VwGH 2001/18/0104

VwGH2001/18/01047.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, geboren 1973, vertreten durch Dr. Martin Schatz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 4/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 28. März 2001, Zl. III 4033-31/01, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 28. März 2001 wurde der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit zumindest Dezember 1997 rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil er nicht über einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Sinn des § 31 Abs. 1 FrG verfüge. Er lebe mit seiner Familie (seiner Ehegattin und seiner im Jahr 1996 geborenen Tochter, die im Bundesgebiet gut integriert und erlaubt aufhältig seien) in einem gemeinsamen Haushalt. Von 1991 bis 1995 habe er einen gültigen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet gehabt. Im Jahr 1995 sei er nach Kroatien "gegangen" ("da dort Krieg war und Sie (der Beschwerdeführer) zum Militär mussten"). Dort habe er sich bis 1997 aufgehalten. Im Jahr 1996 habe er seine jetzige Frau geheiratet, die zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich gewesen sei. Seither pendle er zwischen Kroatien und Österreich hin und her, "da Sie keine Aufenthaltsbewilligung für Österreich haben". Seine Ehegattin verdiene als Zimmermädchen ca. ATS 13.500,-- netto monatlich zuzüglich Kinderbeihilfe von ca. ATS 2.000,--. Die monatliche Miete für die Wohnung betrage ca. ATS 6.000,--. Der Beschwerdeführer habe zum Familieneinkommen beigetragen, indem er 1998/1999 gewerbsmäßig einen schwunghaften Handel mit in Österreich erworbenen Gebrauchtgegenständen (insbesondere mit Autos, Möbeln und Elektrogeräten) getrieben habe, die er Gewinn bringend via Kroatien in Bosnien-Herzegowina verkauft habe (Übertretung der Gewerbeordnung). Zu diesen Feststellungen werde auf die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vom 15. März 1999 vor der Gendarmerie verwiesen, an deren Wahrheitsgehalt zu zweifeln nicht der geringste Grund vorgelegen sei.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege wegen seines privaten, familiären Lebensmittelpunktes in Österreich vor, dieser Eingriff sei jedoch im Sinn dieser Gesetzesbestimmung im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremden- bzw. Einwanderungswesen zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Der genauen Einhaltung der mit dem Aufenthalt von Fremden in Zusammenhang stehenden Vorschriften bzw. dem Umstand, dass sich Fremde rechtmäßig, ohne missbräuchliche Inanspruchnahme des österreichisch-kroatischen Sichtvermerksabkommens, BGBl. Nr. 487/1995, im Bundesgebiet aufhielten, komme ein hoher Stellenwert zu. Dieser habe ein großes öffentliches Gewicht und wiege mindestens gleich schwer wie die privaten, familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, dies vor dem Hintergrund, dass eine Ausweisung kein Rückkehrverbot beinhalte und der vom Ausland aus zu betreibenden rechtmäßigen Einwanderung des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet nicht entgegenstehe.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Ausweisung auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. Abstand genommen werden.

Die Betreuung der Ehegattin des Beschwerdeführers, die seit 21. Februar 2001 wegen einer Risikoschwangerschaft in Mutterschutz sei, müsse während der Zeit seiner Abwesenheit eben anders organisiert werden und z.B. durch einen der zahlreichen Familienangehörigen oder "schlimmstenfalls" durch eine soziale Einrichtung im Sozialstaat Österreich erfolgen. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- bzw. Einwanderungswesens stelle er durch seine "Vorgehensweise (sich unter jahrelanger Inanspruchnahme der dreimonatigen Sichtvermerksfreiheit des österreichisch-kroatischen Sichtvermerksabkommen mit kurzen Unterbrechungen des Aufenthaltes im Bundesgebiet (offensichtlich gemeint: aufzuhalten), um dann wieder die drei Monate Sichtvermerksfreiheit nach dem Abkommen in Anspruch zu nehmen, etc.)" sehr wohl dar. "Um eine ordnungsgemäße Aufenthaltsberechtigung in Österreich kümmern" hätte er sich schon lange können und müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, in wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass sich der Beschwerdeführer (seit 1997) unter jahrelanger Inanspruchnahme der dreimonatigen Sichtvermerksfreiheit nach dem österreichischkroatischen Sichtvermerksabkommen mit (jeweils nur) kurzen Unterbrechungen des inländischen Aufenthaltes in Österreich aufhalte und er über keinen Aufenthaltstitel (im Sinn des § 31 Abs. 1 FrG) verfüge, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid lediglich unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG und bringt vor, dass eminente private und familiäre Interessen vorlägen, weil bei der Ehegattin des Beschwerdeführers derzeit eine Risikoschwangerschaft vorliege, ein ca. fünf Jahre altes Kind zu betreuen sei und somit eine Haushaltsführung und insbesondere eine Betreuung und Beaufsichtigung des Kindes notwendig seien. Der Hinweis auf die Möglichkeit organisatorischer Maßnahmen durch Einbeziehung anderer Familienangehöriger sei ungerechtfertigt, weil Erhebungsergebnisse der Behörde nicht darüber vorlägen, ob weitschichtige Verwandte überhaupt in der Lage wären, die Betreuung eines fremden Haushaltes und insbesondere der Ehegattin des Beschwerdeführers und des Kindes zu gewährleisten. Der Beschwerdeführer, der erstmals im Jahr 1991 in Österreich aufhältig gewesen sei, sei nicht aus persönlichen und wirtschaftlichen Motiven, sondern durch politische und kriegerische Wirren nach Österreich verschlagen worden. Gerade für das Kind sei es wichtig, dass die persönliche Bindung zum Vater weiter beibehalten werde.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. März 2004, Zl. 2004/18/0027, mwN) kommt dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch den seit "zumindest" Dezember 1997 rechtswidrigen Aufenthalt (zur Notwendigkeit einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bzw. einer Niederlassungsbewilligung nach dem FrG für Fremde, die in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz begründen bzw. hier einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben, vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0050) erheblich beeinträchtigt.

Wenn die Beschwerde auf die Risikoschwangerschaft der Ehegattin des Beschwerdeführers hinweist und rügt, es lägen keine ausreichenden Erhebungsergebnisse darüber vor, ob Verwandte die Ehegattin und das Kind des Beschwerdeführers während der Risikoschwangerschaft betreuen könnten, so zeigt sie mit diesem Vorbringen keinen Verfahrensmangel auf. Abgesehen davon, dass in der Beschwerde nicht behauptet wird, dass eine solche Unterstützungsmöglichkeit durch Verwandte tatsächlich nicht bestehe, geht die Beschwerde auch nicht auf die von der belangten Behörde aufgezeigte Möglichkeit der Inanspruchnahme einer sozialen Einrichtung ein. Ferner wird in der Beschwerde nicht behauptet und ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer vom Ausland aus den erforderlichen Geldunterhalt für seine Familienangehörigen nicht leisten könnte. Abgesehen von diesen Erwägungen hat der Beschwerdeführer auch nicht konkretisiert, welche Auswirkungen der Umstand, dass eine Risikoschwangerschaft bei seiner Ehegattin vorliegt, auf die Lebensführung tatsächlich habe und inwieweit seine Ehegattin gehindert sei, sich um ihr Kind zu kümmern. Weiters ist noch auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers mit ihrem Kind den Beschwerdeführer ins Ausland begleitet und sich während ihres Mutterschutzurlaubs bis nach der Entbindung bei ihrem Ehegatten aufhält.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der vorliegenden Ausweisung nicht entgegenstehe, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2004

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