VwGH 2001/10/0077

VwGH2001/10/007725.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des I in N, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 55, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 13. März 2001, Zl. E 010/01/2001.005/002, betreffend Übertretung des Burgenländischen Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §3;
NatSchG Bgld 1990 §5 lita Z1;
NatSchG Bgld 1990 §78 Abs1 lita;
NatSchG Bgld 1990 §78 Abs1 litb;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs2 idF 1996/066;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs8 idF 1996/066;
VStG §44a Z2;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §3;
NatSchG Bgld 1990 §5 lita Z1;
NatSchG Bgld 1990 §78 Abs1 lita;
NatSchG Bgld 1990 §78 Abs1 litb;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs2 idF 1996/066;
NatSchG Bgld 1990 §81 Abs8 idF 1996/066;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt,

"er habe, wie anlässlich einer naturschutzbehördlichen Überprüfung am 09.06.1999 festgestellt wurde, auf dem Grundstück Nr. 5757/111 der KG N., das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als 'Bauland-Erholung-Fremdenverkehr' ausgewiesen sei und im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Neusiedler See liege, ein Gebäude, und zwar ein Bootshaus im Ausmaß von ca. 7 x 10 m errichtet, ohne im Besitz einer naturschutzbehördlichen Bewilligung gewesen zu sein."

Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, er habe damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 78 Abs. 1 lit. a iVm § 5 lit. a Z. 1 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 (in der Folge: Bgld NatSchG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 66 Stunden) verhängt.

Nach der Begründung liege das im Spruch genannte Grundstück in einem Gebiet, das mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt worden sei (Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee, LGBl. Nr. 22/1980, in der Folge: NatLSchV). Der Beschwerdeführer habe auf dem als "Bauland-Erholung-Fremdenverkehr" ausgewiesenen Grundstück ein Bootshaus errichtet, ohne im Besitz einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zu sein. Nach dem Einleitungssatz des § 5 Bgld NatSchG bedürften im Einzelnen angeführte Vorhaben, zu denen auch die Errichtung von Gebäuden zähle, auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan nicht als "Wohn-, Dorf-, Geschäfts-, Industrie- und Betriebsgebiete, gemischte Baugebiete oder als Verkehrsflächen" ausgewiesen seien, einer naturschutzbehördlichen Bewilligung. Da die Widmungskategorie des gegenständlichen Grundstückes im Einleitungssatz des § 5 nicht genannt sei, erfordere die Errichtung eines Bootshauses eine naturschutzbehördlichen Bewilligung. Dabei komme es nicht darauf an, ob für dieses Gebiet ein Teilbebauungsplan der Gemeinde vorliege oder dieser Bereich auch nur eine "eingeschränkte landschaftliche Sensibilität" aufweise. Vielmehr obliege es der Naturschutzbehörde, im Einzelfall zu prüfen, ob das beantragte Gebäude im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes genehmigt werden könne. Unter diesen Umständen sei der Beschwerdeführer verpflichtet, vor Errichtung des Bootshauses eine naturschutzbehördliche Bewilligung einzuholen. Dies habe er jedoch unterlassen, womit er in objektiver Hinsicht die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung verwirklicht habe.

Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verwaltungsübertretung stelle ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt (§ 5 Abs. 2 zweiter Satz VStG) dar. Bei einem solchen Delikt bestehe von vornherein die Vermutung des Verschuldens des Täters (in Form fahrlässigen Verhaltens), welches von diesem in der Weise widerlegt werden könne, dass er sein mangelndes Verschulden glaubhaft mache. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer aber nichts Zweckdienliches vorgebracht. Er habe vielmehr nur darauf verwiesen, von der Baubehörde nicht darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass er neben der Baubewilligung auch eine naturschutzbehördliche Bewilligung benötige. Darauf sei zu erwidern, dass gemäß § 5 Abs. 2 VStG Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwider gehandelt habe, ihn nur dann entschuldige, wenn die Unkenntnis erwiesenermaßen unverschuldet sei und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht habe einsehen können. Eine solche Glaubhaftmachung sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Er habe nämlich in keiner Weise dargetan, dass er sich durch eine Anfrage bei der zuständigen Behörde darüber vergewissert habe, ob er für die Errichtung des Bootshauses eine naturschutzbehördliche Bewilligung benötige. Gerade der Umstand, dass das gegenständliche Grundstück im Natur- und Landschaftsschutzgebiet liege, hätte dem Beschwerdeführer, der in diesem Bereich mehrere Grundstücke besitze, hinreichend bekannt sein müssen. Er selbst habe angegeben, im Jahre 1998 betreffend dieses Grundstück ein Verfahren bei der Naturschutzbehörde betreffend die Uferbefestigung habe durchführen lassen. Damit hätte ihm aber klar sein müssen, dass sein Grundstück in einem Bereich liege, in dem naturschutzbehördliche Interessen wahrzunehmen seien. Es komme nicht darauf an, ob ihn die Baubehörde auf das Erfordernis einer naturschutzbehördlichen Bewilligung aufmerksam gemacht habe oder nicht. Vielmehr müsse sich der Beschwerdeführer als Bauherr von sich aus um die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften kümmern.

Wenn der Beschwerdeführe vorbringe, die Naturschutzbehörde habe ihm hinsichtlich anderer Grundstücke im Jahre 1996 schriftlich mitgeteilt, dass die dort vorgesehene Anschüttung keine naturschutzbehördlichen Bewilligung erfordere, so sei ihm entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Fall nicht um eine Anschüttung, sondern um die Errichtung eines Gebäudes gehe. Im Übrigen habe die Naturschutzbehörde bei der erwähnten Anschüttung nur deshalb von einer Bewilligungspflicht abgesehen, weil die Grundstücke schon angeschüttet gewesen seien, weshalb eine weitere Anschüttung keinen Eingriff mehr dargestellt habe.

Die der Bestrafung zu Grunde liegende Handlung schädige in nicht unerheblichem Maße das an der Einhaltung der natur- und Landschaftsschutzrechtlichen Bestimmungen bestehende Interesse, dem die Strafdrohung diene. Das gegenständliche Grundstück liege im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Neusiedler See, in dem jede - auch zulässige - Bebauung im Interesse des Landschafts- und Naturschutzes genauestens geprüft werden müsse. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat könne selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden. Dass dem Beschwerdeführer nachträglich die naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt worden sei, habe keinerlei Einfluss auf das Verschulden; auch liege darin kein Milderungsgrund. Bei der Strafbemessung sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zukomme. Erschwerend sei zu werten, dass der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die Vielzahl naturschutzbehördlicher Verfahren, die er "beantragt" habe, hätte wissen müssen, dass er auch für das vorliegende Bootshaus einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürfe. Er habe daher zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz und den Unrechtsgehalt der Tat sei mit Rücksicht auf den Erschwerungsgrund die verhängte Strafe selbst bei Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse als durchaus angemessen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück in dem in § 1 der oben genannten Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 16. Juli 1980 (NatLSchV) bezeichneten Gebiet liegt. Diese Verordnung gilt gemäß § 81 Abs. 2 Bgld NatSchG als landesgesetzliche Regelung weiter. Gemäß § 3 NatLSchG bedürfen Bauvorhaben aller Art einer Genehmigung der Landesregierung.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid einen Verstoß gegen § 78 Abs. 1 lit. a iVm § 5 lit. a Z. 1 Bgld NatSchG zum Vorwurf gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung mit dem Verhältnis von NatLSchV und Bgld NatSchG unter Hinweis auf die Übergangsbestimmungen des § 81 Blgd NatSchG idF der Novelle LGBl. Nr. 66/1996 bereits mehrfach auseinandergesetzt. Er hat dabei in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2002, Zl. 99/10/0193, u. a. die Auffassung vertreten, dass die Verbotstatbestände der NatLSchV (vgl. § 2) wieder in Geltung stehen. Hinsichtlich der Bewilligungstatbestände der NatLSchV (§ 3) hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2002/10/0048, die Auffassung vertreten, dass diese Bestimmungen nach wie vor in Geltung stehen. Auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, dass in dem in § 1 NatLSchV bezeichneten Gebiet gemäß § 3 NatLSchV Bauvorhaben aller Art weiter einer Genehmigung der Landesregierung bedürfen.

Gemäß § 81 Abs. 8 Bgld NatSchG sind Zuwiderhandlungen gegen Verordnungen, die nach Abs. 2 als landesgesetzliche Regelungen weiter gelten, nach § 78 zu bestrafen.

Der Beschwerdeführer hat das Bootshaus ohne naturschutzbehördliche Bewilligung errichtet; damit lag ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 lit. b Bgld NatSchG iVm § 3 NatLSchV vor.

Indem die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers in Verkennung der Rechtslage dem Burgenländischen Naturschutzgesetz unterstellte und eine Verwaltungsübertretung nach § 78 Abs. 1 lit. a iVm § 5 lit. a Z. 1 annahm, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/18/0040).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2003

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