§ 54
Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich
Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk
- in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder
- den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.
Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."
Die belangte Behörde vertritt die Rechtsauffassung, dass der Beschwerdeführer schon deshalb nicht in dem von ihm behaupteten Recht verletzt sein kann, weil das auf seinem Grundstück errichtete Gebäude, dessen ausreichende Belichtung der Hauptfenster vom bewilligten Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei beeinträchtigt werden könne, nicht konsentiert sei und auch kein Konsens hiefür vermutet werden könne.
Der im § 54 BO zweiter Fall verwendete Begriff "zulässige Gebäude" (und nicht etwa: "zugelassene Gebäude") bezieht sich jedoch nicht nur auf die Hauptfenster bestehender (bewilligter oder als konsensgemäß zu beurteilender) Gebäude auf den Nachbargrundstücken, sondern auch auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude. Die belangte Behörde hätte daher im Beschwerdefall prüfen müssen, ob das bewilligte Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad zukünftiger bewilligungsfähiger Neu- und Zubauten auf dem Nachbargrundstück des Beschwerdeführers beeinträchtigen würde (siehe hiezu § 6 Abs. 2 Z. 3 BO und Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht,
6. Auflage, Anm. 6 zu § 54 BO, Seite 540, und Anm. 15 zu § 50 Abs. 3 Z. 2 BO, Seite 517, sowie das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0743). Da die belangte Behörde - ausgehend von der von ihr vertretenen Rechtsauffassung - diese Prüfung unterlassen hat, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Gegen die Annahme der belangten Behörde, für den auf dem Grundstück des Beschwerdeführers hinter dem an der Wiener Straße errichteten Gebäudeteil befindlichen "Hoftrakt" bestehe keine Vermutung der Rechtmäßigkeit, hegt der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der ihm vorliegenden Verwaltungsakten unter dem Gesichtspunkt seiner ständigen Rechtsprechung zum "vermuteten Konsens" keine Bedenken (vgl. die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, E 5 ff zu § 35 BO, insbes. E 6).
Da das Grundstück des Beschwerdeführers offenbar auch im ungeregelten Baulandbereich liegt, werden bei der Beurteilung der bewilligungsfähigen Gebäude auf diesem Grundstück auch die Anordnungen des § 54 BO zu berücksichtigen sein.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den beanspruchten, jedoch bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthaltenen Betrag für Umsatzsteuer.
Wien, am 14. Dezember 2004
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