VwGH 2001/05/1106

VwGH2001/05/110624.2.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Josef Siegl in Zaussenberg, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien 13, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Oktober 2001, Zl. RU1-V-01139/00, betreffend Einwendungen gegen eine straßenrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Königsbrunn am Wagram, vertreten durch Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, Georg-Ruck-Straße 9), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §364;
AVG §52;
AVG §8;
LStG NÖ 1999 §12 Abs6;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §13 Abs1;
LStG NÖ 1999 §13 Abs2 Z1;
LStG NÖ 1999 §13 Abs2 Z3;
LStG NÖ 1999 §14 Abs2 Z3;
LStG NÖ 1999 §9 Abs1;
VwRallg;
ABGB §364;
AVG §52;
AVG §8;
LStG NÖ 1999 §12 Abs6;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §13 Abs1;
LStG NÖ 1999 §13 Abs2 Z1;
LStG NÖ 1999 §13 Abs2 Z3;
LStG NÖ 1999 §14 Abs2 Z3;
LStG NÖ 1999 §9 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1172,88 binnen zwei Wochen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 701 und Nr. 729 im Gebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde, zwischen welchen der Gemeindeweg (kurz: Weg) Grundstück Nr. 726 verläuft.

In einer Eingabe vom 19. Dezember 2000 an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde brachte der Beschwerdeführer vor, im Bereich dieser Grundstücke habe die Gemeinde die bestehende Asphaltdecke des Weges abgetragen, und sodann nicht unerhebliche Aufschüttungen vorgenommen, die eine Höhe von etwa 80 cm erreichten, sodass er nicht mehr in der Lage sei, zu seinen beiden Grundstücken zuzufahren. Diese Aufschüttung sei jedoch als Umgestaltungsmaßnahme einer Gemeindestraße nach § 12 Abs. 1 des NÖ Straßengesetzes 1999 anzusehen, die seine subjektivöffentlichen Rechte gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 leg. cit. erheblich verletze. Er verlange daher die umgehende Beseitigung der Anschüttungen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Außerdem gelange auf Grund dieser Aufschüttungen nunmehr Oberflächenwasser vom Weg auf sein Grundstück Nr. 701, was ebenfalls einen beträchtlichen Nachteil hinsichtlich der Bewirtschaftung darstelle und zudem Ernteeinbussen nach sich ziehen werde.

Mit Ansuchen vom 4. Jänner 2001 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde bei ihrem Bürgermeister als Straßenbehörde erster Instanz die Erteilung der Bewilligung zur "Sanierung und Anhebung des Gemeindewegniveaus" auf dem Grundstück Nr. 726.

In einem Schreiben vom 22. Jänner 2001 an die Gemeinde führte die Abteilung Güterwege des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung aus, der fragliche Gemeindeweg sei im Bereich der beiden Grundstücke des Beschwerdeführers unmittelbar vor einem Einmündungsbereich in einen Wirtschaftsweg als leichte Senke ausgebildet. Am Tiefpunkt der Weganlage habe sich nach Niederschlägen das Oberflächenwasser gesammelt und sei in den Unterbau des Weges eingedrungen. Dadurch sei es zu Aufweichungen mit leichten Verdrückungen und Mikrorissen in der Asphaltdecke gekommen.

Als Sanierungsmaßnahmen seien vorgesehen: Das Auffüllen der Fahrbahnsenke mit Frostschutzmaterial, das Asphaltieren der beschotterten Trasse mit einseitiger Querneigung der Fahrbahn zur Asphaltrandleiste, das Aufbringen einer Asphaltrandleiste sowie die schadlose Ableitung der Oberflächenwässer mit einem Längsgefälle bis in den Kreuzungsbereich eines einmündenden Wirtschaftsweges.

Aus fachtechnischer Sicht bestünden gegen diese Baumaßnahmen keine Bedenken, wenn folgende, zusätzliche Maßnahmen durchgeführt würden:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Niederösterreichische Straßengesetz 1999, LGBl. 8500-0, anzuwenden.

Paragraphenbezeichnungen ohne Bezeichnung des Gesetzes beziehen sich auf dieses Gesetz.

§ 9 regelt die "Planung von Straßen"; gemäß seinem Abs. 1 sind (unter anderem) Gemeindestraßen so zu planen, zu bauen und zu erhalten, dass sie (diese Aspekte kommen hier vor allem in Betracht) dem zu erwartenden Verkehr entsprechen und die bestehende Aufschließung von Grundstücken erhalten.

§ 12 regelt das straßenbaurechtliche Bewilligungsverfahren. Nach seinem Abs. 6 hat der Bewilligungsbescheid unter anderem die Vorschreibung jener Auflagen zu erhalten, durch deren Erfüllung (unter anderem) den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 13 Abs. 2 entsprochen wird.

§ 13 lautet:

"§ 13

Parteien

(1) Im Bewilligungsverfahren nach § 12 haben Parteistellung:

  1. 1. der Antragsteller (Straßenerhalter),
  2. 2. die Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigte der Grundstücke, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen,

    3. die Eigentümer der Grundstücke, die an die für den geplanten Straßenbau beanspruchten Flächen angrenzen (Nachbarn),

    4. die Straßenerhalter von Verkehrsflächen, die an die geplante Straße angeschlossen werden sollen,

    5. die Mitglieder einer Beitragsgemeinschaft (§ 17 Abs. 1).

    Nachbarn (Z. 3) dürfen nur die in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte sind

  1. 1. die Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Nachbarn
  2. 2. die ausreichende Belichtung der Hauptfenster der zulässigen Gebäude der Nachbarn

    3. die Gewährleistung eines bestehenden Zuganges oder einer bestehenden Zufahrt zum Grundstück, wenn das Grundstück über keinen anderen Zugang oder keine andere Zufahrt auf der Straße erreicht werden kann."

    Nach § 14 Abs. 2 Z 3 hat der Grundeigentümer zu dulden, dass auf der Straße anfallende Oberflächenwässer flächenmäßig auf sein Grundstück ungehindert abfließen können.

    Der Beschwerdeführer bekämpft in seiner Beschwerde das Vorhaben aus verschiedenen Gesichtspunkten.

    Zunächst ist ihm zu entgegnen, dass der Berufungsbescheid mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen wurde, was er im Übrigen in seiner Replik nicht mehr in Zweifel zieht.

    Mit dem maßgeblichen Bewilligungsbescheid wurde eine (dauernde) Inanspruchnahme seines Grundes zur Realisierung des Vorhabens nicht bewilligt, was bedeutet, dass die Anschüttungen, die erforderlich sind, um das projektierte Straßenniveau zu erreichen, nur auf dem Weggrundstück Nr. 726 vorzunehmen sind.

    Hinsichtlich der befürchteten Versumpfung seines Grundstückes deshalb, weil durch die Anhebung des Straßenniveaus die Niederschlagswässer nicht gehörig abfließen können (auch dahin war sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren zu deuten; Behinderung einer bislang gegebenen Abflussmöglichkeit von seinem Grundstück, also der bestandenen Abflussverhältnisse, und die im § 14 Abs. 2 Z 3 normierte Verpflichtung, den flächenmäßigen Abfluss der auf Straße anfallenden Oberflächenwässer auf das Grundstück zu dulden, betreffen verschiedene Aspekte), kommt ihm nach dem taxativen Katalog des § 13 Abs. 2 kein Mitspracherecht zu (§ 13 Abs. 2 Z 1 greift nicht, weil es hier nicht um die Trockenheit seiner Bauwerke geht). Ob ihm allerdings durch eine solche Beeinträchtigung der bestandenen Abflussverhältnisse Ansprüche gegen die Gemeinde erwachsen, die auf dem ordentlichen Rechtsweg auszutragen sind (allenfalls solche nach § 364 ABGB), ist hier nicht zu erörtern.

    Zutreffend haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens allerdings erkannt, dass dem Beschwerdeführer ein Mitspracherecht im Sinne des § 13 Abs. 2 Z 3 zukommt, nämlich hinsichtlich der Gewährleistung einer bestehenden Zufahrt zu seinen Grundstücken (wobei unstrittig ist, dass sie über keinen anderen Zugang oder keine andere Zufahrt auf der Straße erreicht werden können, wie der Beschwerdeführer schon in seiner Eingabe vom 19. Dezember 2000 vorgebracht hat). Nur insofern und aus diesem Blickwinkel kommt dem Beschwerdeführer mittelbar ein eingeschränktes Mitspracherecht hinsichtlich des Projektes (hier: bezüglich der Umgestaltung) der Straße zu.

    Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. März 2001 wurde die beantragte Straßenbaubewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz 1999 erteilt und vorgeschrieben, den "durch den Niveauausgleich des Weges entstehenden Niveauunterschied zwischen Weg und Felder" ... "durch Humus in gleicher Bonität (wie im Rampenbereich der Felder vorhanden) durch die Konsenswerberin zu ergänzen sodass eine ungehinderte Zu- und Ausfahrt der Felder erreicht wird".

    Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und in seiner Vorstellung ausgeführt, dass durch die in der zitierten Auflage angeordneten Aufschüttungsmaßnahmen nicht die bestehende Aufschließung seiner Grundstücke gewährleistet sei.

    Ob mit dieser Auflage das subjektiv-öffentliche Recht des Beschwerdeführers auf "Gewährleistung eines bestehenden Zuganges oder einer bestehenden Zufahrt" zu seinen Grundstücken im Sinne des § 13 Abs. 2 Z. 3 NÖ Straßengesetz 1999 ausreichend berücksichtigt worden ist, kann jedoch abschließend nicht beurteilt werden.

    Die beantragte Straßenbaubewilligung kann nur dann erteilt werden, wenn das eingereichte Straßenbauprojekt die Erhaltung der bestehenden Aufschließung der betroffenen Grundstücke berücksichtigt (vgl. § 9 Abs. 1 NÖ Straßengesetz 1999) oder durch Vorschreibung von Auflagen im straßenbaurechtlichen Bewilligungsbescheid der bestehende Zugang oder die bestehende Zufahrt zu diesen Grundstücken gewährleistet ist (vgl. § 12 Abs. 6 NÖ Straßengesetz 1999). Kann dies durch Auflagen nicht erreicht werden, ist der Antrag auf straßenbaurechtliche Bewilligung abzuweisen

    (§ 12 Abs. 6 letzter Satz NÖ Straßengesetz 1999). Die Gewährleistung des bestehenden Zuganges oder der bestehenden Zufahrt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für das betroffene Grundstück ein Zugang bzw. eine Zufahrt erhalten bleibt bzw. im Zuge der Errichtung der bewilligten Straße hergestellt wird, der (die) dem bisherigen Zustand in Art und Qualität annähernd entspricht, sofern das Grundstück über keinen anderen (annähernd gleichwertigen) Zugang oder keine andere (annähernd gleichwertige) Zufahrt auf dieser Straße erreicht werden kann.

    Entsprechende Feststellungen haben jedoch die Verwaltungsbehörden nicht getroffen. Die Behörden haben daher im fortgesetzten Verfahren zunächst zu klären, wie die Zufahrt zu den Grundstücken des Beschwerdeführers bisher erfolgt ist. Sodann ist durch einen Sachverständigen zu klären, welche Zufahrt, die dem bisher bestehenden Zustand im Wesentlichen entspricht, technisch möglich ist. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob der im Bewilligungsbescheid angeordnete Niveauausgleich Rechte des Beschwerdeführers im Sinne des § 13 Abs. 2 Z. 3 NÖ Straßengesetz 1999 verletzt.

    Da die belangte Behörde den dargelegten Verfahrensmangel auf Gemeindeebene nicht erkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Dies konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG ohne Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung erfolgen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 24. Februar 2004

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