VwGH 2002/01/0229

VwGH2002/01/022925.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. April 2002, Zl. 2.11.C/57 - 94/25, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Normen

FlKonv Art1 AbschnA;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11;
FlKonv Art1 AbschnA;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines 1952 geborenen rumänischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und seinen minderjährigen Sohn gemäß § 10 Abs. 1 und §§ 11, 16, 17 und 18 iVm § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 14. Dezember 1989 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, weshalb er das Erfordernis der zehnjährigen Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfülle. "Der Vollständigkeit wegen" werde angeführt, dass ihm mit 10. Jänner 1991 die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention zuerkannt worden sei, auch seine Familienmitglieder seien im Besitz eines Konventionsreisepasses. Aus der Versicherungszeitenbestätigung für den Beschwerdeführer gehe hervor, dass er im Zeitraum 15. Jänner 1990 bis 11. Dezember 2001 insgesamt fünf Jahre und neun Monate keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Seit 1. Oktober 2001 sei der Beschwerdeführer bei einem namentlich genannten Unternehmen als Arbeiter beschäftigt. Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, besuche sein Sohn eine Schule im Ausland und befinde sich derzeit auch seine Ehegattin im Ausland, da sie für "Amway" arbeite. Eine zu diesen Ermittlungsergebnissen eingebrachte Stellungnahme vom 26. März 2002 - dem Beschwerdeführer war mit Schreiben vom 27. Februar 2002, zugestellt am 4. März 2002, Gelegenheit zur Äußerung binnen zwei Wochen eingeräumt worden - sei "als verspätet zurückzuweisen" gewesen.

Insbesondere auf Grund der "Arbeitslosenzeiten" von insgesamt fünf Jahren und neun Monaten - vom 22. März 1995 bis 15. Juni 1998 sei der Beschwerdeführer über drei Jahre durchgehend in Österreich ohne Beschäftigung gewesen, auch noch in der Zeit vom 5. September 2000 bis einschließlich 30. September 2001 sei er keiner Beschäftigung nachgegangen - sei zu erkennen, dass die berufliche Integration des Beschwerdeführers noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen sei. Weiters könne eine persönliche Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht erkannt werden, weil sein Sohn im Ausland eine Schule besuche und seine Ehegattin dort einer Beschäftigung nachgehe; sohin liege der Lebensmittelpunkt der gesamten Familie nicht in Österreich. Insgesamt sei somit die gebotene Ermessensentscheidung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers zu treffen gewesen, was auch die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach sich ziehen müsse.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG jedoch nicht zu seinen Gunsten üben könne. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine berufliche und persönliche Integration im Inland nachzuweisen.

Indem die belangte Behörde auf die persönliche und berufliche Integration des Beschwerdeführers abstellte, ist sie den jedenfalls seit der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998 das StbG prägenden Ordnungsvorstellungen grundsätzlich gerecht geworden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258). Ihre Beurteilung der konkreten Integration des Beschwerdeführers ist allerdings im vorliegenden Fall nicht mängelfrei erfolgt. Zunächst ist ihr anzulasten, dass sie das in der Stellungnahme vom 26. März 2002 erstattete Vorbringen nicht unberücksichtigt lassen durfte. Dass der Beschwerdeführer diese Stellungnahme erst nach Ablauf der ihm eingeräumten zweiwöchigen Äußerungsfrist abgegeben hat, berechtigte die belangte Behörde nicht, über das in der Stellungnahme enthaltene Vorbringen hinwegzusehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 45 AVG unter E 500. ff. zitierte hg. Judikatur). Die - nur in der Begründung des bekämpften Bescheides erfolgte - "Zurückweisung" der besagten Stellungnahme war somit verfehlt. Aus dem darin enthaltenen Vorbringen ist insbesondere von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer während der ihm von der belangten Behörde vorgeworfenen beschäftigungsfreien Zeiträume den Unterhalt für sich und seine Familie bei der Firma "Amway" verdient habe. Damit hat er offenkundig eine selbständige Erwerbstätigkeit behauptet, die im bekämpften Bescheid keine Berücksichtigung gefunden hat. Da dem StbG keine Präferenz für eine bestimmte Form der Erwerbstätigkeit entnehmbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2002/01/0002), hätte die belangte Behörde bei Bedachtnahme auf diese Tätigkeit gegebenenfalls - je nach Art ihrer Gestaltung - vom Vorliegen eines höheren Grades der beruflichen Integration des Beschwerdeführers ausgehen können.

Unter dem Gesichtspunkt persönlicher Integration trifft es zu, dass sich der (berufsbedingte) Aufenthalt der Ehegattin des Beschwerdeführers sowie der Schulbesuch seines Sohnes in Ungarn insoweit mindernd auswirken. Stark zu Gunsten des Beschwerdeführers fällt indes in diesem Zusammenhang ins Gewicht, dass - nach der Aktenlage mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. Jänner 1991 - festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Dieser Umstand hätte im Rahmen der Ermessensübung nach § 11 StbG Berücksichtigung finden müssen (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0121, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Demgegenüber ist dieser Umstand offenkundig nicht in die behördlichen Erwägungen eingeflossen, hat sich die belangte Behörde doch - im Rahmen der getroffenen Feststellungen - damit begnügt, "der Vollständigkeit wegen" anzuführen, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei; eine abwägende Beurteilung ist dieser Feststellung nicht zu entnehmen. Ebenso wenig kann dem bekämpften Bescheid entnommen werden, dass die nach der Aktenlage "guten" Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers in irgendeiner Form in die Ermessensübung miteinbezogen worden wären.

Insgesamt ergibt sich nach dem Gesagten, dass die Ermessensentscheidung der belangten Behörde fehlerhaft ist. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 25. März 2003

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