Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 23. März 1939 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Oberregierungsrat in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. November 1996 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 88 Abs. 1 Z. 4 der gemäß § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik 1914, RGBl. Nr. 15, i.d.F. der Landesbeamtengesetznovelle 1989 - mit einer Ruhegenussminderung in der Höhe von 15 Prozent - in den Ruhestand versetzt. Seit diesem Zeitpunkt steht der Beschwerdeführer als Oberregierungsrat in Ruhe in einem öffentlichrechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark, er ist ein dem Ruhestand angehörender Bediensteter eines Landes im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.
Mit dem an die Rechtsabteilung 1 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung gerichteten Schreiben vom 23. Juni 2000 stellte der Beschwerdeführer das Ersuchen, ihm "die Nachtragsdisziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 17.1.1994 zur Verfügung zu stellen", sowie weiters ihm auch "die Anzeige der Dienstbehörde vom 14.4.1993" unter Vorschreibung der Kosten zu übersenden.
Mit Schreiben des stellvertretenden Abteilungsvorstandes der Rechtsabteilung 1 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. August 2000 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es keine Disziplinaranzeige vom 14. April 1993 und keine Nachtrags-Disziplinaranzeige vom 17. Jänner 1994 gebe. Was das Ersuchen um Übermittlung von Kopien einer Disziplinaranzeige und einer Nachtrags-Anzeige betreffe, so werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch bei Korrektur des Datums keinen Anspruch auf Zusendung habe. Die Aushändigung von Kopien gegen Bezahlung könne nur im Rahmen der Akteneinsicht erfolgen, was aber auf den Beschwerdeführer derzeit nicht mehr zutreffe. Es werde die Rechtsansicht vertreten, dass einem Beamten im Ruhestand ohne laufendes Verfahren - wie dies beim Beschwerdeführer der Fall sei -
kein Recht auf Akteneinsicht zustehe. Ganz abgesehen davon müsse auch ein hinreichend dokumentiertes Informationsinteresse seitens des Beschwerdeführers vorliegen. Davon könne aber keinesfalls ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer im Laufe der letzten sieben Jahre allein bei der Rechtsabteilung 1 mindestens fünfzigmal Akteneinsicht genommen habe und dabei sicher mehr als 100 Kopien anfertigen habe lassen, sodass angenommen werden könne, dass er ohnedies bereits über alle für ihn wichtigen Unterlagen verfüge. Überdies habe sich seit seiner Ruhestandsversetzung in seinem Personalakt (Pensionsakt) nichts Neues ergeben.
Mit dem an den für Personalangelegenheiten zuständigen politischen Referenten der Steiermärkischen Landesregierung gerichteten Schreiben vom 11. Februar 2002 übermittelte der Beschwerdeführer Kopien seines Schreibens vom 23. Juni 2000 und des Antwortschreibens vom 3. August 2000 und führte aus, er fühle sich insofern beschwert, als ihm durch das letztangeführte Schreiben ab sofort die Akteneinsicht verweigert worden sei. Die Verweigerung der Akteneinsicht nach Abschluss eines Verfahrens habe nach Lehre und Rechtsprechung mit einem im Instanzenzug anfechtbaren Bescheid zu erfolgen, um dessen Ausfertigung er ersuche.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. März 2002 wurde dem Beschwerdeführer die von ihm mit Schreiben vom 11. Februar 2002 beantragte Einsicht in seinen Personal- bzw. Pensionsakt "hiemit verweigert". In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 8 AVG nur jene Personen als Parteien gälten und somit die Möglichkeit der Akteneinsicht hätten, insoweit sie an einer Sache Vermögen eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien. Unter Rechtsanspruch sei der Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten der Behörde in materieller Hinsicht, unter rechtlichem Interesse der Anspruch auf ein bestimmtes verfahrensrechtliches Verhalten der Behörde zu verstehen. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte verfahrensrechtliche Verhalten bestehe in der Ermöglichung der Einsicht in seinen Personal- bzw. Pensionsakt, wobei es ihm aber nicht gelungen sei, sein rechtliches Interesse nachzuweisen. Von einem Rechtsanspruch könne im Fall des Beschwerdeführers ohnedies keine Rede sein, da zur Zeit kein Verfahren laufe, worüber materiell-rechtlich abzusprechen wäre. Wie bereits mit Erledigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. August 2000 festgestellt worden sei, komme dem Beschwerdeführer mangels eines hinreichend dokumentierten Informationsinteresses kein Recht auf Akteneinsicht zu. Der Beschwerdeführer habe nämlich in den von Beginn seines Disziplinarverfahrens bis zu dem vorhin genannten Zeitpunkt (3. August 2000) vergangenen etwa sieben Jahren zigmal (geschätzte fünfzigmal) Akteneinsicht genommen und sich dabei sicher mehr als 100 Kopien aus seinem Personalakt anfertigen lassen, sodass davon ausgegangen werden könne, dass ihm dieser bestens bekannt sei und er über alle für ihn wichtigen Unterlagen verfüge. Überdies habe sich seit seiner Ruhestandsversetzung in seinem Personal- bzw. Pensionsakt nichts Neues ergeben. Eine neuerliche Akteneinsicht wäre sogar als eine mutwillige Inanspruchnahme der Abteilung 5 - Personal zu werten. Daher sei seinem Antrag nicht stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die Disziplinaroberkommission in einem Schreiben vom 17. Februar 2000 an die Disziplinarkommission das Vorliegen einer Disziplinaranzeige vom 17. Jänner 1994 ausdrücklich festgestellt habe und die Disziplinarkommission das Vorliegen dieser Disziplinaranzeige in einem Schreiben an den Rechtsfreund des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2000 wiederholt habe, anderseits jedoch die Rechtsabteilung 1 mit Schreiben vom 3. August 2000 die Nichtexistenz dieser Disziplinaranzeige vom 17. Jänner 1994 bestätigt habe. Die von ihm angestrebte Akteneinsicht sei einzig und allein darauf gerichtet gewesen, diese divergierenden Feststellungen zweier Behörden zu prüfen und einen allfälligen Irrtum der Rechtsabteilung 1 in ihrem eigenen Interesse aufzuklären. Der Beschwerdeführer vertrete jedoch die Rechtsansicht, dass von ihm auf Grund seiner Parteistellung - die auch von der Abteilung 5 - Personal nicht bestritten werde - der Nachweis eines rechtlichen Interesses für die Akteneinsicht überhaupt nicht erbracht zu werden brauche. Auch nach rechtskräftigem Abschluss eines Verwaltungsverfahrens habe eine Partei Anspruch auf Akteneinsicht, was z.B. wegen der allfälligen Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sinnvoll sei. Das Ende der Parteistellung sei durch jene Zeiträume festgelegt, binnen derer den Parteien nach Abschluss des Verfahrens die Erhebung außerordentlicher Rechtsmittel zustehe, soweit solche Rechtsmittel noch in Betracht kommen; insoferne verweist der Beschwerdeführer auf § 110 Abs. 2 der im Land Steiermark geltenden Dienstpragmatik, wonach die Wiederaufnahme des zu einem Disziplinarerkenntnis führenden Verfahrens bis längstens zehn Jahre nach seiner Erlassung begehrt werden könne.
§ 17 des nach § 99 DP anzuwendenden AVG lautet:
"Akteneinsicht
§ 17. (1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten kann Akteneinsicht auch im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung gestattet werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muss auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist kein Rechtsmittel zulässig."
Voraussetzung für das Recht auf Akteneinsicht ist, dass der die Akteneinsicht begehrenden Person im betreffenden Verfahren Parteistellung zukommt, wobei das Recht auf Akteneinsicht auch nach Abschluss eines Verfahrens, z.B. im Hinblick auf die allfällige Stellung eines Wiederaufnahmeantrages, zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, Zl. 87/12/0140). § 17 Abs. 4 AVG bezieht sich nur auf die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber einer in einem laufenden Verfahren teilnehmenden Partei. Wird - etwa von einer Person, die Partei eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war - ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, so ist, wenn ihrem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein förmlicher verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen (vgl. die von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Auflage 1998, unter E. 51 ff zu § 17 AVG angegebene hg. Rechtsprechung).
Das Recht auf Akteneinsicht stellt ein wesentliches prozessuales Recht der Partei des (abgeschlossenen) Verwaltungsverfahrens dar und erstreckt sich grundsätzlich auf alle Unterlagen, die sich auf ihre Sache beziehen, "Anderes", nämlich eine Beschränkung der Akteneinsicht, bestimmt im Wesentlichen nur § 17 Abs. 3 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0778). Das Bestehen des Rechts auf Akteneinsicht setzt jedoch weder voraus, dass die Unterlagen, in welche Einsicht genommen werden soll, der die Akteneinsicht begehrenden Partei noch nicht bekannt geworden sind, noch ist dem Gesetz eine Einschränkung des Rechts auf Akteneinsicht dahingehend zu entnehmen, dass die Gewährung derselben - wie offensichtlich die belangte Behörde annimmt - nur bei Darlegung eines "hinreichend dokumentierten Informationsinteresses" zustehe. Die Gewährung der Akteneinsicht kann auch nicht mit der Begründung versagt werden, seit der letzten Akteneinsicht durch die Partei habe sich nichts Neues ergeben; eine solche Beurteilung steht der gemäß § 17 AVG berechtigten Person selbst zu. Schließlich kommt auch eine "Verwirkung" des Rechts auf Akteneinsicht, was die belangte Behörde offensichtlich damit anspricht, der Beschwerdeführer habe in den Jahren von etwa 1993 bis 2000 etwa bereits fünfzigmal Akteneinsicht genommen, weshalb ihm diese nun nicht mehr gewährt werden könne, nicht in Betracht.
Ein Anhaltspunkt dafür, dass durch eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Rechts auf Akteneinsicht eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde im Sinne des § 17 Abs. 3 AVG erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich und wurde von der belangten Behörde auch nicht gegeben.
Der angefochtene Bescheid war daher als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 49 Abs. 1 VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. November 2003
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)