VwGH 2000/13/0014

VwGH2000/13/001429.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des Vereins K in U, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz 10, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 23. November 1999, Zl. MD-VfR - V 1/98, betreffend Kommunalsteuer für den Zeitraum der Jahre 1994 und 1995 sowie der Monate Jänner bis Oktober 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §34 Abs1;
BAO §40 Abs1 idF 1980/151;
KommStG 1993 §7 Abs1;
KommStG 1993 §8 Z2;
BAO §34 Abs1;
BAO §40 Abs1 idF 1980/151;
KommStG 1993 §7 Abs1;
KommStG 1993 §8 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Verein, der seinen Sitz in einer oberösterreichischen Gemeinde hat und dessen Tätigkeit sich auf das Bundesgebiet erstreckt. Seine für die Streitjahre geltenden, von seiner Generalversammlung am 12. November 1994 beschlossenen Statuten enthalten auszugsweise folgende Regelungen:

"2. Zweck des Vereins:

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist und daher ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der BAO verfolgt, bezweckt:

2.1. Die soziale und wirtschaftliche Sicherung der Familie, wie die Beratung und Betreuung in erzieherischen sowie Familienschutz- und Vorsorgebelangen zur Aufrechterhaltung der Familie.

2.2. Die ideelle und finanzielle Unterstützung für eine Begleitperson bei einem Spitals- oder Kuraufenthalt eines Kindes; selbstverständlich auch für Begleitpersonen behinderter Kinder.

2.3. Die Unterstützung und Förderung wissenschaftlicher Forschung und Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, der Kinderpsychologie und der Kindersoziologie.

2.4. Die ideelle und materielle Unterstützung von Selbsthilfevereinen.

3. Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes:

3.1. Ideelle Mittel:

3.2. Materielle Mittel:

4. Arten der Mitgliedschaft:

4.1. Ordentliche Mitglieder sind jene, die den vollen Mitgliedsbeitrag entrichten und daher alle Vereinsleistungen in Anspruch nehmen und sich voll an der Vereinsarbeit beteiligen können.

...

5. Erwerb der Mitgliedschaft:

5.1. Mitglieder des Vereins können alle Familien sowie alle physischen und juristischen Personen werden.

...

7. Rechte und Pflichten der Mitglieder:

7.1. Die Mitglieder sind berechtigt, an allen Veranstaltungen des Vereins teilzunehmen und die Einrichtungen des Vereins zu beanspruchen. Die finanziellen Leistungen können nur von ordentlichen Mitgliedern in Anspruch genommen werden. Das Stimmrecht in den Generalversammlungen, sowie das aktive und passive Wahlrecht steht jedem Mitglied zu.

7.2. Ein Rechtsanspruch auf die Leistungen seitens des Vereins ist ausgeschlossen. Die Leistungen des Vereins werden nach Maßgabe der vorhandenen Mittel, im Einzelfall vom Vereinsvorstand nach freiem unanfechtbarem Ermessen festgesetzt.

..."

Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung setzte der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer gegenüber mit Bescheid vom 13. Jänner 1997 für die im Zeitraum der Jahre 1994 und 1995 sowie der Monate Jänner bis Oktober 1996 in der Betriebsstätte in Wien gewährten Arbeitslöhne gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 Kommunalsteuer und nach §§ 164 und 166 WAO einen Säumniszuschlag wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Kommunalsteuer fest. Begründet wurde dieser Bescheid allein mit dem Unterbleiben einer Erklärung und Entrichtung der vorgeschriebenen Kommunalsteuer.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Vereinszwecke geltend, von der Kommunalsteuer gemäß § 8 Z. 2 KommStG 1993 befreit zu sein. Einen an ihn ergangenen Lohnsummensteuermessbescheid für die Jahre 1991 bis 1993 des für seinen Sitz in Oberösterreich zuständigen Finanzamtes vom 27. November 1996, in dessen Begründung dem Beschwerdeführer gemeinnützige Betätigung sowohl nach den in den Statuten verankerten Vereinszwecken als auch nach der praktischen Verwirklichung attestiert worden war, schloss der Beschwerdeführer seiner Berufung an.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. November 1997 wies der Magistrat der Stadt Wien - mit Ausnahme der Berücksichtigung eines bei Bescheiderlassung bestehenden Guthabens bei der Festsetzung des Säumniszuschlages - die Berufung als unbegründet ab. Wie sich aus "Punkt 2." der Statuten und aus der Werbebroschüre "Bitte bleib im Krankenhaus bei mir - Information für die Eltern" ergebe, heißt es in der Begründung der Berufungsvorentscheidung, bestehe die Haupttätigkeit des Vereins in

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 8 Z. 2 KommStG 1993 sind Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 der Bundesabgabenordnung), von der Kommunalsteuer befreit.

Gemäß § 34 Abs. 1 BAO in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung des BG BGBl. Nr. 151/1980 sind die Begünstigungen, die bei Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, an die Voraussetzungen geknüpft, dass die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, der die Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke zumindest überwiegend im Bundesgebiet dient.

Unmittelbare Förderung liegt nach § 40 Abs. 1 BAO vor, wenn eine Körperschaft den gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllt. Dies kann auch durch einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist.

Der beschwerdeführende Verein macht neben der Rüge von Verfahrensmängeln inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, die er aus drei rechtlichen Fehlbeurteilungen der belangten Behörde ableitet, von denen jede für sich allein bereits geeignet ist, die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen. Die belangte Behörde habe nicht erkannt, dass dem Beschwerdeführer die Unternehmereigenschaft fehle, dass der Befreiungstatbestand nach § 8 Z. 2 KommStG 1993 vorliege und dass selbst ohne Vorliegen des Befreiungstatbestandes und bei unterstellter Unternehmereigenschaft des beschwerdeführenden Vereins eine aus dem von der belangten Behörde gesehenen Grund anfallende Kommunalsteuer für den Beschwerdeführer nicht in der Gemeinde hätte anfallen können, von welcher sie durch den erstinstanzlichen Bescheid erhoben worden war.

Eine Auseinandersetzung mit den Beschwerdeargumenten zum Fehlen einer Erhebungsberechtigung der Gemeinde Wien im Sinne des § 7 Abs. 1 KommStG 1993 und zum Fehlen einer Unternehmereigenschaft des Vereins im Sinne des § 3 leg. cit. erübrigt sich ebenso wie eine Behandlung der Verfahrensrüge, weil sich der angefochtene Bescheid schon deswegen als inhaltlich rechtswidrig erweist, weil die das Vorliegen des Befreiungstatbestandes des § 8 Z. 2 KommStG 1993 verneinende Beurteilung der belangten Behörde nicht zu teilen ist.

Die belangte Behörde hat übereinstimmend mit der Abgabenbehörde erster Instanz das Vorliegen des Befreiungstatbestandes nach § 8 Z. 2 KommStG 1993 im Wesentlichen deswegen verneint, weil sie in der Verwirklichung des Teilaspektes der finanziellen Unterstützung für eine Begleitperson bei einem Spitals- oder Kuraufenthalt eines Kindes im Sinne des Punktes 2.2. der formulierten Vereinszwecke den Betrieb eines Versicherungsgeschäftes gesehen hat, welches die Haupttätigkeit des Vereins darstelle und mit welchem nach Auffassung der belangten Behörde lediglich die Vereinsmitglieder gefördert würden, wobei es jedenfalls an der Unmittelbarkeit der Förderung des begünstigten Zwecke fehle, weil der beschwerdeführende Verein "lediglich von anderen Rechtsträgern unmittelbar geförderte, begünstigte Zwecke finanziert".

Diese rechtliche Würdigung ist verfehlt. Zutreffend setzt der Beschwerdeführer dem von der belangten Behörde gebilligten Vergleich dieses Teilbereiches seiner Tätigkeit mit dem Betrieb des Versicherungsgeschäftes durch die Abgabenbehörde erster Instanz schon den Umstand entgegen, dass die Statuten einen Rechtsanspruch der Mitglieder auf Gewährung der Unterstützungen ausdrücklich ausschließen und dass Unterstützungen auch an solche Eltern gewährt wurden, die vor der Einweisung ihres Kindes in stationäre Anstaltspflege noch nicht Vereinsmitglieder gewesen waren. Schon diese von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Sachverhalte standen einem Vergleich der in Rede stehenden Teiltätigkeit des beschwerdeführenden Vereins mit dem Betrieb des Versicherungsgeschäftes entgegen. Ganz anders als im Fall des von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisses vom 28. April 1993, 90/13/0245, Slg. N.F. Nr. 6.771/F, lässt auch jener Vereinszweck, an welchem die Abgabenbehörden im vorliegenden Fall Anstoß genommen haben, kein solches Anliegen erkennen, mit dem es um die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange der Vereinsmitglieder im Einzelfall ginge. Erkennbares Ziel des zu Punkt 2.2. formulierten Vereinszweckes ist nicht die finanzielle Begünstigung von Vereinsmitgliedern im Falle der Erkrankung ihrer Kinder, sondern vielmehr die auch unter Bereitstellung finanzieller Mittel erfolgte Ermöglichung des Beisammenbleibens von Elternteilen mit ihrem Kind auch während eines Spitalsaufenthaltes. Dass die Bereitstellung finanzieller Mittel ein grundsätzlich tauglicher Weg ist, Eltern erkrankter Kinder dazu zu animieren und es ihnen zu ermöglichen, die Zeit im Krankenhaus bei ihnen zu verbringen, kann nicht zweifelhaft sein. Dass es einer solchen Förderung des begünstigten Zweckes an der im § 40 BAO geforderten Unmittelbarkeit fehlen sollte, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Die von der belangten Behörde für diese Beurteilung gegebene Begründung ist nicht nachvollziehbar und die von der Abgabenbehörde erster Instanz in der Berufungsvorentscheidung dafür gegebene Begründung, es fehle an einer Fürsorgeleistung durch den beschwerdeführenden Verein "(wie etwa Unterbringung von Kindern in Kindergärten, Horten etc.)", offenbart ein Fehlverständnis des vom Verein verfolgten Anliegens. Die mit den in der Berufungsvorentscheidung angesprochenen "Fürsorgemaßnahmen" verbundene Fremdbetreuung des erkrankten Kindes will der beschwerdeführende Verein ja gerade vermeiden. Fremdbetreuung eines in Spitalsaufenthalt befindlichen Kindes wäre ohnehin durch das Spitalspersonal in durchschnittlich ausreichender Weise als gewährleistet anzusehen. Dem Beschwerdeführer geht es aber im Gegenteil darum, in Spitalspflege befindlichen Kindern den zusätzlich traumatisierenden Schmerz der für sie - jedenfalls im Kleinkindalter - irritierenden, bedrohlichen und nicht verstehbaren Trennung von ihren Eltern zu ersparen. Vor dem Hintergrund dieses vom beschwerdeführenden Verein verfolgten Anliegens mutet der von den Abgabenbehörden gezogene Vergleich des vorliegenden Falles mit dem dem hg. Erkenntnis vom 28. April 1993, 90/13/0245, Slg. N.F. Nr. 6.771/F, zu Grunde gelegenen Beschwerdefall, in welchem die Vereinstätigkeit im Wesentlichen darin bestanden hatte, als Vereinsmitglieder angeworbene Unfallsopfer jenen Versicherungsberatungsunternehmen zuzuführen, an denen die den Verein beherrschende Person mittelbar wesentlich beteiligt war, als verfehlt an.

Erwies sich schon der in Punkt 2.2. der Vereinsstatuten genannte Zweck und seine Verfolgung durch den beschwerdeführenden Verein als Kinderfürsorge und Krankenfürsorge, hinsichtlich dessen Förderung es nach der speziellen Art des hierbei verfolgten Anliegens auch nicht an der in § 40 BAO geforderten Unmittelbarkeit gefehlt hat, so ließ sich auch den übrigen statutarisch genannten Vereinszwecken die Eigenschaft als gemeinnützige Zwecke auf dem Gebiet der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge nicht mit Erfolg absprechen. Dies hat die belangte Behörde freilich auch gar nicht getan, sondern diese übrigen Vereinszwecke als irrelevante Nebentätigkeiten abgetan. Dass der Beschwerdeführer zur Verwirklichung des Vereinszweckes 2.3. (Unterstützung oder Förderung wissenschaftlicher Forschung und Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, der Kinderpsychologie und der Kindersoziologie) noch keine nennenswerten Ergebnisse vorweisen konnte, trifft gewiss zu und hat er auch selbst eingeräumt. Weshalb die im Antwortschreiben des Beschwerdeführers vom 13. August 1998 zur Verwirklichung von Punkt 2.4. der Vereinszwecke angeführten Tätigkeiten und Leistungen zur Realisierung der Vereinszwecke 2.1. und 2.4. nicht geeignet gewesen sein sollten, wird im angefochtenen Bescheid nicht plausibel gemacht. Zweifel an der Durchführung dieser Aktivitäten hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht geäußert, ihre Zweifel bezogen sich bloß auf jene Zahlen, deren Angabe die belangte Behörde vom Beschwerdeführer - der Sache nach unnötigerweise - zur Quantifizierung des Mitteleinsatzes für solche Vereinszwecke verlangt hatte.

In Verkennung des Umstandes, dass der beschwerdeführende Verein in einer den in § 8 Z. 2 KommStG 1993 genannten Vorschriften der Bundesabgabenordnung ausreichend entsprechenden Weise gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Kinderfürsorge dient, hat die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer zukommende Kommunalsteuerbefreiung nach der genannten Gesetzesstelle nicht zuerkannt.

Der angefochtene Bescheid war somit schon deswegen nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. September 2004

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