Normen
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §43 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §43 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 2, Abs. 4 Z. 5 und Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Zeit vom 29. Jänner 2002 (dem Zeitpunkt der Zustellung des Mandatsbescheides der Erstbehörde vom 24. Jänner 2002) bis 21. September 2004 entzogen. Weiters wurde ihm gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG für dieselbe Zeit das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 21. September 2001 unter anderem wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 22 Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen November 1999 und Dezember 2000 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 4.850 Stück Ecstasy-Tabletten, 700 Gramm Cannabisharz und eine nicht mehr festzustellende Menge Kokain unter Aufschlag von Gewinnspannen an verschiedene Suchtgiftkonsumenten verkauft habe. Er habe dabei in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederholte Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. An dieses rechtskräftige Urteil sei die belangte Behörde gebunden.
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung ärztlicher und verkehrspsychologischer Gutachten sei nicht zu entsprechen gewesen, weil die Entziehung nicht wegen des Mangels der gesundheitlichen Eignung sondern wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit erfolge. Diese sei von der Behörde zu beurteilen. Im Hinblick auf die große Menge an Suchtgift, die vom Beschwerdeführer in Verkehr gesetzt worden sei, und den langen Tatzeitraum (etwas mehr als ein Jahr) sei die von der Erstbehörde festgesetzte Entziehungsdauer (zwei Jahre und acht Monate; dies entspreche exakt drei Jahren nach Fällung des gerichtlichen Urteiles) als absolute Untergrenze des Vertretbaren anzusehen. Die Tatsache, dass die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei, spiele bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit keine entscheidende Rolle.
Im Hinblick auf das Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit sei dem Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen zu verbieten gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des FSG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 32/2002) von Bedeutung:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. ...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
5. eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951, BGBl. Nr. 160/1952 begangen hat.
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
...
Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen
§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten
..."
Vorauszuschicken ist, dass zufolge § 46 Suchtmittelgesetz - SMG der in § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG enthaltene Verweis auf § 12 Suchtgiftgesetz 1951 mit dem Inkrafttreten des SMG (1. Jänner 1998) auf § 28 SMG zu beziehen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, mwN). Auf Grund der Bindung der belangten Behörde an das rechtskräftige Strafurteil hatte sie davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen, derentwegen er verurteilt wurde, begangen hat. Sie hat daher mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG angenommen.
Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG genügt aber nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde wegen seiner Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Die Wertungskriterien des § 7 Abs. 5 leg. cit. sind auch für die der Festsetzung der Dauer der Entziehung zu Grunde liegende Prognose maßgebend, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit im beschriebenen Sinn wieder erlangen wird.
Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, es müsse für die Zeit bis zum 21. September 2004, also für eine Zeit von fast vier Jahren ab Beendigung der strafbaren Handlungen, angenommen werden, dass der Beschwerdeführer sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, wird von der belangten Behörde im Wesentlichen auf die große Menge des vom Beschwerdeführer während eines langen Tatzeitraumes in Verkehr gesetzten Suchtgiftes gestützt. Die wiederholte Begehung der strafbaren Handlungen während eines langen Tatzeitraumes hat die belangte Behörde mit Recht im Rahmen des Wertungskriteriums der Verwerflichkeit der strafbaren Handlung zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt. Der Umstand, dass die strafbare Handlung in Bezug auf eine große Menge (§ 28 Abs. 2 und 6 SMG) begangen wurde, war Voraussetzung für das Vorliegen eines Verbrechens nach § 28 SMG und damit das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG und stellt demnach keinen Umstand dar, der gesondert im Rahmen der Wertung zum Nachteil des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist. Dass die Suchtgiftmenge die in § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG bezeichnete Menge überschritten hätte, konnte nach der Aktenlage nicht angenommen werden.
Die belangte Behörde hat der Tatsache, dass die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde, mit der Begründung abgetan, dass dies keine entscheidende Rolle spiele. Dieser Auffassung ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung zum Führerscheingesetz bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die bedingte Strafnachsicht zwar für sich allein noch nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende bereits als verkehrzuverlässig anzusehen sei, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass nach § 43 Abs. 1 StGB im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen seien und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könne, die für die in § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0406 und 2002/11/0019, und vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0108, jeweils mwN).
Das Landesgericht Wels hat in seinem Urteil vom 21. September 2001 zur bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe gemäß § 43a Abs. 2 in Verbindung mit § 43 Abs. 1 StGB ausgeführt, die Verhängung der (unbedingten) Geldstrafe gepaart mit der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe reiche aus, um den Beschwerdeführer zu einer gesetzeskonformen Lebensführung zu bewegen, dies insbesondere im Hinblick auf sein reumütiges Geständnis und die Tatsache, dass er einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehe sowie aus freien Stücken mit dem Suchtgiftkonsum und -handel aufgehört habe. Die dieser Auffassung diametral entgegen gesetzte Ansicht der belangten Behörde, es müsse für die gesamte Dauer der vom Gericht festgesetzten Probezeit mit der Begehung von schweren Straftaten durch den Beschwerdeführer gerechnet werden, wurde nicht näher begründet, weil die belangte Behörde in Verkennung der dargestellten Rechtslage der Auffassung war, sich mit den für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht maßgebenden Umständen nicht auseinander setzen zu müssen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG nicht genügt, dass die Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen bloß nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss vielmehr die Annahme begründet sein, dass der Betreffende "sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird" (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0019). Weiters ist zu beachten, dass die in der Begründung des Urteiles des Landesgerichtes Wels vom 21. September 2001 für die Verhängung einer unbedingten Geldstrafe ins Treffen geführten Gesichtspunkte der Generalprävention für die von der Kraftfahrbehörde zu treffende Entscheidung nach § 24 Abs. 1 FSG nicht maßgebend sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235).
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. Februar 2003
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