VwGH 93/02/0118

VwGH93/02/011829.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in O, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssensates des Landes Oberösterreich vom 5. April 1993, Zl. VwSen-101076/5/Weg/Ri, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in Angelegenheit Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs5;
AVG §13 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft vom 12. November 1992 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach dem KFG für schuldig befunden und hiefür bestraft. Der dagegen erhobene Einspruch wurde mit Bescheid dieser Erstbehörde vom 5. Jänner 1993 als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 1993 wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben, denen nicht entgegengetreten werde, den Einspruch am letzten Tag der Frist um 21.45 Uhr in den Briefschlitz beim Haupteingang der Bezirkshauptmannschaft eingeworfen. Zur Entgegennahme von schriftlichen Eingaben sei die Behörde gemäß § 13 Abs. 5 AVG nur während der Amtsstunden verpflichtet. Am 9. Dezember 1992, mit dessen Ablauf die Einspruchsfrist geendet habe, hätten die (im übrigen durch Anschlag kundgemachten) Amtsstunden um 12.30 Uhr geendet. Der Einwurf des Schriftstückes sei somit außerhalb der Amtsstunden erfolgt, sodaß die Behörde zur Entgegennahme nicht mehr verpflichtet gewesen sei und auch das Schriftstück nicht entgegengenommen habe, auch wenn es durch den Einwurf in den Briefschlitz in die örtliche Sphäre der Behörde gelangt sei. Die Bereitschaft zur Entgegenahme von Schriftstücken werde von der Behörde damit bekundet, daß eine Person (der Behörde) dieses Schriftstück entgegennehme und mit einem Eingangsdatum versehe. Da die Behörde diese Bereitschaft, zu der sie auch nicht verpflichtet sei, nicht gezeigt habe, indem das Amtsgebäude nach den Amtsstunden geschlossen worden und keine Person zur Entgegennahme des Schriftstückes anwesend gewesen sei, gelte das Schriftstück erst mit dem 10. Dezember 1992 eingebracht, was dessen verspätete Einbringung bedeute.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Nach § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde zur Entgegennahme mündlicher Anbringen, außer bei Gefahr in Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit, zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben nur während der Amtsstunden verpflichtet. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind bei der Behörde durch Anschlag kundzumachen.

Diese Bestimmung besagt somit nur, daß die Behörde NICHT VERPFLICHTET ist, Anbringen außerhalb der Amtsstunden entgegenzunehmen (siehe zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 13 Abs. 2 AVG 1950 das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1982, Zl. 81/01/0291). Durch einen bei der Behörde angebrachten Einlaufkasten wird allerdings - sofern nicht Gegenteiliges ersichtlich ist - keineswegs zum Ausdruck gebracht, daß die Behörde außerhalb der Amtsstunden nicht bereit sei, das Anbringen auf diesem Wege entgegenzunehmen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. Juni 1962, Slg. Nr. 5833/A, auf welches der Beschwerdeführer zutreffend verweist, folgendes zum Ausdruck gebracht: Bringe eine Behörde einen Einlaufkasten an, so dürfe, sofern man von der auf die Erfahrungen des täglichen Lebens gestützten Auffassung über den Verkehr zwischen Behörden und Parteien ausgehe, die Partei, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehme, wohl im allgemeinen annehmen, daß eine Eingabe, bei deren Übersendung sie sich nicht der Post bediene, auch dann als bei der Behörde eingebracht gelte, wenn sie in den Einlaufkasten, dessen Zweck ja nur darin bestehen könne, die für die Behörde bestimmten Sendungen aufzunehmen, eingeworfen werde.

Im vorliegenden Beschwerdefall war ein gegenteiliger Hinweis, der einem solchen Vertrauen der Partei entgegenstünde, nach der Aktenlage beim gegenständlichen Briefschlitz nicht vorhanden.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war es nicht erforderlich, daß für die Bekundung der "Bereitschaft" der Behörde, ein Schriftstück entgegenzunehmen, eine Person dieses entgegennimmt und mit einem Eingangsdatum versieht. Soweit die belangte Behörde schließlich in der Gegenschrift vorbringt, der Briefschlitz beim Haupteingang der Bezirkshauptmannschaft weise keine Kennzeichnung bzw. Beschriftung auf und sei nicht als Einlaufkasten anzusehen, zumal er nicht für Eingaben von Parteien, sondern zur Erleichterung des amtsinternen Postverkehrs errichtet worden sei, ist der belangten Behörde - ungeachtet des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes - zu entgegnen, daß sie damit selbst nicht behauptet, eine mangelnde Bestimmung dieses Briefschlitzes zur Aufnahme von Parteieingabenn sei erkennbar.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie im Instanzenzug den eingangs erwähnten Einspruch des Beschwerdeführers als verspätet zurückwies. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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