VwGH 99/18/0051

VwGH99/18/005118.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1965, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Jänner 1999, Zl. SD 961/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei (unter Bedachtnahme auf den erstinstanzlichen Bescheid, auf dessen Begründung der angefochtene Bescheid verweist) am 4. Dezember 1991 nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Mai 1995 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei am 26. September 1996 als unbegründet abgewiesen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt.

Am 31. Mai 1995 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 12, 16 SGG, § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Der Vollzug dieser unbedingten Freiheitsstrafe sei für die Dauer von zwei Jahren aufgeschoben worden, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, sich einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen. Der Beschwerdeführer, dessen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Jahr 1996 rechtskräftig abgelehnt worden wäre, sei mit Strafverfügung vom 13. März 1997 wegen unerlaubten Aufenthaltes vom 27. Juni 1995 bis zum 7. März 1997 mit S 1.000,--, und mit Strafverfügung vom 4. März 1998 wegen unerlaubten Aufenthaltes vom 8. März 1997 bis zum 2. März 1998 mit S 1.500,-- bestraft worden. Am 1. August 1998 sei er im Zuge einer Suchtgiftstreife des Sicherheitsbüros im Afro-Asiatischen Institut der Universität Wien beamtshandelt worden, diesbezüglich stehe jeglicher Sachausgang noch aus.

Seit dem 10. März 1995 sei der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Er gehe keiner Beschäftigung nach und beziehe seinen Unterhalt von der Notstandshilfe seiner Ehefrau.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Bei einer solchen Verurteilung gefährde der Aufenthalt eines Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dass der Beschwerdeführer erfolgreich eine Suchtgifttherapie absolviert habe (und deshalb die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen worden sei), reiche keineswegs aus, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszuschließen oder nur als gering einzuschätzen. Eine Suchtentwöhnung biete noch keine Gewähr dafür, dass er nicht neuerlich rückfällig werde. Die bis zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeit reiche nicht aus, um eine zuverlässige Prognose über künftiges Wohlverhalten anstellen zu können. Der Beschwerdeführer habe wenige Tage vor seiner Straftat eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Alle übrigen Familienangehörigen lebten in seiner Heimat. Im Hinblick auf die bestehende Ehe liege jedenfalls ein Eingriff in sei Privat- und Familienleben vor. Dieser sei jedoch im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter sowie zum Schutz der Gesundheit und zur Verteidigung der öffentlichen Ordnung, näherhin eines geordneten Fremdenwesens) zulässig.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die nicht unbeträchtlichen Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese seien aber insofern erheblich gemindert, als er nur berechtigt gewesen sei, den (nunmehr negativen) Ausgang des Asylverfahrens im Bundesgebiet abzuwarten. Der Beschwerdeführer habe nie eine Beschäftigung ausgeübt. Diesen Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht so schwer wie die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Für den Beschwerdeführer gelten als Angehörigen einer Österreicherin gemäß § 49 Abs. 1 FrG grundsätzlich die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige, insbesondere die Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen gemäß § 48 Abs. 1 FrG. Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Wenn die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot nur auf § 36 FrG und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, so bewirkt dies für sich keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, weil § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern weiterhin von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, mwN).

Gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der - wie dargestellt als Orientierungsmaßstab heranzuziehende - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG erfüllt sei, bestehen in Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie der rechtskräftigen Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet keine Bedenken.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die im § 48 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei ist insbesondere auf die Art und Schwere der der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden zu Grunde liegenden Straftaten abzustellen. Der Beschwerdeführer ist vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 31. Mai 1995 rechtskräftig gemäß §§ 12 (Abs. 1 und 3 Z. 3) und 16 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Mehrere Stücke der Verwaltungsakten lassen keinen Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer mit Beziehung auf eine sogenannte "Übermenge" (nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG das Fünfundzwanzigfache der "großen Menge" i.S. des § 12 Abs. 1 SGG) Suchtgifthandel betrieben hat (vgl. Blatt 215 und 218 der Verwaltungsakten). Wenn auch zu der dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat von der belangten Behörde keine näheren Feststellungen getroffen wurden und auch auf die Mitteilung der belangten Behörde vom 26. März 2002, wonach der Beschwerdeführer am 21. Mai 2001 u.a. wegen eines weiteren Suchtgiftdeliktes zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, keine Rücksicht genommen werden konnte, so steht doch auf Grund der Verurteilung vom 31. Mai 1995 das tatbestandsmäßige Verhalten des Beschwerdeführers im Sinn der genannten strafgesetzlichen Bestimmungen in bindender Weise fest. Darüber hinaus wurde er mit Strafverfügung vom 13. März 1997 wegen unerlaubten Aufenthaltes vom 27. Juni 1995 bis zum 7. März 1997 mit S 1.000,--, und mit Strafverfügung vom 4. März 1998 wegen unerlaubten Aufenthaltes vom 8. März 1997 bis zum 2. März 1998 mit S 1.500,-- bestraft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 99/18/0345, mwN). Bei Würdigung des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere des sich auf eine "Übermenge" beziehenden strafbaren Fehlverhaltens nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG sowie des mehrfachen Verstoßes gegen fremdenpolizeiliche Bestimmungen, gefährdet der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit (in Österreich) und ist der Tatbestand des § 48 Abs. 1 erster Satz (iVm § 36 Abs. 1 Z. 1) FrG verwirklicht.

Wenn die Beschwerde dagegen vorbringt, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien mit der gewährten bedingten Strafnachsicht eine günstige Verhaltensprognose getroffen habe, so ist ihr zu erwidern, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von den die bedingte Strafnachsicht begründenden Erwägungen des Strafgerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes vorzunehmen hatte (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 99/18/0345). Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere sein strafbares Verhalten nach dem SGG, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraums auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit hätte geschlossen werden können. An dieser Beurteilung vermag auch der von der Beschwerde weiters behauptete Umstand, der Beschwerdeführer sei nunmehr nicht mehr drogenabhängig, nichts zu ändern, böte doch angesichts dessen bisherigen Fehlverhaltens selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie keine Gewähr dafür, dass er nicht neuerlich mit Suchtmitteln handeln werde und dass von ihm keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mehr ausgehen werde.

3.1. Im Licht des § 37 FrG meint der Beschwerdeführer, dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen. Er sei seit dem 10. März 1995 verheiratet und habe für seinen minderjährigen Sohn zu sorgen. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich seit neun Jahren in Österreich.

3.2.1. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner österreichischen Ehegattin und seinem Sohn zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund dieser Gesetzesbestimmung dringend geboten und somit zulässig sei, hat doch der Beschwerdeführer durch seine Suchtgiftdelikte und durch seine lang andauernden unregelmäßigen Aufenthalte deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die österreichischen Rechtsvorschriften zu respektieren.

3.2.2. Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Dabei war zu berücksichtigen, dass eine aus seinem Aufenthalt in Österreich resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.

4. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem übrigen Akteninhalt Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

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