VwGH 2002/01/0498

VwGH2002/01/049830.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der T in S, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5a, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. September 2002, Zl. 0/912-14390/7-2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. September 2002 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§ 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) iVm den §§ 10 (1) Z. 1, (4) Z. 1 und (5) Z. 3 leg. cit."

ab. Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass die 1981 geborene Beschwerdeführerin - eine türkische Staatsangehörige - erstmals am 28. Mai 1996 in das Bundesgebiet gekommen und seither mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet sei; sie erfülle daher noch nicht das Erfordernis eines zehnjährigen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet. Da die Beschwerdeführerin eine Hauptwohnsitzdauer von sechs Jahren aufweise, komme die Verleihung der Staatsbürgerschaft dann in Frage, wenn dafür ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG - also eine nachhaltige persönliche und berufliche Integration - vorliege. Nach Ansicht der belangten Behörde sei jedoch eine nur durchschnittliche berufliche Integration, wie sie die Beschwerdeführerin derzeit aufweise, für eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft zu wenig. Sie sei seit 7. Juni 1999 beim Hauptverband der Sozialversicherung angemeldet, ihre bisherigen Beschäftigungsverhältnisse seien aber "noch zu kurz sowie auch von längeren Versicherungszeitenunterbrechungen begleitet", um eine nachhaltige berufliche Integration erkennen zu können. Zudem könne die Beschwerdeführerin keine fachlich qualifizierte Berufsausbildung nachweisen und sei erst seit dem 26. August 2002 wieder beschäftigt. Dass ihr Vater und drei ihrer Geschwister bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen hätten zeige, dass die Beschwerdeführerin "in gewissen Bereichen in Österreich integriert ist sowie unter anderem auch vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen ist", einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund stelle dies aber nicht dar. Die Ausnahme vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) gewähre ihr einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt und könne ihre berufliche Integration erleichtern. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe die Staatsbürgerschaft allerdings bisher nicht erhalten. Dass die Beschwerdeführerin über ausreichende (ihren Lebensumständen entsprechende) Sprachkenntnisse verfüge und ein Jahr die Hauptschule in F besucht habe, könne nicht als nachhaltige persönliche Integration gewertet werden. Sie verfüge nicht über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz, sondern sie sei im Besitz eines bis 24. Jänner 2004 befristeten Niederlassungstitels. Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration gelte aber nur dann als erbracht, wenn der Fremde über einen unbefristeten Niederlassungstitel verfüge. Die Beschwerdeführerin habe derzeit aus fremdenrechtlicher Sicht keine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich. Da sie derzeit nicht nachhaltig persönlich und beruflich integriert sei und ein weiterer besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 1 und Abs. 5 StbG nicht vorliege, sei ihr Antrag im Hinblick auf das fehlende Einbürgerungserfordernis des zehnjährigen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet abzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Da die Beschwerdeführerin unbestritten nicht auf einen ununterbrochenen zehnjährigen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zu verweisen vermag, kommt fallbezogen eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nur nach § 10 Abs. 4 Z. 1 StbG - Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - in Betracht.

§ 10 Abs. 5 leg. cit. enthält eine demonstrative Aufzählung, was unter einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund zu verstehen ist. Als solcher gilt u.a. nach der hier allein in Rede stehenden Z 3 dieser Bestimmung der "Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration".

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die berufliche Integration der Beschwerdeführerin deshalb als lediglich "durchschnittlich" beurteilt, weil die Beschwerdeführerin erst seit 7. Juni 1999 beschäftigt sei, ihre Beschäftigungen "noch zu kurz" und "von längeren Versicherungszeitenunterbrechungen begleitet" seien. Bei der diesbezüglichen Beurteilung hätte die belangte Behörde allerdings im Sinn der Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (1283 BlgNR 20.GP 8), mit dem der § 10 StbG neu gefasst wurde, die beschäftigungsrechtliche Stellung der Beschwerdeführerin stärker in ihre Gesamtbetrachtung einbeziehen müssen. Gemäß den Feststellungen der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin "freien Zugang am inländischen Arbeitsmarkt", weil sie auf Grund der österreichischen Staatsbürgerschaft eines Elternteiles (dem Vater der Beschwerdeführerin wurde nämlich mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. August 1990 und Wirkung von diesem Tag die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen) vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen ist. Von daher ist die Beschwerdeführerin - vor dem Hintergrund der in den genannten Materialien angeführten Beispiele erbrachter Nachweise einer beschäftigungsrechtlich gesicherten Position in Österreich und im Hinblick auf ihre (wenn auch nicht durchgehenden) Beschäftigungsverhältnisse - aber jedenfalls hinreichend (gesichert) beruflich integriert. Da sie 1981 geboren und 1996 nach Österreich eingewandert ist und hier ein Jahr die Schule besucht hat, konnte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine nachhaltige berufliche Integration nicht mit dem Argument absprechen, dass die seit 1999 bestehende Beschäftigung "noch zu kurz" gewesen sei.

Insoweit im angefochtenen Bescheid angenommen wurde, es stünden (im Einzelnen) festgestellte "Versicherungszeitenunterbrechungen" - das Arbeitsmarktservice S geht demgegenüber in seiner in den Verwaltungsakten erliegenden Stellungnahme vom 6. Februar 2002 von "laufenden Beschäftigungen seit 1999" aus - einer besonderen beruflichen Integration der Beschwerdeführerin entgegen, hat die belangte Behörde es unterlassen, die Gründe für diese Arbeitsunterbrechungen festzustellen und sich mit diesen konkret auseinander zu setzen. Wechselnde Beschäftigungsverhältnisse bzw. bloße Verweise auf Arbeitsunterbrechungen genügen jedenfalls für sich alleine nicht, um damit eine nachhaltige berufliche Integration der Beschwerdeführerin zu verneinen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. April 2004, Zl. 2003/01/0040, und vom 12. März 2002, Zl. 2000/01/0189).

Hinsichtlich der persönlichen Integration hat die belangte Behörde verkannt, dass die Eltern und auch drei Geschwister der Beschwerdeführerin - demnach ihre gesamte Familie - seit vielen Jahren (der Vater der Beschwerdeführerin bereits seit 20 Jahren) in Österreich leben und von daher durchaus von einer besonderen persönlichen Verankerung der Beschwerdeführerin im Inland ausgegangen werden kann (in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Beschwerdefall jedenfalls wesentlich von dem Sachverhalt, wie er dem hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2000/01/0426, zugrundelag). Zudem unterstreichen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Vater und die drei Geschwister und der Hauptschulbesuch der Beschwerdeführerin ihre nachhaltige persönliche Integration.

Das dagegen ins Treffen geführte Argument der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe derzeit in fremdenrechtlicher Hinsicht keine bis auf weiteres gesicherte Position bzw. der Nachweis ihrer nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration gelte nur dann als erbracht, wenn sie über einen unbefristeten Niederlassungstitel verfüge, entspricht nicht dem Gesetz (§ 10 Abs. 5 Z 3 StbG). Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, schließt etwa das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 eine nachhaltige persönliche Integration nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2002/01/0107, und die dort angegebene Judikatur), und auch daraus, dass in den genannten Erläuterungen der Regierungsvorlage als Beispiel einer "bis auf weiteres" fremdenrechtlich gesicherten Position die unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung genannt ist, ist nicht - wie die belangte Behörde dies zu Unrecht im angefochtenen Bescheid angenommen hat - zu folgern, dass ausschließlich bei Vorliegen eines solchen Aufenthaltstitels von einer nachhaltigen persönlichen Integration ausgegangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2003, Zl. 2001/01/0515).

Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. November 2004

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