Normen
11997E249 EG Art249;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4 letzter Satz;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs2 idF 2001/I/106;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
11997E249 EG Art249;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4 letzter Satz;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs2 idF 2001/I/106;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in letzter Instanz ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 13. April 2000 um
13.15 Uhr in H. auf der A1 auf dem Parkplatz S. in Fahrtrichtung Linz als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit dem näher angeführten behördlichen Kennzeichen bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern im grenzüberschreitenden Güterverkehr von Deutschland nach Österreich keine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitgeführt und bei der Kontrolle im Hoheitsgebiet Österreichs dem einschreitenden Beamten vorweisen können und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 letzter Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 begangen. Es wurde über den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) verhängt.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz unterliegt. Gemäß Art. 5 Abs. 4 dieser Verordnung sei eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitzuführen und den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen. Die angeführte Verordnung enthalte keinerlei Bestimmung, wonach die genannte Gemeinschaftslizenz etwa nur dann mitzuführen wäre, wenn mit einem Lastkraftfahrzeug grenzüberschreitender Güterverkehr in beladenem Zustand durchgeführt werde. Gegen diese Auffassung spreche auch, dass die Gemeinschaftslizenzen jeweils für einen Zeitraum von 5 Jahren ausgestellt würden und nicht auf eine bestimmte Anzahl von Fahrten begrenzt seien. Die Lizenzen würden auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt und seien nicht auf Dritte übertragbar. Jeder Inhaber einer solchen Lizenz erhalte von der ausstellenden Behörde das Original sowie so viele beglaubigte Abschriften als ihm Fahrzeuge zur Verfügung stünden. Wie in Art. 1 der zitierten Verordnung angeführt, gelte diese für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken. Güterkraftverkehr sei hier umfassend zu verstehen und enthalte keine Einschränkung hinsichtlich des Zustandes der Beladung (voll/leer). Entscheidend sei nur, dass die Fahrt selbst einem grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr diene. Dies könne im vorliegenden Fall bejaht werden, da beabsichtigt gewesen sei, Ware in Linz aufzunehmen und dann nach Deutschland weiterzutransportieren. Der Lenker hätte daher in diesem Fall die Gemeinschaftslizenz sehr wohl mitzuführen und auch vorzuweisen gehabt. Die belangte Behörde könne weiters nicht erkennen, dass die angeführte Verordnung nicht auf den Güterverkehr anwendbar wäre; es sei daher auch § 23 Abs. 2 GütbefG anwendbar. Entscheidend sei weiter, dass der Lenker die Gemeinschaftslizenz zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht habe vorweisen können. Es erübrige sich daher, dem Beweisantrag der Vertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu entsprechen, die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers zum Beweis dafür einzuvernehmen, dass die Gemeinschaftslizenz zumindest bei der Abfahrt des Fahrzeuges in Deutschland vorhanden gewesen sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 wird die Gemeinschaftslizenz auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt. Sie darf von diesem nicht an Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz muss im Fahrzeug mitgeführt werden und ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.
Gemäß § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001 (im Hinblick auf § 1 Abs. 2 VStG war die im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Bescheides bereits geltende Fassung BGBl. I Nr. 106/2001 des § 23 Abs 2 GütbefG anzuwenden) ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- u.a. zu bestrafen, wer als Lenker unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt.
Der Beschwerdeführer hält es für verfassungsrechtlich bedenklich, dass in § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz die Verhängung einer Verwaltungsstrafe vorgesehen sei, wenn unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt würden. Dem Normunterworfenen sei nach dieser Regelung nicht erkennbar, welches Verhalten unter Strafe gestellt werde. Weiters stelle die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 keine Regelung über den Güterverkehr der Mitgliedstaaten dar, sondern betreffe den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt.
Gemäß Art. 249 EG-Vertrag i.d.F. des Amsterdamer Vertrages hat die Verordnung des Rates oder der Kommission allgemeine Geltung; sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Der Verweis in § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz auf das in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch in Österreich, unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht, das einzuhalten ist, stößt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auf keine Bedenken. Indem die verfahrensgegenständliche Verordnung der Europäischen Union Regelungen über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt trifft, liegt damit auch eine Regelung über den Güterverkehr im Sinne des § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz vor. Aus der Regelung über die Gemeinschaftslizenz ergibt sich für den Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, dass der grenzüberschreitende Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich einer solchen Lizenz unterliegt und einer solchen Lizenz bedarf.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers richte sich Art. 5 Abs. 4 der angeführten Verordnung an den Transportunternehmer. Der Transportunternehmer sei danach verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Gemeinschaftslizenz mitgeführt werde. Für die Verantwortung des Lenkers bleibe kein Raum.
Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden.
Art. 5 Abs. 4 letzter Satz der angeführten Verordnung stellt eine unmittelbar anwendbare Vorschrift der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße dar. Verordnungen des Rates oder der Kommission sind gemäß Art. 249 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages in den Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbar. Die in Art. 5 Abs. 4 letzter Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 enthaltene Verpflichtung trifft den Lenker eines Kraftfahrzeuges. Nur er kann im Sinne dieser Bestimmung die beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitführen und den Kontrollorganen auf Verlangen vorzeigen.
Weiters meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde hätte hinsichtlich des Verlangens der Kontrollorgane, die Gemeinschaftslizenz vorzuzeigen, keine Feststellungen getroffen. Dem angefochtenen Bescheid sei nach Auffassung des Beschwerdeführers gleichfalls nicht zu entnehmen, welches Verhalten dem Beschwerdeführer tatsächlich vorgeworfen werde. Dies deshalb, da ein wesentlicher Bestandteil der vermeintlichen Verwaltungsübertretung - das Verlangen der Kontrollorgane auf Vorlage der Gemeinschaftslizenz - fehle.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Bei dem Verstoß gegen die sich aus Art. 5 Abs. 4 der angeführten Verordnungen ergebenden Verpflichtungen des Mitführens und des Vorzeigens der Gemeinschaftslizenz handelt es sich um selbstständig zu verwirklichende Tatbestände (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1993, Zlen. 92/03/0246 ua., zur vergleichbaren Bestimmung des § 102 Abs. 5 lit. a KFG betreffend das Mitführen und Aushändigen des Zulassungsscheines, und das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0225, betreffend Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 betreffend das Mitführen und Vorlegen der zum Nachweis der Entrichtung der Ökopunkte erforderlichen Unterlagen).
Die beiden Tatbestände stehen aber in einem typischen Zusammenhang in dem Sinn, dass das eine Delikt - nämlich die Nichtvorlage - notwendig mit dem anderen, dem Nichtmitführen - verbunden ist. Wird die Gemeinschaftslizenz nämlich nicht mitgeführt, so kann sie - zwingend - auch nicht zur Prüfung vorgelegt werden. Es liegt daher Konsumation vor (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. September 2000), sodass die Anwendung des ersten Deliktstatbestandes (des Nichtmitführens) jene des zweiten Deliktstatbestandes (des Nichtvorzeigens) ausschließt. Durch die Anführung auch des zweiten Deliktstatbestandes im Spruch des Straferkenntnisses werden aber, weil dieser Tatbestand mit dem ersten zwingend verbunden ist, Rechte des Beschuldigten nicht verletzt (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 20. September 2000). Dies gilt aber nur in dem Fall, in dem das Nicht-Mitführen der maßgeblichen Unterlage (hier der Gemeinschaftslizenz) von der Behörde entsprechend festgestellt wurde. Der erste Deliktstatbestand des Nicht-Mitführens ist demgegenüber mit dem zweiten Deliktstatbestand des Nicht-Vorzeigens der maßgeblichen Unterlage (hier der Gemeinschaftslizenz) nicht derart zwingend mit dem zweiten Deliktstatbestand des Nicht-Vorzeigens verbunden. Wird die maßgebliche Unterlage (hier die Gemeinschaftslizenz) nicht vorgelegt bzw. nicht vorgezeigt, ergibt sich daraus nicht zwingend, dass sie auch nicht mitgeführt wird. Wird allein das Nicht-Vorzeigen bzw. das Nicht-Vorlegen der maßgeblichen Unterlage durch die Behörde festgestellt, darf dem Beschuldigten nur dieser Verstoß vorgeworfen werden. Andernfalls liegt eine Rechtsverletzung des Beschuldigten vor, wenn ihm gleichzeitig das Nicht-Mitführen dieser Unterlage vorgeworfen wird.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer nach dem Spruch zur Last gelegt, dass er keine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz bei der verfahrensgegenständlichen gewerbsmäßigen Güterbeförderung mitgeführt habe und diese bei der Kontrolle im Hoheitsgebiet Österreichs dem einschreitenden Beamten nicht habe vorweisen können. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ist dazu lediglich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Kontrolle die Gemeinschaftslizenz nicht vorweisen habe können. Es sei unerheblich, ob die Gemeinschaftslizenz bei der Abfahrt des Fahrzeuges in Deutschland bei den Fahrzeugpapieren enthalten gewesen sei, entscheidend sei, dass der Lenker die Gemeinschaftslizenz zum Zeitpunkt der Kontrolle vorweisen könne.
Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer die Gemeinschaftslizenz auf dieser Fahrt nicht mitgeführt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2002, Zl. 99/02/0240). Wie dargelegt ist der festgestellte Verstoß des Nicht-Vorzeigens der beglaubigten Gemeinschaftslizenz nicht zwingend mit dem Deliktstatbestand des Nicht-Mitführens dieser Unterlage verbunden. Der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verletzte den Beschwerdeführer daher in seinen Rechten.
Abgesehen davon stellt es bei der Verwaltungsübertretung des Nicht-Vorzeigens der Gemeinschaftslizenz ein wesentliches Tatbestandselement dar, dass die Gemeinschaftslizenz auf Verlangen des Kontrollberechtigten nicht vorgezeigt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 2000/03/0066, zu § 9 Abs. 1 GütbefG). Für die Strafbarkeit einer Übertretung des Art. 5 Abs. 4 der angeführten Verordnung im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung des Nicht-Vorzeigens der Gemeinschaftslizenz ist es daher maßgeblich, ob auch dieses Tatbestandsmerkmal innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG vorgeworfen wurde. Weiters hat der Spruch des Verwaltungsstrafbescheides, mit dem eine solche Übertretung zur Last gelegt wird, auch dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal zu enthalten. Da im vorliegenden Fall kein entsprechender diesbezüglicher Vorhalt in der sechsmonatigen Verjährungsfrist erfolgte und auch der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dieses Tatbestandsmerkmal nicht enthält, erweist sich der Ausspruch über das Nicht-vorzeigen der Gemeinschaftslizenz für sich allein als rechtswidrig.
Im Hinblick auf die festgestellten Rechtswidrigkeiten erübrigt es sich, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführer zur Frage seines Verschuldens einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Mai 2004
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