Normen
ABGB §140;
ABGB §141;
ABGB §142;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
USchG 1985 §1;
ABGB §140;
ABGB §141;
ABGB §142;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
USchG 1985 §1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 908 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 15. April 1966 geborene Beschwerdeführer stellte am 13. November 1996 durch seinen Sachwalter den Antrag auf Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe. Im Antrag wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer bewohne eine Gemeindewohnung in Graz, die Zugehörigkeit zum Haushalt der Eltern sei nicht mehr gegeben, weshalb die Familienbeihilfe ihm zustehe.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1998, RV-152.97/1-9/97, wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes ab, mit welchem der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe als unbegründet abgewiesen worden war. Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG hätten Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisteten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befänden, Anspruch auf Familienbeihilfe. Wesentliche Kriterien für das Vorliegen einer Heimerziehung bestünden darin, dass sich das Kind nicht um alle allgemeinen Dinge der Lebensführung zu kümmern brauche, einer gewissen Reglementierung des Tagesablaufes und einer regelmäßigen Aufsicht unterliege und ihm - soweit erforderlich - eine regelmäßige Pflege gewährt werde. Diese Voraussetzungen einer Heimerziehung seien im Beschwerdefall erfüllt. Deshalb gebühre dem Beschwerdeführer auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs 5 FLAG keine Familienbeihilfe.
Mit Erkenntnis vom 17. Mai 2000, 98/15/0053, hob der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Strittig sei, ob sich der Beschwerdeführer ab 1. Juli 1997 in Heimerziehung befunden habe. Wenn eine Person (gemeinsam mit einer zweiten) als Mieter eine Gemeindewohnung bewohne, könne in einem besonders gelagerten Ausnahmefall das Tatbestandsmerkmal der Heimerziehung erfüllt sein. Bei einer nur wenige Stunden pro Woche umfassenden Betreuung des Wohnungsmieters könne aber von einer Heimerziehung keine Rede sein. Der angefochtene Bescheid sei sohin, weil die belangte Behörde beim gegebenen Sachverhalt zu Unrecht von einer "Heimerziehung" ausgegangen sei, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Im fortgesetzten Verfahren werde die belangte Behörde auch Sachverhaltsfeststellungen zur Frage des Unterhaltsanspruches des Beschwerdeführers gegenüber seinen Eltern zu treffen haben (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, 95/13/0007).
Die belangte Behörde stellte im fortgesetzten Verfahren Erhebungen zur Beurteilung des Unterhaltsanspruches des Beschwerdeführers an.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung erneut als unbegründet ab. Der Beihilfenanspruch eines Kindes nach § 6 Abs 5 FLAG setze voraus, dass dieses einen Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern habe. Der Vater des Beschwerdeführers beziehe monatlich eine Alterspension von ca 6000 S und eine Ausgleichszulage von ebenfalls ca 6000 S. Der Beschwerdeführer erhalte Zahlungen nach § 9 des Steiermärkischen Behindertengesetzes, LGBl. 316/1964, von monatlich 8.235 S zuzüglich zweier Sonderzahlungen von 6.035 S. Seine Lebensführung werde zur Gänze aus diesen öffentlichen Mitteln bestritten. Der Oberste Gerichtshof habe im Urteil vom 16. September 1982, 8 Ob 548/82, zu Recht erkannt, dass einem Kind, das aus Mitteln der Sozialhilfe nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz erhalten werde, jedenfalls dann kein Unterhaltsanspruch gegen eine unterhaltsverpflichtete Person zustehe, wenn ein Regressanspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber dieser Person nicht gegeben sei. Auch im gegenständlich Fall werde der Beschwerdeführer zur Gänze aus Mitteln der "Sozialhilfe", nämlich einer Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz, erhalten. Ein Regressanspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber der grundsätzlich unterhaltsverpflichteten Person bestehe nicht. Solcherart bestehe eine Unterhaltsanspruch des Beschwerdeführers gegenüber seinen Eltern nicht, und zwar ungeachtet des Einkommens des Vaters und der in den Raum gestellten Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit der Mutter. Das Fehlen des Unterhaltsanspruches stehe einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Grunde des § 6 Abs 5 FLAG entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 5 FLAG geht, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. September 1995, 95/13/0007, zum Ausdruck gebracht hat, vom aufrechten Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern der anspruchswerbenden Person aus. Dafür spreche schon die Wortinterpretation zufolge Verwendung der Worte "Unterhalt leisten" im geltenden Gesetzestext, weil dieser der Terminologie des Zivilrechtes (§§ 140, 141, 142 ABGB, § 1 Unterhaltsschutzgesetz 1985) entnommene Begriff in seiner dem Zivilrecht entsprechenden Verwendung das Bestehen einer gesetzlichen Pflicht zur Unterhaltsleistung voraussetzt.
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 vermittelt somit grundsätzlich nur solange einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, als von einer aufrechten Unterhaltspflicht der Eltern auszugehen ist, was im damaligen Beschwerdefall 95/13/0007 "angesichts der Höhe" der bezogenen Beschädigtenrente zu verneinen war. Im Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, 99/14/0320, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, es werde in § 6 Abs. 5 leg. cit. explizit und speziell geregelt und auf Fälle der Heimerziehung auf Kosten der Sozialhilfe beschränkt, wann der Bezug von "Sozialhilfe" im gegebenen Zusammenhang beihilfenschädlich sei. Dem Gesetz sei zu entnehmen ist, dass die Sozialhilfe - sofern sie nicht zur Gänze eine Heimerziehung finanziere - bei der (beihilfenrechtlichen) Prüfung eines aufrechten Unterhaltsanspruchs des Unterhaltsberechtigten auszuklammern sei.
Da im gegenständlichen Fall keine Heimerziehung vorliegt (§ 63 VwGG), der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch aber lediglich im Hinblick auf solche öffentliche Mittel, die ihrem Charakter nach eine "Sozialhilfe" darstellen (an das Unterschreiten einer bestimmten Einkommenshöhe gebundene "Hilfe zum Lebensunterhalt" nach § 9 des Steiermärkischen Behindertengesetzes), nicht gegeben ist, gebührt dem Beschwerdeführer im Grunde des § 6 Abs 5 FLAG die Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Der angefochtene Bescheid war somit, weil die belangte Behörde den Bezug der öffentlichen Mittel als beihilfenschädlich angesehen hat, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. Juli 2003
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