Normen
ASVG §227 Abs1 Z1 idF 1970/385;
ASVG §227 Abs1 Z1;
ASVGNov 25te;
AVG §56;
VwRallg;
ASVG §227 Abs1 Z1 idF 1970/385;
ASVG §227 Abs1 Z1;
ASVGNov 25te;
AVG §56;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 10. Mai 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1990 auf leistungswirksame Beitragsentrichtung gemäß § 227 ASVG für Schul-, Studienzeiten und Ausbildungszeiten idF der 44. Novelle zum ASVG abgelehnt, weil der Beschwerdeführer keine Ersatzmonate für eine mittlere Schule/Höhere Schule, Hochschule/Ausbildungszeit gemäß § 227 ASVG nachgewiesen habe und daher die Voraussetzung für eine leistungswirksame Beitragsentrichtung nicht erfüllt sei. In der Übersendungsnote der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom selben Tag wurde der Beschwerdeführer davon informiert, daß die Abweisung seines Antrages darin begründet sei, daß die Handelsschule W im Zeitraum des Schulbesuchs des Beschwerdeführers noch nicht das Öffentlichkeitsrecht gehabt habe und daher aufgrund der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Anrechnung einer Schulzeit und in weiterer Folge der Nachkauf dieser Schulzeit nicht möglich sei.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Einspruch.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch nicht statt und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt. Begründend wurde ausgeführt, im vorliegenden Verfahren sei ausschließlich die Frage strittig, ob der Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf den Besuch der Privathandelsschule W Ersatzmonate gemäß §§ 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG zurückgelegt habe, für die Beiträge iS des § 227 Abs. 3 leg. cit. entrichtet werden können, damit diese Ersatzmonate leistungswirksam würden. Unbestrittenermaßen habe die Handelsschule W in der fraglichen Zeit vom 1. Oktober 1947 bis 2. Juli 1949 das Öffentlichkeitsrecht nicht besessen. Sie besitze dieses erst seit dem Schuljahr 1963/64. Es fehle daher im Gegenstande eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Ersatzzeiten gemäß § 228 Abs. 1 Z. 3 leg. cit., zumal dem Begehren des Beschwerdeführers, "§ 227 Z. 1 des ASVG in der Stammfassung (BGBl. 1955/189)" anzuwenden, nicht entsprochen werden könne. Für eine derartige Vorgangsweise fehle die gesetzliche Grundlage. Es sei für die belangte Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung maßgeblich, d.h. daß auch die gegenständliche Vorfrage des Vorliegens von Ersatzzeiten nicht nach der früher geltenden Rechtslage, sondern nach der Rechtslage zu bewerten sei, die bei der Absprache über den strittigen Einkauf von Schulzeiten in Geltung stehe. Wenn eine Handelsschule zur Zeit des Schulbesuches weder eine öffentliche noch mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule gewesen sei, wie dies auf den vorliegenden Fall zutreffe, so seien die Zeiten des Schulbesuches nicht als Ersatzzeiten anzurechnen. Daß die Schule später mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet worden sei, habe keinen Einfluß auf die rechtliche Beurteilung. Maßgebend sei, ob die Schule zum Zeitpunkt des Schulbesuches mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet gewesen sei oder nicht. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung könne von der belangten Behörde nicht überprüft werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 25. November 1991, Zl. B 177/91-3, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil seiner Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten auf Anrechnung zweier Schuljahre als Ersatzzeiten für die Pensionsversicherung (§ 228 Abs. 1 Z. 3 iVm § 227 Z. 1 ASVG) und auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Verwaltungsverfahrens verletzt. Der Beschwerdeführer geht dabei davon aus, daß ein Schulbesuch in den Jahren 1947/48 und 1948/49 der bis 1970 geltenden Rechtslage zufolge als Ersatzzeit für die Pensionsversicherung anrechenbar gewesen sei, woran auch die 25. ASVG-Novelle, BGBl. 1979/385, nichts habe zu ändern vermocht, weil sie gemäß Artikel 49 B-VG und § 5 ABGB mangels ausdrücklicher Anordnung nicht zurückwirke, sondern nur auf zukünftige Sachverhalte anzuwenden gewesen sei. Die Behörde irre daher, wenn sie uneingeschränkt nur die aktuelle Rechtslage berücksichtige. Überdies übersehe die belangte Behörde, daß die Anrechenbarkeit als Ersatzzeit nicht von einem lediglich formalen, zeitlich völlig willkürlich gesetzten Rechtsakt (i.e. die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes) abhängen dürfe, sondern daß sachliche Gründe (Dauer, Qualität des Schulbesuchs, etc.) maßgebend sein müßten.
Der Beschwerdeführer macht daher Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat - wie auch die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet, und die Verwaltungsakten vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG idF der 44. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 609/1987, gelten als Ersatzzeiten nach dem 31. Dezember 1955, "in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische
ÖFFENTLICHE ODER MIT DEM ÖFFENTLICHKEITSRECHT AUSGESTATTETE
mittlere Schule mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, eine höhere Schule (das Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde, ..., sofern nach dem Verlassen der Schule bzw. der Beendigung der Ausbildung eine sonstige Versicherungszeit vorliegt;..."
Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch oder zu einem früheren Zeitpunkt geltende Fassung (Stammfassung) des § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG auf den Beschwerdefall anzuwenden ist.
Diese Frage hat der Gesetzgeber durch die Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 7 in der Fassung der 44. ASVG-Novelle in dem Sinn geklärt, daß die §§ 227 Abs. 1 Z. 1 und 228 Abs. 1 Z. 3 des ASVG teils in der Fassung der 44. ASVG-Novelle und teils in der am 31. Dezember 1987 in Geltung gestandenen Fassung anzuwenden sind.
Der § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG in der Stammfassung des BGBl. 189/1955 lautete:
"Als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 gelten:
1. in dem Zweige der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische oder eine im Gebiete der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gelegene mindestens zweiklassige gewerbliche, kaufmännische, land(forst)wirtschaftliche Schule oder Krankenpflegeschule, eine Mittel- oder eine Hochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Studiengange besucht wurde, sofern spätestens innerhalb dreier Jahre nach dem Verlassen der Schule eine sonstige Versicherungszeit oder eine neutrale Zeit im Sinne des § 234 Abs. 1 Z. 4 vorliegt..."
Die 25. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 385/1970 führte jene Formulierung ein, auf die die belangte Behörde ihren Bescheid stützte. Nach dieser Fassung lautete § 227 Abs. 1 Z. 1 - auszugsweise):
"1. in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete mittlere Schule mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, eine höhere Schule, Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schule (Studienart) vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde..."
In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Art. I Z. 12 heißt es:
"Die Neufassung des § 227 Z. 1 enthält gegenüber der geltenden Rechtslage drei Änderungen: Zunächst sollen die Bezeichnungen der Schulen, deren Besuch eine Ersatzzeit begründet, der Terminologie der neuen Schulgesetzgebung (Schulorganisationsgesetz BGBl. Nr. 242/1962) angepaßt werden. Nach dieser im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ausgearbeiteten Fassung treten an die Stelle der bisherigen Fachschulen, Mittel- oder Hochschulen die mittleren Schulen mit mindestens zweijährigem Bildungsgang, die höheren Schulen, die Akademien und verwandten Lehranstalten,..."
Der Besuch dieser Schulen in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen Ausbildungs(studien)gang begründet somit unter den im § 227 Z. 1 vorgesehenen Kriterien eine Ersatzzeit, wobei die Wendung "in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang" nicht die im Schulorganisationsgesetz geregelten Sonderformen... ausschließt. Bei der vorgeschlagenen Formulierung werden die Berufsschulen nicht mehr erwähnt, da es sich bei den gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulen um berufsbegleitende Schulen handelt, d.h. daß die Schüler ohnehin einen Beruf ausüben, nämlich Lehrlinge sind; in dieser Eigenschaft sind sie bereits gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG-pensionsversichert. Auch die Schülerinnen der hauswirtschaftlichen Berufsschulen in Vorarlberg stehen vielfach in einem pensionsversicherungspflichtigen Dienstverhältnis; doch wenn auch kein solches vorliegt, ergibt der Berufsschulbesuch, der nur einmal wöchentlich stattfindet (sofern nicht eine Zusammenlegung im Rahmen eines achtwöchigen lehrgangsmäßigen oder entsprechend langen saisonmäßigen Berufsschulbesuchs erfolgt), keine Rechtfertigung zur Anerkennung als Ersatzzeit im Rahmen der Pensionsversicherung."
(Die 44. ASVG-Novelle brachte demgegenüber eine für das hier maßgebende Rechtsproblem des Erfordernisses des Öffentlichkeitsrechts der Schule unwesentliche Änderung). Nach der Übergangsbestimmung des Art. IV der (25.) Novelle BGBl. Nr. 385/1970 trat dieses Bundesgesetz, soweit nichts anderes bestimmt wurde, am 1. Jänner 1971 in Kraft. Davon abweichend enthält Abs. 2 leg. cit. Sonderregelungen, die sich aber auf die hier vorliegende Bestimmung nicht beziehen.
Es ist daher keine gesetzliche Grundlage dafür zu finden, den Bescheid auf eine Rechtslage (Stammfassung) zu stützen, die der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden nicht mehr entspricht. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung unzweideutig, daß das durch die Neufassung eingefügte Qualifikationskriterium "öffentlich" bzw. "mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet" zu jenem Zeitpunkt vorliegen mußte, zu dem der Schulbesuch stattfand. Die Erteilung des Öffentlichkeitsrechtes zu einem danach liegenden Zeitpunkt kann eine Rückwirkung zugunsten des Beschwerdeführers nicht entfalten, weil er nicht die mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule, sondern zwar dieselbe Anstalt besuchte, als sie aber noch nicht das Öffentlichkeitsrecht hatte.
Aus den dargelegten Gründen erweisen sich die Ausführungen in der Beschwerde als nicht überzeugend, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)