Normen
ASVG §227 Abs1 Z1;
ASVG §227 Abs3;
SchOG 1962;
ASVG §227 Abs1 Z1;
ASVG §227 Abs3;
SchOG 1962;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,-- und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 1. September 1942 geborene Beschwerdeführer besuchte vom 3. September 1956 bis zum 28. Juni 1958 die Handelsschule W., Privat-Lehranstalt. Laut Abschlusszeugnis der Handelsschule I der Wiener Kaufmannschaft vom 3. Dezember 1959 unterzog sich der Beschwerdeführer der Prüfung über sämtliche Pflichtgegenstände der Handelsschule mit Erfolg.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2001 stellte der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Partei den Antrag auf Beitragsentrichtung für (Nachkauf von) Schul-, Studien- oder Ausbildungszeiten hinsichtlich des Zeitraumes des Besuches der Handelsschule W.
Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt wies mit Bescheid vom 4. Juli 2001 diesen Antrag ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Handelsschule W. sei im Schuljahr 1957/58 keine mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule gewesen. An der Handelsschule der Wiener Kaufmannschaft habe der Beschwerdeführer lediglich die Abschlussprüfung abgelegt. Er habe sohin keine Ersatzzeiten gemäß § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG erworben.
Der Beschwerdeführer hat Einspruch erhoben. Darin führte er aus, es mache keinen Unterschied, wenn man zwei Jahre eine Privatschule oder zwei Jahre eine mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule besuche. Nach dem Abschlusszeugnis der Handelsschule I der Wiener Kaufmannschaft komme dieses Zeugnis einem Abschlusszeugnis über den erfolgreichen Besuch einer zweiklassigen öffentlichen Handelsschule gleich. Auch gewerbebehördlich werde anerkannt, dass der durch dieses Zeugnis nachgewiesene Schulbesuch zwei Jahre der vorgeschriebenen kaufmännischen Verwendung ersetze.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer die zweijährige Handelsschule W. besucht habe. Diese Schule sei im Zeitpunkt des Schulbesuches durch den Beschwerdeführer keine öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule gewesen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass der Beschwerdeführer eine Abschlussprüfung vor der Handelsschule I der Wiener Kaufmannschaft abgelegt habe. Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut sei der bekämpfte Bescheid zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG gelten als Ersatzzeiten nach dem 31. Dezember 1955,
"in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete mittlere Schule mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, eine höhere Schule (das Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde;
... hiebei werden höchstens zwei Jahre des Besuches einer
mittleren Schule, ... berücksichtigt, und zwar jedes volle
Schuljahr, angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit 8 Monaten, gerechnet ab dem in das betreffende Schuljahr fallenden 1. November, ..."
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer vom 3. September 1956 bis 28. Juni 1958 die zweijährige Handelsschule W. besucht hat und es sich damals um eine Privatschule, also um keine öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete mittlere Schule gehandelt hat.
Der Beschwerdeführer meint nun, die Auslegung des oben wiedergegebenen Textes des § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG zeige, dass die Privatschule einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten mittleren Schule gleichgestellt sei. Es handle sich hiebei um eine "verwandte Lehranstalt". Die Wortfolge "oder verwandte Lehranstalt" beziehe sich auf alle vor dieser Wortfolge aufgezählten Schulen und Bildungsgänge, also auch auf die "mittlere Schule". Durch diese Auslegung werde der Zweck der Bestimmung, Versicherten, die in Folge erweiterter Schulbildung zu einem späteren Zeitpunkt in das Erwerbsleben eintreten, zumindest teilweise den daraus resultierenden Verlust an Beitragszeiten zu kompensieren, gewahrt.
Dieser vom Beschwerdeführer vorgenommenen Auslegung des § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG kann nicht gefolgt werden. Die Bezeichnung der Schulen, deren Besuch eine Ersatzzeit begründet, wurde durch die 25. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 385/1970, eingeführt. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (157 Blg. NR XII. GP, 13.) heißt es:
"Die Neufassung des § 227 Z. 1 enthält gegenüber der geltenden Rechtslage drei Änderungen. Zunächst sollen die Bezeichnungen der Schulen, deren Besuch eine Ersatzzeit begründet, der Terminologie der neuen Schulgesetzgebung (Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962) angepasst werden. Nach dieser im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ausgearbeiteten Fassung treten an die Stelle der bisherigen Fachschulen, Mittel- oder Hochschulen die mittleren Schulen mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, die höheren Schulen, die Akademien und verwandten Lehranstalten, die inländischen Hochschulen sowie die Kunstakademien (Kunstakademiegesetz, BGBl. Nr. 168/1948 in der geltenden Fassung) bzw. Kunsthochschulen (Kunsthochschulen-Organisationsgesetz, BGBl. Nr. 54/1970). ... Bei der vorgeschlagenen Formulierung werden die Berufsschulen nicht mehr erwähnt, da es sich bei den gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulen um berufsbegleitende Schulen handelt, d.h., dass die Schüler ohnehin einen Beruf ausüben, nämlich Lehrlinge sind; in dieser Eigenschaft sind sie bereits gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG pensionsversichert. ..."
Bei der Aufzählung der Schulen, deren Besuch eine Ersatzzeit begründet, handelt es sich um die Bezeichnung nach den in den Erläuternden Bemerkungen genannten Schulorganisationsgesetz bzw. Kunstakademiegesetz und Kunsthochschulen-Organisationsgesetz (so auch schon zur früheren Rechtslage die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1980, 3324/78, und vom 5. September 1980, 530/78). Die "verwandten Lehranstalten" beziehen sich sohin, wie die Textierung zeigt, auf die Akademien und nicht auf die "mittlere Schule mit mindestens zweijährigem Bildungsgang". Darüber hinaus kann aus der Bezeichnung "verwandte Lehranstalt" nicht darauf geschlossen werden, dass es sich hiebei um keine öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule handeln muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1980, 3324/78).
Nach dem Gesetzeswortlaut begründet sohin - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - der Besuch einer inländischen öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule im Sinne des Schulorganisationsgesetzes, nicht hingegen der Besuch einer nicht-öffentlichen inländischen Schule einen Anspruch auf Ersatzzeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Das Qualifikationskriterium der Schule als "öffentlich" bzw. "mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet" muss zum Zeitpunkt vorgelegen sein, zu dem der Schulbesuch stattfand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, 92/08/0012). Da dies im vorliegenden Fall unstrittig nicht gegeben war, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass keine Ersatzzeit vorliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof ist den auch vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung bereits im Verfahren 92/08/0012 nicht näher getreten. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in dem dem hg. Verfahren 92/08/0012 vorangegangenen Ablehnungsbeschluss, B 177/91 vom 25. November 1991, solche Einwände unter Hinweis auf seine Rechtsprechung für nicht stichhältig erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, den Verfassungsgerichthof damit erneut zu befassen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Oktober 2004
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