VwGH 99/18/0405

VwGH99/18/040518.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1978, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. September 1999, Zl. SD 772/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines Antrages auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §33 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §35 Abs2;
AVG §33 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §35 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid die Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 8. Juli 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 1. Juli 1999 auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, das gegen ihn mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. Oktober 1998 unbefristet erlassen worden war, gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 35 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 1999 wurde die gegen den vorgenannten Bescheid vom 8. Juli 1999 erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 63 Abs. 5 leg. cit. als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Bescheid vom 8. Juli 1999 dem Beschwerdeführer am 27. August 1999 durch Übergabe einer Ausfertigung zugestellt worden sei, dieser die Übernahme des Bescheides im Beisein einer Dolmetscherin eigenhändig bestätigt habe und die zweiwöchige Rechtsmittelfrist demnach am 10. September 1999 geendet habe. Da die Berufung erst am 13. September 1999 zur Post gegeben worden sei, sei sie als verspätet zurückzuweisen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 und 3 VwGG - somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, und beginnt die Frist für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall mündlicher Verkündung mit dieser.

Nach § 33 Abs. 3 leg. cit. werden die Tage des Postlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

Nach hg. Rechtsprechung erfolgt die Beförderung durch die Post auf Gefahr des Absenders. Wenn auch gemäß § 33 Abs. 3 leg. cit. die Tage des Postlaufes in eine Frist nicht eingerechnet werden, setzt dies doch voraus, dass die Eingabe überhaupt bei der Behörde einlangt (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 33 AVG E 12 zitierte Judikatur).

2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass dem Beschwerdeführer der erstinstanzliche Bescheid vom 8. Juli 1999 am 27. August 1999 übergeben wurde, sie bringt jedoch vor, dass er innerhalb offener Rechtsmittelfrist die Berufung vom 7. September 1999 erhoben habe, wobei er diese am 8. September 1999 zur Post gegeben habe. Die Erstbehörde habe den Beschwerdeführer mit 9. September 1999 um Beibringung von fehlenden Bundesstempelmarken ersucht, und er sei dieser Aufforderung durch Postaufgabe am 13. September 1999 nachgekommen. Die belangte Behörde habe offensichtlich dieses Datum mit jenem der Berufungserhebung verwechselt.

Mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer die Kopien einer mit 7. September 1999 datierten, an die Erstbehörde adressierten und gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufungsschrift und eines Postaufgabescheines vor, auf dem als Empfänger die Erstbehörde und ein mit 8. September 1999 datierter Stempelabdruck des Postamtes 1050 Wien aufscheinen. Ferner legte der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren auf Grund der diesbezüglichen, mit hg. Verfügung vom 28. Juni 2002 an ihn ergangenen Aufforderung den vorgenannten Aufgabeschein, ein mit 9. September 1999 datiertes Schreiben der Erstbehörde an den Beschwerdeführer wegen Verletzung der Gebührenvorschriften und einen (weiteren) Postaufgabeschein, auf dem als Empfänger die Erstbehörde und ein mit 13. September 1999 datierter Stempelabdruck des Postamtes 1014 Wien aufscheinen, jeweils im Original vor. Laut diesem Schreiben der Erstbehörde vom 9. September 1999, das dieselbe Geschäftszahl wie der erstinstanzliche Bescheid vom 8. Juli 1999 trägt, leide die Eingabe des Beschwerdeführers vom 7. September 1999 an einem Stempelgebrechen.

3. Die Rechtsfrage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist auf Grund von Tatsachen zu entscheiden, die die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen festzustellen hat. Der Berufungswerber ist nicht verpflichtet, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist der Partei Gelegenheit zu geben, vom Ermittlungsergebnis jene Tatsachen betreffend, auf deren Grundlage die Frage der Rechtzeitigkeit oder Verspätung der Berufung zu beantworten ist, Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Rechtsmittelbehörde hat daher das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist ausgeht, diese Feststellung aber dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, aaO, zu § 63 AVG E 255 und 257 zitierte hg. Judikatur).

4. Der belangten Behörde, die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten dem Beschwerdeführer die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist vor Erlassung des die Berufung zurückweisenden Bescheides nicht vorgehalten hat, ist somit ein Verfahrensfehler unterlaufen, wobei im Hinblick auf die Darlegungen der Beschwerde und die vorgelegten Bescheinigungsmittel nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

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