VwGH 2003/07/0125

VwGH2003/07/012522.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, in der Beschwerdesache des Österreichischen Zuchtverbandes für Ponys, Kleinpferde und Spezialrassen in B, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. August 2003, Zl. IIIa2-5047/8, betreffend Anerkennungsverfahren nach dem Tiroler Tierzuchtgesetz (mitbeteiligte Partei: Verband der Züchter des Huzulenpferdes in Österreich, in I), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
TierzuchtG Slbg 1995 §8 Abs1;
TierzuchtG Slbg 1995 §8 Abs4;
TierzuchtG Tir 1995 §22 Abs1 litb;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
TierzuchtG Slbg 1995 §8 Abs1;
TierzuchtG Slbg 1995 §8 Abs4;
TierzuchtG Tir 1995 §22 Abs1 litb;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei wurde mit Bescheid der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Tirol (Landwirtschaftskammer Tirol) vom 21. Juni 1996 als Zuchtorganisation nach § 22 des Gesetzes vom 18. Mai 1995 über die Zucht landwirtschaftlicher Tiere, LGBl. Nr. 61/1995 (Tiroler Tierzuchtgesetz 1995 - in weiterer Folge: Tir. TierzuchtG 1995), anerkannt.

Mit Bescheid der Landwirtschaftskammer Tirol vom 15. Mai 2001 wurde auch die mitbeteiligte Partei gemäß § 22 Tir. TierzuchtG 1995 als Zuchtorganisation im Bundesland Tirol anerkannt. Diesem Verfahren war die beschwerdeführende Partei nicht beigezogen.

Die beschwerdeführende Partei beantragte die Zustellung des Bescheides über die Anerkennung der mitbeteiligten Partei als Zuchtorganisation vom 15. Mai 2001 und erhob nach der am 18. Juni 2003 erfolgten Zustellung dieses Bescheides Berufung.

In der Berufung machte sie zusammengefasst geltend, dass sie als anerkannte Tierzuchtorganisation im selben Zuchtbereich (Huzulen-Pferde) tätig und als Partei im Anerkennungsverfahren der Mitbeteiligten übergangen worden sei. Diese Parteistellung erfließe aus dem Gemeinschaftsrecht - die Richtlinie 90/427/EWG und die Entscheidungen der Kommission 92/353/EWG und 92/354/EWG werden genannt -, aus § 22 Abs. 1 lit. b Tir. TierzuchtG 1995 bzw. aus § 8 AVG. Nach § 22 Abs. 1 lit. b Tir. TierzuchtG 1995 habe die Landwirtschaftskammer u.a. die Anerkennung zu verweigern, wenn das Zuchtprogramm einer anerkannten Zuchtorganisation gefährdet würde. Voraussetzung für die Anerkennung einer Zuchtorganisation sei somit die Nichtgefährdung einer anerkannten Zuchtorganisation. Die Schutzbestimmung verpflichte die Behörde im Interesse bestehender Zuchtorganisationen, "gefährdende" Anerkennungen zu verweigern. Die Beschwerdeführerin werde auf Grund der Gefährdung ihres Zuchtprogramms in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt. Die Anerkennung der mitbeteiligten Partei sei daher rechtswidrig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung spruchgemäß "keine Folge". Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der beschwerdeführenden Partei im vorliegenden Verfahren nach § 22 Tir. TierzuchtG 1995 keine Parteistellung zukäme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 22 Abs. 1 Tir. TierzuchtG 1995 sind Zuchtorganisationen von der Landwirtschaftskammer anzuerkennen, wenn sie eine Reihe näher bezeichneter Voraussetzungen aufweisen.

Nach § 22 Abs. 1 lit. b leg. cit. hat die Landwirtschaftskammer die Anerkennung zu verweigern, wenn u.a. die Erhaltung einer Rasse oder das Zuchtprogramm einer anerkannten Zuchtorganisation gefährdet wird.

Ausdrückliche Bestimmungen darüber, wer im Verfahren zur Anerkennung als Zuchtorganisation Parteistellung hat, enthält das Tir. TierzuchtG 1995 nicht.

Der beschwerdeführenden Partei wurde im Anerkennungsverfahren bezüglich der mitbeteiligten Partei von der Behörde erster Instanz nicht die Stellung einer Partei eingeräumt. Auch im angefochtenen Bescheid wurde eine Parteistellung der Beschwerdeführerin im Anerkennungsverfahren verneint.

Vor diesem Hintergrund ist der Spruch des angefochtenen Bescheides, mit dem der Berufung "keine Folge gegeben" wurde, als Zurückweisung der Berufung mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin zu verstehen, zielt doch auch die Begründung des angefochtenen Bescheides - insofern sie sich mit dem Vorliegen eines Versagungsgrundes im Anerkennungsverfahrens beschäftigt - vordringlich auf die Beantwortung der Frage, ob Parteistellung der Beschwerdeführerin vorliegt, und fehlen insbesondere ausreichend begründete Ausführungen dazu, ob das Zuchtprogramm der Beschwerdeführerin durch die Anerkennung der mitbeteiligten Partei gefährdet wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war daher (allein) die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht vom Fehlen einer Parteistellung der Beschwerdeführerin im Anerkennungsverfahren hinsichtlich der mitbeteiligten Partei ausgehen (und eine Sachentscheidung verweigern) konnte.

Diese Frage ist zu verneinen; der Beschwerdeführerin kommt vielmehr bereits auf Grundlage des Tir. TierzuchtG 1995 selbst die Stellung einer Partei im Anerkennungsverfahren der mitbeteiligten Partei zu.

Zu einem gleich gelagerten Fall nach dem Sbg. TierzuchtG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 2002, 2001/07/0133, ausgesprochen, dass einer bereits anerkannten Zuchtorganisation auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 und 4 des Sbg. TierzuchtG Parteistellung im Verfahren zur Anerkennung einer neuen Zuchtorganisation mit dem gleichen Tätigkeitsbereich zukommt. Die relevante Bestimmung des § 8 Abs. 1 und 4 Sbg. TierzuchtG ist mit jener des § 22 Abs. 1 lit. b Tir. TierzuchtG 1995 insofern gleich lautend, als einer der Versagungstatbestände in einem Anerkennungsverfahren die "Gefährdung des Zuchtprogrammes einer bestehenden Zuchtorganisation" ist.

In dem genannten Erkenntnis vom 23. Mai 2002 wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass im § 8 AVG unter Verwendung der Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" festgelegt werde, in welcher Beziehung an einem Verwaltungsverfahren Beteiligte zu diesem Verfahren stehen müssten, damit ihnen die Stellung einer Partei zukomme. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichem Interesse die Rede sein könne, enthalte § 8 AVG keine Bestimmung. Es könne demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitze, an Hand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung müsse vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts müsse sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden.

Ob nun einer Norm des objektiven Rechts ein subjektiver Rechtsanspruch korrespondiere, werde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn sich im Gesetz auch keine bestimmte sprachliche Wendung über die Qualifikation des faktischen Interesses einer Person finde, nach einer Zweifelsregel gelöst. Habe eine Person ein Interesse an der Erfüllung einer Pflicht, ein Interesse, das für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend gewesen sei, so streite im demokratischen Rechtsstaat eine Vermutung für ihre Befugnis zur Rechtsverfolgung.

Bei Anwendung dieser Grundsätze der Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall kann der beschwerdeführenden Partei die Parteistellung im Verfahren zur Anerkennung der mitbeteiligten Partei als Zuchtorganisation auch nach dem Tir. TierzuchtG 1995 nicht abgesprochen werden, weil nach dessen § 22 Abs. 1 lit. b das Zuchtprogramm einer anerkannten Zuchtorganisation zum Schutzobjekt erklärt und der Behörde die Verpflichtung auferlegt wird, die Anerkennung einer weiteren Zuchtorganisation zu verweigern, wenn durch diese Anerkennung das Zuchtprogramm einer anerkannten Zuchtorganisation gefährdet würde. Dass die beschwerdeführende Partei ein Interesse an der Einhaltung dieser Verpflichtung hat, liegt auf der Hand. Ihr kommt daher auch Parteistellung zu, da der Gesetzgeber mit der Bestimmung § 22 Abs. 1 lit. b Tir. TierzuchtG 1995 nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein rechtliches Interesse anerkannter Zuchtorganisationen statuiert hat.

Inwiefern das Zuchtprogramm der beschwerdeführenden Partei durch die Anerkennung der mitbeteiligten Partei gefährdet werden könnte, wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein. Dass von vornherein eine solche Gefährdung völlig ausgeschlossen sei, ist der Begründung des angefochtenen Bescheids nicht zu entnehmen. Daher vermag auch mit dieser Begründung die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei nicht ausgeschlossen zu werden.

Aus den dargestellten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. April 2004

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