Normen
ADV §20 Abs1;
ADV §20 Abs4;
ADV §20 Abs9;
AVG §1;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs5;
AVG §63 Abs5;
HDG 1985 §36 Abs1;
HDG 1985 §61 Abs1;
HDG 1985 §62 Abs1;
HDG 1985 §62 Abs2;
ADV §20 Abs1;
ADV §20 Abs4;
ADV §20 Abs9;
AVG §1;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs5;
AVG §63 Abs5;
HDG 1985 §36 Abs1;
HDG 1985 §61 Abs1;
HDG 1985 §62 Abs1;
HDG 1985 §62 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 1. April 1993 bis zum 30. November 1993 seinen ordentlichen Präsenzdienst, wobei er ab dem 17. Mai 1993 als Grundwehrdiener der Stabskompanie der Heeresversorgungsschule in Wien 14 angehörte.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Kommandanten dieser Stabskompanie vom 26. Juli 1993 wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe des Ausgangsverbotes in der Dauer von sieben Tagen verhängt, weil er (laut Führungsblatt) 1. vom 17. Juli 1993 6.00 Uhr bis 18. Juli 1993 3.00 Uhr unerlaubt abwesend gewesen sei, 2. am 26. Juli 1993 um 8.00 Uhr die Meldepflicht verabsäumt habe und 3. drei Mal (am 21. Juli 1993, 23. Juli 1993 und 27. Juli 1993) beim befohlenen Truppenarzttermin nicht erschienen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine mit 29. Juli 1993 datierte Berufung, in welcher er eine mündliche Verhandlung beantragte und gleichzeitig einen Verteidiger für die Berufungsinstanz namhaft machte. Diese schriftliche, an den Einheitskommandanten als Disziplinarbehörde erster Instanz adressierte Berufung gab der Beschwerdeführer noch am 29. Juli 1993 um 20.45 Uhr bei der Charge vom Tag, Whm E, ab, welche ihm versicherte, die Berufung am 30. Juli 1993 an den Einheitskommandanten weiterzuleiten.
In der Folge wurden der Beschwerdeführer und sein Verteidiger vom Vertreter des Schulkommandanten der Heeresversorgungsschule als Berufungsinstanz zu einer Verhandlung am 9. August 1993 zwecks Behandlung der Berufung geladen. In dieser Verhandlung wurde aber auf diese Berufung nicht meritorisch eingegangen, sondern sie wurde mit mündlichem Bescheid der belangten Behörde mit der Begründung als verspätet zurückgewiesen, daß die Einbringung der Berufung auf die vom Beschwerdeführer vorgenommene Weise unzulässig sei, die Berufung sei erst am 30. Juli 1993 und daher nach Ablauf der dreitägigen Berufungsfrist bei der belangten Behörde eingebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Erledigung der seiner Meinung nach rechtzeitig eingebrachten Berufung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit dem oben beschriebenen Inhalt am 9. August 1993 mündlich verkündet hat.
Der angefochtene Bescheid ist im Kommandantenverfahren (§§ 55 ff des Heeresdisziplinargesetzes 1985 - HDG) ergangen. In diesem Verfahren können Disziplinarerkenntnisse gemäß den §§ 61 Abs. 1 und 62 Abs. 2 HDG mündlich oder schriftlich ergehen. Ein Fall des § 61 Abs. 1, zweiter Satz, HDG liegt nicht vor, so daß Schriftlichkeit nicht geboten war. Die Berufungsfrist betrug nach dem 1. Satz des § 62 Abs. 1 HDG im Beschwerdefall drei Tage.
Gemäß dem ersten Satz des § 36 Abs. 1 HDG ist die Berufung von der Partei schriftlich, telegraphisch, fernschriftlich oder mündlich bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Der Beschwerdeführer hat seine Berufung unbestritten am letzten Tag der ihm offen gestandenen Berufungsfrist an die vom Einheitskommandanten an diesem Tag eingesetzte Charge vom Tag übergeben, von der dem Beschwerdeführer kein Hinweis auf eine Verspätung seines Rechtsmittels gegeben wurde, die daraus folgen würde, daß die Berufung erst am folgenden Tag dem Einheitskommandanten übergeben würde.
Der Dienst vom Tag ist gemäß § 20 Abs. 1 ADV von den Soldaten vom Tag zu leisten. Diese haben als Gehilfen des jeweiligen Kommandanten diesen in seinem Dienstbereich zu unterstützen. Sie sind in ihrem Dienstbereich Vorgesetzte aller Soldaten mit gleichem oder niedrigerem Dienstgrad. Die Soldaten vom Tag haben sich nach dem ersten Satz des § 20 Abs. 4 ADV während des Dienstes in ihrem Dienstbereich zur Verfügung ihres Kommandanten zu halten. Die Chargen vom Tag unterstehen nach § 20 Abs. 9 ADV für die Dauer ihres Dienstes ihrem Einheitskommandanten sowie dem Offizier vom Tag
- gegebenenfalls im Wege eines Unteroffiziers vom Tag - in deren jeweiligem Befehlsbereich. Sie haben für die militärische Ordnung und Sicherheit in ihrem Dienstbereich sowie für die Erfüllung der ihnen sonst vom Einheitskommandanten zugewiesenen besonderen Aufgaben zu sorgen.
Die belangte Behörde geht in ihrer Gegenschrift zutreffend davon aus, daß die Berufung beim Einheitskommandanten einzubringen war. Diesem stehe eine eigene Kanzlei zur Verfügung, welche auch Montag bis Freitag während der Normdienstzeit - d.i. von 7.30 bis 16.00 Uhr - Einbringungsstelle für Eingaben sei. Schriftstücke müßten von der Behörde gemäß § 13 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 24 HDG nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden. Der Beschwerdeführer irre, wenn er die Charge vom Tag als Einlaufstelle des Einheitskommandanten ansehe. Eine konkrete Anweisung an die Charge vom Tag, Disziplinarangelegenheiten zu besorgen, habe der Einheitskommandant nicht verfügt, dies gehöre daher nicht zu ihren Dienstobliegenheiten.
Diese Auffassung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Charge vom Tag auf Grund der einschlägigen Vorschriften als Hilfsorgan des jeweiligen Kommandanten agiert, nicht anders als etwa ein Amt der Landesregierung für den Landeshauptmann oder weisungsgebundene Beamte für einen Minister. Wenn seitens eines derartigen Hilfsorganes Schriftstücke entgegengenommen werden, dann wirkt dies unmittelbar für das von ihnen repräsentierte monokratische Organ. Anderenfalls wären etwa auch bei einem Amt der Landesregierung oder bei einer einem Minister direkt unterstellten Organisationseinheit überreichte und entgegengenommene Eingaben erst mit dem Zeitpunkt als eingebracht anzusehen, in dem sie dem Landeshauptmann oder dem Minister persönlich zukommen. Es wäre auch nicht einzusehen, warum ein zur Entgegennahme bereites und über die "Normdienstzeit" hinaus zur Verfügung stehendes Hilfsorgan der Disziplinarbehörde für die Rechtzeitigkeit der betreffenden Eingabe weniger bewirken können sollte als etwa ein zu diesem Zweck aufgestellter Einlaufkasten (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1962, 1118/60, und vom 29. September 1993, 93/02/0118). In gleicher Weise verfehlt erscheint die von der belangten Behörde im Beschwerdefall vertretene Auffassung mit Rücksicht darauf, daß die Berufung trotz des Postlaufes rechtzeitig eingebracht gewesen wäre, wenn der Beschwerdeführer sie am letzten Tag der Frist auf einem Postamt aufgegeben hätte, während ihre unmittelbare Abgabe bei einem ausdrücklich zur Unterstützung des Kommandanten bestimmten Hilfsorgan diese Wirkung nicht haben sollte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch keine Möglichkeit, Disziplinarangelegenheiten generell von dem in § 20 Abs. 9 ADV umschriebenen Bereich der "militärischen Ordnung und Sicherheit" auszunehmen. Einer ausdrücklichen Betrauung der Charge vom Tag mit der Aufgabe, allfällige Disziplinarangelegenheiten betreffende Schriftstücke entgegenzunehmen, bedurfte es daher entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung nicht.
Anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Gegenschrift zitierten Literaturstelle (Schwabl-Chilf, Disziplinarrecht2, Anm. 4 zu § 36 HDG), denn auch dort ist nicht von der Verspätung einer Berufung die Rede, die innerhalb der Frist bei der dafür gemäß § 36 Abs. 1 HDG zuständigen Behörde eingebracht worden ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, wobei bei dieser Sach- und Rechtslage von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Kostenverzeichnis des Beschwerdeführers enthaltene Beträge für Einheitssatz und Umsatzsteuer, deren gesonderte Verzeichnung neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand das Gesetz nicht vorsieht.
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