VwGH 99/13/0157

VwGH99/13/015726.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der G GmbH in W, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Renngasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juni 1999, Zl. RV/286-16/15/99, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Vorschreibung eines Säumniszuschlages für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1995, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §15 Abs2;
EStG 1988 §15 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus Anlass einer die Jahre 1991 bis 1995 umfassenden Lohnsteuerprüfung traf der Prüfer die Feststellung, hinsichtlich der Firmen-Pkw Mercedes und Cadillac liege eine Privatnutzung durch die Dienstnehmer Gerhard und Herta W. vor. Aufzeichnungen, aus denen ersichtlich sei, dass diese Fahrzeuge ausschließlich für betriebliche Fahrten benutzt worden seien, hätten nicht vorgelegt werden können. Es liege somit ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG 1988 vor, wobei dieser Sachbezug mit monatlich 1,5 % des Anschaffungswertes der Fahrzeuge (somit mit jährlich jeweils 84.000 S) anzusetzen sei.

Gegen den auf Grund des Lohnsteuerprüfungsberichtes ergangenen Nachforderungsbescheid an lohnabhängigen Abgaben erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte vor, abgesehen von der Rechtfertigung der Zurechnung dem Grunde nach sei aus der Begründung des Abgabenbescheides nicht ersichtlich, worauf sich die Zurechnung des Cadillacs an Frau W. und des Mercedes an Herrn W. stütze, zumal sich im Anlagevermögen der Beschwerdeführerin noch zwei weitere Pkw mit geringeren Anschaffungskosten befänden. Die Beschwerdeführerin vertrete überwiegend Zulieferer an die Automobilindustrie, sodass die Anschaffung der Kfz auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden müsse. Sowohl der Mercedes als auch der Cadillac würden (entsprechend der Berufung beigeschlossener Vereinbarungen) auch von den Vertragspartnern der Beschwerdeführerin zu Kundenbesuchen genutzt. Sowohl für Herrn als auch Frau W. sei die Reisetätigkeit die Haupttätigkeit im Rahmen der Tätigkeit für die Beschwerdeführerin (durchschnittlich fielen etwa 100 bis 150 Reisetage pro Jahr für die Reisegebiete Österreich, Deutschland, Slowakei, Tschechien, Ungarn u.a. an). Auch habe sich seit der letzten Lohnsteuerprüfung keine Änderung ergeben. Die damals unbeanstandet gebliebene Dienstanweisung vom 12. Jänner 1981, die Privatfahrten mit dem Kfz untersage, sei nach wie vor gültig. Die Wohnanschrift von Gerhard und Herta W. stimme mit der Geschäftsadresse überein, sodass Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht anfallen könnten. Darüber hinaus habe die Familie W. stets über einen Pkw im Privatvermögen verfügt. Die Firmenfahrzeuge würden, wenn sie sich nicht auf Betriebsfahrt befänden, alltäglich am Firmensitz (Garagen) abgestellt.

In einer Vorhaltsbeantwortung vom 14. März 1997 gab die Beschwerdeführerin zur Dienstanweisung vom 12. Jänner 1981 bekannt, bei dem Verbot von Privatfahrten mit den Firmen-Pkw handle es sich um eine verbindliche schriftliche Dienstanweisung. Verstöße gegen diese Anweisung würden wie jeder andere Verstoß gegen eine nicht weisungskonforme Handlung nach arbeitsrechtlichen Möglichkeiten geahndet. Tägliche Kontrollen des Verbotes der Privatnutzung erfolgten dadurch, dass der im Büro befindliche versperrbare Schlüsselschrank ausschließlicher Aufbewahrungsort für die Kfz-Schlüssel und -Papiere sei. Vor dem Verlassen des Büros werde der Schrank durch den Geschäftsführer oder Prokuristen kontrolliert. Die auf Geschäftsreise befindlichen Fahrzeuge würden mittels "MEMO" im Schlüsselschrank quasi abgemeldet. Eine weitere Kontrollmöglichkeit sei schon dadurch gegeben, dass sich die Abstellplätze in der Wohnhausanlage (Büro) befänden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Insbesondere bei Familiengesellschaften, mit der auch die Beschwerdeführerin zu vergleichen sei (an ihr seien Gerhard und Herta W. zu je 25 % und Stefan W. zu 15 % beteiligt), sei die private Verwendung eines zum Betriebsvermögen zählenden Pkws durch einen Gesellschafter so nahe liegend, dass diese Vermutung nur durch einen einwandfreien Beweis widerlegt werden könne. Fahrtenbücher seien keine geführt worden. Die schriftliche Anordnung vom 12. Jänner 1981 über die Untersagung der Privatfahrten enthalte keine Angaben über etwaige Sanktionen. Angegebene arbeitsrechtliche Folgen, wie z.B. die Auflösung des Dienstverhältnisses, seien bei Familienangehörigen "höchst unglaubwürdig". Es sei daher davon auszugehen, dass zumindest einige der Firmenfahrzeuge auch privat genutzt worden seien. Da mangels Unterlagen eine genaue Zuordnung nicht möglich gewesen sei, habe der Prüfer von den vorhandenen Fahrzeugen zwei ausgewählt, "die, was Anschaffungspreis und Ausstattung betrifft, den Erfahrungen des täglichen Lebens am ehesten entsprechen".

In einem ergänzenden Schriftsatz zum Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz trat die Beschwerdeführerin dem von der Abgabenbehörde angestellten Vergleich mit einer "Familiengesellschaft" entgegen (dieser sei bei 35 % Fremdgesellschaftsanteilen, also nicht einmal 2/3 Mehrheit, "doch weit hergeholt"). Die Beschwerdeführerin werde auf Grund der Beteiligungsverhältnisse zwar von der Familie W. dominiert, habe sich aber gegenüber den Fremdgesellschaftern für ihre Handlungsweise zu verantworten. Den Annahmen in der Berufungsvorentscheidung über die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß gegen die Dienstanweisung könne nicht gefolgt werden. Zur Dokumentation der Glaubwürdigkeit des Berufungsvorbringens seien ab dem Jahr 1996 Fahrtenbücher für die im Betriebsvermögen befindlichen Kfz geführt worden, aus denen ersichtlich sei, dass keine Privatfahrten durchgeführt worden seien (Ablichtungen dieser Fahrtenbücher seien dem Schreiben beigelegt).

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Ein Nachweis für die Behauptung, dass die Firmenfahrzeuge ausschließlich für betriebsbedingte Fahrten verwendet worden seien, habe von der Beschwerdeführerin nicht erbracht werden können. Zu einem solchen Nachweis reiche es nicht aus, im Hinblick auf in den Jahren 1996 und 1997 geführte Fahrtenbücher zu behaupten, auch in den Vorjahren sei keine Privatnutzung erfolgt. Nach der mit Schreiben vom 12. Jänner 1981 an alle Dienstnehmer der Beschwerdeführerin ergangenen Dienstanweisung dürften die für Dienstfahrten zur Verfügung gestellten Fahrzeuge für Privatfahrten der Dienstnehmer nicht benützt werden. Die Fahrzeuge seien "nach Möglichkeit in der Nähe des Büros" abzustellen; das Abstellen in der Wohnhausanlage sei verboten. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin sei eine Kontrollmöglichkeit u.a. schon dadurch gegeben gewesen, dass sich die Abstellplätze in der Wohnhausanlage (Büro) befunden hätten. Diese Aussage zeige, dass die Dienstanweisung keine volle Gültigkeit mehr haben könne, denn ein Abstellen in der Wohnhausanlage würde dem Verbot der Dienstanweisung vom 12. Jänner 1981 widersprechen. Da Gesellschafter der Beschwerdeführerin auch Familienangehörige des Geschäftsführers seien (Ehefrau, Sohn), seien die Grundsätze für Verträge zwischen nahen Angehörigen zu beachten. In der Dienstanweisung seien Kontrollen der Einhaltung des Verbots und Sanktionen bei Zuwiderhandeln überhaupt nicht angeführt. Außerdem könnten die Familienmitglieder Sanktionen durch ihre Sperrminorität verhindern. Benützten Arbeitnehmer abwechselnd verschiedene arbeitgebereigene Kraftfahrzeuge, sei bei der Berechnung des Sachbezugswertes vom Durchschnittswert der Anschaffungskosten aller Fahrzeuge auszugehen. Diese Durchschnittsberechnung habe die belangte Behörde "mangels möglicher Zuordnung der Personen zu einem konkreten Kraftfahrzeug nunmehr betreffend der Anschaffungskosten aller im Betriebsvermögen befindlicher KFZ durchgeführt. Dieser Wert führt jedoch im Ergebnis zu keiner anderen Grundlage für die Berechnung des Sachbezuges".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall strittige Frage der Privatnutzung von zum Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin gehörenden Pkw hatte die belangte Behörde in einem Akt ihrer Beweiswürdigung zu lösen, welche der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle dahin unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, indem sie den Denkgesetzen und dem menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1995, 92/13/0200, vom 3. Mai 2000, 99/13/0186, und vom 7. August 2001, 97/14/0175).

Festzuhalten ist, dass den beiden Dienstnehmern unbestritten auch ein im Privatvermögen stehender Pkw zur Verfügung stand, sodass insofern eine Privatnutzung der Firmen-Pkw nicht unbedingt nahe lag. Warum laut Gegenschrift "spezielle Standort- und familienbedingte Gegebenheiten der Bf. insbesondere aber die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse" für eine Privatnutzung sprechen sollten, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor und wird im Übrigen auch in der Gegenschrift nicht erläutert.

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren einen Sachverhalt vorgetragen (z.B. umfangreiche Reisetätigkeiten, Kfz-Nutzung durch Vertragspartner der Beschwerdeführerin, Nachweismöglichkeit über die auf Geschäftsreise befindlichen Kfz mittels Aufzeichnungen im Schlüsselschrank), mit dem sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zumindest hätte auseinander setzen müssen. Es ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum den immerhin unmittelbar nach dem Streitzeitraum geführten Fahrtenbüchern überhaupt kein Indizcharakter für die Nutzung der Kfz in den Streitjahren zukommen sollte. Zur im angefochtenen Bescheid angezweifelten "vollen Gültigkeit" der Dienstanweisung vom 12. Jänner 1981 wirft die Beschwerde der belangten Behörde nicht zu Unrecht einen Verstoß gegen das Recht auf Parteiengehör vor. Mit einem entsprechenden Vorhalt hätte nämlich laut Beschwerde der vermeintliche Widerspruch zwischen den Angaben in der vom steuerlichen Vertreter verfassten Vorhaltsbeantwortung vom 14. März 1997 und der Dienstanweisung durch (in der Beschwerde näher erläuterte) "Änderungen in der Wirklichkeit" in Bezug auf die Abstellmöglichkeiten für die Kfz aufgeklärt werden können. Vermutungen, die Dienstanweisung werde infolge der Beteiligungsverhältnisse an der Beschwerdeführerin (insgesamt 65 %- Beteiligung von Mitgliedern der Familie W.) nicht befolgt bzw. ein Verstoß dagegen nicht sanktioniert werden, vermögen den angefochtenen Bescheid, der im Übrigen auch die "Durchschnittsberechnung" zur Ermittlung der Sachbezugswerte nicht nachvollziehbar darstellt, für sich allein nicht zu tragen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1995, 92/13/0274, Slg. Nr. 7045/F).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Februar 2003

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