Normen
AdLRegOrgG 1925 §1 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art19;
DP/Stmk 1974 §113;
DP/Stmk 1974 §99;
GO LReg Stmk 1975 §1 Abs1 idF 2001/087;
LBG Stmk 1974 §2 Abs1;
L-VG Stmk 1960 §131;
AdLRegOrgG 1925 §1 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art19;
DP/Stmk 1974 §113;
DP/Stmk 1974 §99;
GO LReg Stmk 1975 §1 Abs1 idF 2001/087;
LBG Stmk 1974 §2 Abs1;
L-VG Stmk 1960 §131;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 23. März 1939 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Oberregierungsrat in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. November 1996 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 88 Abs. 1 Z. 4 der gemäß § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik 1914, RGBl. Nr. 15, i.d.F. der Landesbeamtengesetznovelle 1989 - mit einer Ruhegenussminderung in der Höhe von 15 Prozent - in den Ruhestand versetzt. Seit diesem Zeitpunkt steht der Beschwerdeführer als Oberregierungsrat in Ruhe in einem öffentlichrechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark; er ist ein dem Ruhestand angehörender Bediensteter eines Landes im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.
Mit dem an die Disziplinarkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung gerichteten Antrag vom 4. August 2001, der am 7. August 2001 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung einlangte, begehrte der Beschwerdeführer gemäß § 69 Abs. 1 AVG die Wiederaufnahme der mit den Bescheiden der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. September 1995, Zl. LAD- 08.10-11/93-40, und vom 20. September 1995, Zl. LAD-08.10-11/93-41 (betreffend seine Suspendierung und die Kürzung seiner Bezüge), und vom 7. November 1996, Zl. LAD-15.10-8/95-47 (betreffend Versetzung in den Ruhestand mit einer Ruhegenussminderung in der Höhe von 15 %), abgeschlossenen Verfahren. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag damit, dass ihm am 25. Juli 2001 Einsicht in die Akten der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung gewährt worden sei und von ihm erstmals näher angeführte Schriftstücke (nämlich eine Einladung des Vorsitzenden der Disziplinarkommission, wirkl. Hofrat Dr. K, vom 9. Juni 1993 zu einer internen Sitzung für den 21. Juni 1993, die auch an den Disziplinaranwalt-Stellvertreter, ORR DDr. Mag. Ka, ergangen sei und das Protokoll über diese interne Sitzung am 21. Juni 1993) gesichtet und ihm ausgehändigt worden seien. Damit seien neue Tatsachen (Beweise) hervorgekommen, die voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruches der angeführten Bescheide anders lautende Bescheide herbeigeführt hätten. Die Einhaltung der subjektiven Frist für die Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei mit der am 25. Juli 2001 erfolgten Einsicht in die Akten der Disziplinarkommissionen der ersten und zweiten Instanz und der dabei zur Verfügung gestellten und angeführten Beweisunterlagen gewahrt.
Mit dem angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. Februar 2002 wurde der angeführte Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 AVG i. V.m. § 99 der Dienstpragmatik als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Beschwerdeführer im Laufe seines Disziplinarverfahrens wiederholt Akteneinsicht gewährt worden sei und auch mehrfach Ablichtungen von Aktenseiten zur Verfügung gestellt worden seien. Die von ihm ins Treffen geführten Aktenbestandteile hätten ihm somit bei gehöriger Aufmerksamkeit schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt bekannt sein müssen. Aus einem Aktenvermerk vom 10. Mai 2000 gehe hervor, dass dem Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt die von ihm nun ins Treffen geführten Aktenseiten ausgehändigt worden seien. Damit sei vom Beschwerdeführer sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens außerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG, wonach der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an zu stellen sei, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt habe, gestellt worden.
Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte an den Beschwerdeführer persönlich an seine Privatadresse. Nach dem in den Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden Rückschein erfolgte ein erster Zustellversuch am 26. Februar 2002 und wurde das Schriftstück nach Hinterlegung beim Zustellpostamt am 26. Februar 2002 vom Beschwerdeführer persönlich übernommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde für rechtswidrig und begründet dies damit, dass er am 20. Februar 2002 an den Landeshauptmann von Steiermark als Vorsitzende der Steiermärkischen Landesregierung wegen Säumnis der Disziplinaroberkommission den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht hinsichtlich seines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 4. August 2001 gemäß § 73 Abs. 2 AVG gestellt habe. Dem Eingangsstempel vom 20. Februar 2002 auf diesem Antrag könne entnommen werden, dass er ihn an diesem Tage im Büro des Landeshauptmanns von Steiermark als Vorsitzende der Steiermärkischen Landesregierung eingebracht habe. Mit Wirkung vom 20. Februar 2002 sei somit die Entscheidungspflicht an die Steiermärkische Landesregierung als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde der belangten Behörde übergegangen; letztere sei daher zur Erledigung seines Antrages nicht mehr zuständig gewesen.
Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage tatsächlich ein mit 20. Februar 2002 datiertes Schreiben an die Vorsitzende der Steiermärkischen Landesregierung, Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, gerichtet, mit dem Hinweis darauf, dass die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung säumig sei und nunmehr die Steiermärkische Landesregierung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden solle. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien des Verfahrens und auch des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser Antrag als ein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG zu qualifizieren.
Der Devolutionsantrag wurde mehr als sechs Monate nach der Einbringung des Wiederaufnahmeantrags des Beschwerdeführers vom 4. August 2001 und auch vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides eingebracht.
Der Beschwerdeführer weist - angesichts des § 99 DP, der die Anwendung des AVG gebietet - zutreffend auf die Stellung der Steiermärkischen Landesregierung als sachlich in Betracht kommende - auf Grund eines Devolutionsantrages zuständige - Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG gegenüber der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung hin.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist u.a. die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nämlich jene, die - auch bei Ausschluss eines ordentlichen Rechtsmittels wie auch eines Weisungsrechts gegenüber der säumigen Behörde im Grunde des Art. 19 B-VG - gegenüber dieser zumindest eine gewisse Fach- oder Dienstaufsicht besitzt, was ihr die Stellung einer Oberbehörde im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG verleiht (vgl. insbesondere den das Verhältnis Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung betreffenden Beschluss vom 13. Mai 1981, Slg. Nr. 10 447/A, und weiters den hg. Beschluss vom 29. August 2000, Slg. Nr. 15 484/A, m.w.N.). Eine dem § 119 BDG 1979 i.d.F. der BDG-Novelle 1989 entsprechende Vorschrift enthält die Dienstpragmatik 1914 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 35/2001 nicht (vgl. § 113 DP).
Für den Erfolg der Beschwerde ist daher von entscheidender Bedeutung, ob das "Büro Landeshauptmann von Steiermark" als Einbringungsstelle der Steiermärkischen Landesregierung insoferne in Betracht kam, als die Übernahme des an die Frau Landeshauptmann als Vorsitzende der Landesregierung gerichteten Devolutionsantrages - bei gleichzeitiger Anbringung der Eingangsstampiglie "Büro Landeshauptmann von Steiermark" und einer Unterschrift - die Einbringung dieses Antrages bewirkte.
Dies wird von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift verneint. Vielmehr hätte es dem Beschwerdeführer als langjährigem rechtskundigen Bediensteten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung bekannt sein müssen, dass Einbringungsstelle für sämtliche Begehren im Zusammenhang mit Erledigungen der Landesregierung ausschließlich das Amt der Landesregierung und hier wiederum die Zentralkanzlei bzw. allenfalls die Kanzlei der Personalabteilung sei. Der Beschwerdeführer selbst habe in der Vergangenheit Anbringen großteils in der Zentralkanzlei eingebracht. "Geschäfts- bzw. Handapparat des Landeshauptmannes" sei ausschließlich das Amt der Landesregierung, jedenfalls wenn es sich um formelle, amtliche Anbringen handle.
Der Landeshauptmann ist Vorsitzender in den Sitzungen der Landesregierung (vgl. § 31 des Landes-Verfassungsgesetzes 1960, LGBl. 1, und § 1 Abs. 1 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 1975, mit der die Geschäftsordnung der Steiermärkischen Landesregierung erlassen wird, LGBl. Nr. 53, i. d.F. 87/2001) und Vorstand des Amtes der Landesregierung (vgl. § 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 30. Juli 1925 betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl. Nr. 289). Auszugehen ist davon, dass jedenfalls jene Person, die den Vorsitz in einem Kollegialorgan führt - außer dies wäre ausdrücklich anders geregelt - auch zur Entgegennahme von an das Kollegialorgan gerichteten Schriftstücken zuständig ist.
Beim Büro des Landeshauptmanns handelt es sich um eine in unmittelbarer Nähe des Landeshauptmanns eingerichtete Stelle, die dessen Unterstützung bei der Besorgung seiner Aufgaben dient; sie steht nicht außerhalb der Verwaltung, sondern ist Teil des Amtes der Landesregierung. Wenn seitens eines derartigen Hilfsorganes Schriftstücke entgegen genommen werden, dann sind sie in den Bereich des von ihm repräsentierten Organs (hier: des Landeshauptmanns von Steiermark) gelangt, die Übernahme wirkt daher unmittelbar für dieses (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0500, wo - unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1962, 1118/60, und vom 29. September 1993, 93/02/0118 - ausgeführt wird, dass nicht einzusehen wäre, warum ein zur Entgegennahme bereites Hilfsorgan für die Rechtzeitigkeit einer Eingabe weniger hätte bewirken können, als etwa ein zu diesem Zweck aufgestellter Einlaufkasten).
War aber der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers bei der gemäß § 73 Abs. 2 AVG sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde Landesregierung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits eingebracht, so hat dieser Antrag der belangten Behörde wegen Übergang der Zuständigkeit auf die Oberbehörde ihre Zuständigkeit entzogen (vgl. dazu die von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Auflage 1998, unter E 232 ff zu § 73 AVG dargestellte hg. Rechtsprechung), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG.
Wien, am 20. November 2003
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