Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Ausspruches gemäß § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro (ehemals Bundesrepublik Jugoslawien), stammt aus dem Kosovo und gehört der serbischen Volksgruppe an. Er ist am 18. Jänner 2002 nach Österreich eingereist und stellte am 21. Jänner 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. In der niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 12. April 2002 gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, er habe im Dezember 2001 einen Einberufungsbefehl zum Wehrdienst nicht befolgt und befürchte daher Strafverfolgung im Falle seiner Rückkehr.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Juli 2002 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bis 1999 in Pristina im Kosovo gelebt habe und in diesem Jahr aus Angst vor Verfolgung nach Serbien geflohen sei. Zur Ausreise aus Jugoslawien habe sich der Beschwerdeführer aufgrund der "als bedrückend empfundenen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in ganz Serbien" entschlossen, um durch einen Asylantrag in Österreich oder einem anderen europäischen Staat die Lebenssituation seiner Frau und seiner Kinder verbessern zu können. Hiezu komme, dass der Antragsteller als Reservist der Einberufung zu einer dreimonatigen Militärübung nach Südserbien nicht Folge geleistet habe, da er befürchtet habe, möglicherweise in Gefechte mit albanischen Freischärlern verwickelt zu werden.
Nach allgemeinen Feststellungen zur Situation in "Jugoslawien (somit mit Ausnahme des Kosovo)" gab die belangte Behörde die Bestimmungen des jugoslawischen Strafgesetzbuches betreffend Wehrdienstentzug und Desertion (Art. 214 jug. StGB:
Wehrdienstentzug - Strafrahmen bei Verlassen des Landes (Abs. 2) Gefängnis von einem Jahr bis zu zehn Jahren; Art. 217 jug. StGB:
Desertion - Strafrahmen bei Verlassen des Landes als Militärperson (Abs. 4) Gefängnis nicht unter einem Jahr bis zu fünf Jahren) sowie Art. 1 des Amnestiegesetzes vom 2. März 2001, Amtsblatt der BR Jugoslawien Nr. 9/2001, wieder (nach welchem für Personen, die bis zum 7. Oktober 2000 u.a. die oben genannten Straftaten begangen haben, bzw. im Verdacht stehen, diese begangen zu haben, Amnestie gewährt wird) und führte aus, dass dieses Amnestiegesetz am Tag nach der Kundmachung (3. März 2001) in Kraft getreten sei und unterschiedslos angewandt werde.
Sodann führte die belangte Behörde aus, dass nicht mehr geprüft zu werden brauche, ob dem Beschwerdeführer im Kosovo theoretisch Gefahr aus asylrelevanten Gründen drohen könnte, da ihm die Möglichkeit offen stehe, in "das Gebiet der BR-Jugoslawien (somit Serbien und Montenegro - ohne Kosovo)" zurückzukehren und dort Aufenthalt zu nehmen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles könne nur dann asylrelevant sein, wenn sie gegenüber dem Asylwerber in Sanktionen münde, die ihn gegenüber anderen Staatsangehörigen benachteiligen würden bzw. wenn die Sanktion für sich gesehen unverhältnismäßig schwer wäre. Der Beschwerdeführer habe eingestanden, dass er in genau gleicher Weise bestraft werden würde wie jeder andere serbische Bewohner der BR Jugoslawien, der einer Einberufung nicht Folge leiste, und es bestünde auch keinerlei Hinweis, dass der Beschwerdeführer aus ungenannt gebliebenen Gründen in schwererer Form bestraft werden könnte. Die theoretisch drohende Strafe für Wehrdienstverweigerung erreiche nicht jene unverhältnismäßige Schwere wie etwa im Irak, da die österreichische Rechtsordnung (§§ 8, 9 MilStG) durchaus vergleichbare Strafrahmen und Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorsehen würde. Da zudem in der BR Jugoslawien in den letzten Jahren eine Fülle von Amnestieregelungen erlassen und die Strafverfolgung angesichts der großen Anzahl von Deserteuren nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eingeleitet worden sei, sei die Gewährung von Asyl aus diesem Grund nicht gerechtfertigt.
Im Hinblick auf § 8 AsylG führte die belangte Behörde begründend aus, dass der Antragsteller nicht einmal behauptet habe, dass die ihm drohende Strafe dergestalt wäre, dass ihr Vollzug für sich genommen einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK entsprechen könnte.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In Bezug auf die Verneinung der geltend gemachten Asylrelevanz der dem Beschwerdeführer wegen der Nichtbefolgung der Einberufung zu einer Militärübung im Dezember 2001 drohenden Bestrafung zeigt die Beschwerde - auch unabhängig von der von der belangten Behörde angenommenen Anwendbarkeit eines Amnestiegesetzes auf den Fall des Beschwerdeführers - nach den Maßstäben des hg. Erkenntnisses vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, sowie der Folgejudikatur dazu keine Rechtswidrigkeit des von der belangten Behörde erzielten Ergebnisses auf. Im Besonderen wird nicht dargetan, auf Grund welcher von ihr zu beachtenden, aber unter Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht herangezogenen Entscheidungsgrundlagen die belangte Behörde von einer bevorstehenden Heranziehung des Beschwerdeführers zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen oder - wie etwa bei der drohenden Anwendung von Folter - von einer völligen Unverhältnismäßigkeit der im Fall des Beschwerdeführers zu erwartenden Sanktionen auszugehen gehabt hätte. Insoweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages richtet, war sie daher als unbegründet abzuweisen.
Jedoch erweist sich der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG als rechtswidrig: Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird die Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen". Die belangte Behörde hat damit den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, wonach das Refoulement "in die Bundesrepublik Jugoslawien" zulässig sei, bestätigt. Aus dieser Formulierung des erstinstanzlichen Spruches ergibt sich nicht, dass ein Refoulement nur in die Bundesrepublik Jugoslawien (ohne Kosovo) für zulässig erklärt worden sei. Da der Kosovo weiterhin Teil der Bundesrepublik Jugoslawien ist, erlaubt ein Bescheid, mit dem die Abschiebung eines Asylwerbers in diesen Staat für zulässig erklärt wurde, grundsätzlich auch die Abschiebung in das gesamte Staatsgebiet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 2004, Zl. 2002/01/0125, mwH).
Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo offengelassen. Ungeachtet dessen muss nach dem Gesagten davon ausgegangen werden, dass auf Grund des Spruches angefochtenen Bescheides eine Abschiebung des - aus dem Kosovo stammenden - Beschwerdeführers in die gesamte Bundesrepublik Jugoslawien (einschließlich des Kosovo) zulässig wäre. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen bieten hiefür keine Grundlage, weshalb der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Ausspruches nach § 8 AsylG mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist. Er war daher insoweit schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 25. Mai 2004
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