Normen
AVG §44a Abs2 Z3 idF 1998/I/158;
AVG §44b Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs1;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauRallg;
AVG §44a Abs2 Z3 idF 1998/I/158;
AVG §44b Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs1;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem undatierten, bei der Behörde am 20. September 2002 eingebrachten Baugesuch kam die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit einer eingeschossigen oberirdischen Garage für 27 Pkw und 9 Pkw-Abstellplätzen im Freien und einem Flugdach auf einem Grundstück in G ein. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer (von der Straße aus gesehen rechts) angrenzenden (bebauten) Liegenschaft.
Den Plänen zufolge fällt das Gelände im Bereich der gemeinsamen Grundgrenze von der H-Straße aus ab. Das Gebäude soll von der gemeinsamen Grundgrenze einen Abstand zwischen 8,25 m und 8,38 m einhalten. Die geplante Garage ist im Untergeschoss situiert, welches auf Grund des Gefälles des Geländes an der der H-Straße abgewendeten Seite des Gebäudes oberirdisch in Erscheinung tritt. Die Zufahrt zur Garage soll von der H-Straße aus über eine (zunächst 6,00 m breite) Rampe erfolgen, die ein Gefälle von 13 % aufweist und im Bereich zwischen der gemeinsamen Grundgrenze und der zur Grundgrenze gewendeten Gebäudefront angeordnet ist, wobei die Zufahrt (Abfahrt) zunächst parallel zur Grenze und dann in einem etwa 90-grädigen Bogen in die Garage selbst erfolgt. Zwischen der eigentlichen Abfahrtsrampe und der gemeinsamen Grundgrenze befindet sich eine Mauer, welche, von der Liegenschaft der Beschwerdeführerin aus gesehen, an der H-Straße beginnt, dort eine Höhe von ca. 80 cm aufweist und zunächst über eine Entfernung von rund 5 m waagrecht verläuft (sie hat dort im Hinblick auf die Neigung des Geländes eine Höhe von rund 1,20 m), sich an diesem Punkt auf rund 2,30 m erhöht und in etwa dieser Höhe, über weitere 15,80 m dem Geländeverlauf entsprechend abfallend verläuft (Ende der Rampe). Die Abfahrtsrampe ist im Bereich des höheren Teiles der Mauer überdacht, wobei das Dach bergseits und talseits über 0,80 m bis 1,00 m auskragt. Talseits sowie, von der H-Straße aus gesehen, links wird das Dach im Bereich oberhalb des Niveaus durch Säulen gestützt.
Die erstinstanzliche Behörde ging gemäß § 44a AVG vor und beraumte mit Edikt vom 16. Dezember 2002 (welches auch in zwei Tageszeitungen eingeschaltet wurde) die Bauverhandlung für den 13. Februar 2003 an. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, enthält das Edikt folgenden Hinweis:
"Innerhalb von sechs Wochen ab Kundmachung dieses Edikts können bei der Behörde schriftlich (telegrafisch, mittels Telefax) Einwendungen erhoben werden, ansonsten die Parteistellung verlorengeht."
Die Beschwerdeführerin erhob rechtzeitig mit Schriftsatz vom 24. Jänner 2003 Einwendungen gegen die beabsichtigte Höhe der neuen Wohnhausanlage "und insbesondere gegen die geplante Garageneinfahrt". Sie führte dazu aus, dass ihr in einem Telefonat mit DI W. ein maximal zweigeschossiger Bau zugesichert worden sei. Weiters müsse sie in Folge der Nähe eines so großen Gebäudes einen enormen Wertverlust ihres Hauses und Grundstückes hinnehmen. Da bekanntlich im gesamten Bereich der H- Straße die Lärm-, Geruchs- und Schadstoffbelastung weit über dem erträglichen Maße liege, sei durch die geplante Garageneinfahrt eine weitere Zunahme der Emissionsbelastung zu erwarten. Außerdem gehe dadurch die letzte Möglichkeit, durch Öffnen der Fenster für Frischluft zu sorgen, verloren. Da die geplante Mauer der Garageneinfahrt unmittelbar an ihrer Grundstücksgrenze liege (von ihrer Hausmauer nur 1,43 m entfernt), und bei Grabungsarbeiten unweigerlich große Erschütterungen zu erwarten seien, befürchte sie massive Schäden an ihrem Haus. Probegrabungen hätten eine schlechte Bodenbeschaffenheit ergeben. Um bei eventuell späteren Haftungsfragen Missverständnissen vorzubeugen, ersuche sie um eine gemeinsame Begehung ihres Grundstückes, bzw. um eine schriftliche und fotografische Feststellung des derzeitigen Zustandes der Hausfassade.
In der Bauverhandlung forderte die Beschwerdeführerin, dass ein Abstand von 3 m von der Grenze des Bauplatzes zur Rampenmauer eingehalten werde, was damit begründet wurde, dass die Aus- und Einfahrt Teil eines Gebäudes sei, nämlich des Garagengebäudes, und damit die erforderlichen Abstände einzuhalten seien. Sie bezweifelte, dass die Errichtung der Garagenrampenmauer unmittelbar an der Grundstücksgrenze baurechtlich zulässig sei.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 20. Februar 2003 wurde der Bauwerberin die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt, darunter (Punkt 5.), dass zur Wahrung der Bestandssicherheit von Objekten im Einflussbereich der Baustelle Beweissicherungen zur späteren Feststellung eines allfälligen Verschuldens vor Beginn der Bauarbeiten auf Kosten des Bewilligungswerbers im Einvernehmen mit den jeweiligen Objektseigentümern vorzunehmen und deren Ergebnisse schriftlich zu dokumentieren seien.
Begründend führte die Behörde erster Instanz zum schriftlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin aus, dem Wunsch auf Begehung des Grundstückes und Feststellung des derzeitigen Zustandes sei durch die Auflage Punkt 5. Rechnung getragen worden. Das Vorbringen in Bezug auf Immissionen sei auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens unbegründet. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben. Das weitere mündliche Vorbringen in der Bauverhandlung sei präkludiert und im Übrigen unberechtigt, weil die eingehauste Rampe nicht als Gebäude anzusehen sei (wurde näher ausgeführt).
Dagegen erhob die nun anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie u.a. auch die Auffassung vertrat, die im Beschwerdefall geplante, eingehauste Garagenrampe sei derart beschaffen, dass sie den erforderlichen Gebäudeabstand und den erforderlichen Grenzabstand einhalten müsse (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 97/06/0220).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde begründend ausgeführt, nachdem die Behörde erster Instanz das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend den erforderlichen Abstand der Rampe (zur Grundgrenze bzw. zu ihrem Gebäude) sachlich erledigt habe, erübrige sich eine Prüfung der Frage, "ob dieses Vorbringen nun gerade noch, nicht mehr oder doch eine Einwendung im Rechtssinn dargestellt" habe. Es sei immerhin so konkretisiert gewesen, dass die belangte Behörde "bei einer großzügigen Betrachtungsweise" davon auszugehen vermöge, dass die Beschwerdeführerin ihre Parteistellung "im unterbehördlichen Verfahren nicht verloren hat, sodass ihre Berufung als zulässig angesehen zu werden vermag".
Kern des Berufungsvorbringens stelle die Behauptung dar, die Tiefgaragenrampe bzw. die Einhausung dieser Rampe sei ein Gebäude, womit die erforderlichen Abstände (zur Grenze bzw. zum Gebäude der Beschwerdeführerin) einzuhalten wären. Zutreffend habe aber die erstinstanzliche Behörde ausgeführt, dass dieser Bauteil kein Gebäude darstelle und damit auch keinen Abstand zur Nachbargrundgrenze einzuhalten habe. Diesbezüglich sei auf die Legaldefinition eines Gebäudes in § 4 Z. 28 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) verwiesen, wonach ein Gebäude eine bauliche Anlage sei, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bilde, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen sei. Diese Rampe samt "Einhausung" sei aber lediglich an einer "Seitenfläche", nämlich durch die Rampenmauer nächst der Nachbargrundgrenze, ansonsten (und damit überwiegend, ohne dass es einer exakten Ermittlung des Umschließungsanteiles bedürfte), nämlich im Ein - und Ausfahrtsbereich, an der Hinterseite (Anm.: talseitig) und bauplatzseitig offen, also ohne Seitenflächen ausgebildet. Davon ausgehend, stelle diese Rampe mit ihrer Einhausung eben kein Gebäude dar.
Nur der Vollständigkeit halber sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem in der Berufung enthaltenen Verlangen nach einem größeren Abstand jedenfalls präkludiert sei, sehe man davon ab, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jeder Nachbar "Lüftung, Belichtung und Besonnung" von seinem eigenen Grundstück zu beziehen habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften nach § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Bauwerberin hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995 (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59, in der Fassung LGBl. Nr. 33/2002, anzuwenden.
§ 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG lauten:
"(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand)."
Die §§ 44a und 44b AVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) lauten:
"§ 44a. (1) Sind an einer Verwaltungssache oder an verbundenen Verwaltungssachen voraussichtlich insgesamt mehr als 100 Personen beteiligt, so kann die Behörde den Antrag oder die Anträge durch Edikt kundmachen.
(2) Das Edikt hat zu enthalten:
1. den Gegenstand des Antrages und eine Beschreibung des Vorhabens;
2. eine Frist von mindestens sechs Wochen, innerhalb derer bei der Behörde schriftlich Einwendungen erhoben werden können;
- 3. den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 44b;
- 4. den Hinweis, daß die Kundmachungen und Zustellungen im Verfahren durch Edikt vorgenommen werden können.
(3) Das Edikt ist im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weitverbreiteter Tageszeitungen und im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu verlautbaren. Ist in den Verwaltungsvorschriften für die Kundmachung der mündlichen Verhandlung eine besondere Form vorgesehen, so ist der Inhalt des Edikts darüber hinaus in dieser Form kundzumachen; im übrigen kann die Behörde jede geeignete Form der Kundmachung wählen. In der Zeit vom 15. Juli bis 25. August und vom 24. Dezember bis 6. Jänner ist die Kundmachung durch Edikt nicht zulässig.
§ 44b. (1) Wurde ein Antrag durch Edikt kundgemacht, so hat dies zur Folge, daß Personen ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftlich Einwendungen erheben. § 42 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Der Antrag, die Antragsunterlagen und die vorliegenden Gutachten der Sachverständigen sind, soweit sie nicht von der Akteneinsicht ausgenommen sind, während der Einwendungsfrist bei der Behörde und bei der Gemeinde zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Beteiligten können sich hievon Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Erforderlichenfalls hat die Behörde der Gemeinde eine ausreichende Anzahl von Kopien zur Verfügung zu stellen."
Die Behörde erster Instanz und die belangte Behörde in ihrer Eventualbegründung sind zu Unrecht von einer Präklusion der Beschwerdeführerin ausgegangen. Voraussetzung hiefür wäre nämlich gewesen, dass das Edikt, mit welchem die Bauverhandlung kundgemacht wurde, den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 44b AVG enthalten hätte (siehe § 44a Abs. 2 Z. 3 AVG). Dem wird aber durch das Edikt nur teilweise entsprochen. Rechtsfolge des § 44b Abs. 1 AVG ist, dass Personen ihre Stellung als Partei verlieren, soweit (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof) sie nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftlich Einwendungen erheben. Abweichend davon heißt es im Edikt, es könnten bei der Behörde schriftlich Einwendungen erhoben werden, ansonsten die Parteistellung verloren gehe. Mit dieser Formulierung wird somit nicht darauf hingewiesen, dass die Parteistellung nur insoweit behalten wird, als Einwendungen erhoben wurden; vielmehr vermittelt der genannte Wortlaut den Eindruck, es könnten, unter der Voraussetzung dass die Parteistellung behalten wurde, noch weitere Einwendungen "nachgeschoben" werden (anders gewendet: Im Edikt wird nicht darauf verwiesen, dass auch dann, wenn die Parteistellung nicht verloren ging, verspätete Einwendungen nicht berücksichtigt werden können). Die gesetzwidrige Formulierung des Hinweises im Edikt hat somit zur Folge, dass die von den Behörden des Verwaltungsverfahrens angenommene "Präklusion" der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist.
In der Sache selbst steht in Frage, ob diese Rampe im eingehausten Teil den Grenz- und Gebäudeabstand nach § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG einzuhalten hat oder nicht.
Ob solche eingehauste Rampen diese Abstände einzuhalten haben oder nicht, lässt sich nicht generell-abstrakt, sondern nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles beantworten. Diese Frage wurde im Fall des von der Beschwerdeführerin genannten hg. Erkenntnisses vom 22. April 1999, Zl. 97/06/0220, bejaht (die damals projektierte Rampe wurde als Teil des damals verfahrensgegenständlichen Hauses angesehen), nach Projektmodifikation wurde diese Frage mit dem Folgeerkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 2000/06/0006, verneint. Auch im Fall des von der erstinstanzlichen Behörde bezogenen hg. Erkenntnisses vom 4. April 2002, Zl. 2001/06/0093, wurde diese Frage verneint.
Im nunmehrigen Beschwerdefall kommt es entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht entscheidend darauf an, ob man diese bauliche Anlage der "eingehausten Rampe" für sich genommen als Gebäude ansehen könnte oder nicht. Vielmehr ist im Beschwerdefall diese eingehauste Rampe (ebenso wie im Fall, welcher dem zuvor genannten hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 97/06/0220, zu Grunde lag) als Teil des projektierten Wohnhauses zu qualifizieren, wobei der 15,8 m lange, höhere Teil der Abschlussmauer entlang der Grenze als "vorgeschobene Gebäudefront" in Erscheinung tritt und damit die erforderlichen Abstände nach § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG einzuhalten hat.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Dies konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG ohne Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. April 2004
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