VwGH 98/18/0364

VwGH98/18/036418.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des K, geboren 1955, vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 24. Juni 1998, Zl. III 146-3/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 24. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm §§ 37, 38, 39, 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis zum 8. Mai 2008 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck am 23. April 1998 wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er

"mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, und zwar die Vorgabe, Sie hätten in der deutschen Klassenlotterie gewonnen, Sie hätten ein Sparbuch mit Guthabenstand und Sie würden die Ihnen von Geldinstituten gewährten Kontoüberziehungen abdecken, zu einer Handlung bzw. Duldung, und zwar der Auszahlung von Geldbeträgen bzw. dem Gewährenlassen von Kontoüberziehungen, verleitet, die die Verfügungsberechtigten mit einem S 25.000,-- übersteigenden,

S 500.000,-- aber nicht übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

a) zwischen Mitte September 1997 und Ende Oktober 1997 die Sparkasse Kufstein mit einem Betrag von S 140.580,--;

b) zwischen 8.10.1997 und 24.11.1997 die Volksbank Kufstein mit einem Betrag von S 77.402,--".

Die deutsche Strafkarte des Beschwerdeführers weise vier Eintragungen auf, denen Verurteilungen vom 21. Jänner 1988, 20. Dezember 1988, 17. Jänner 1990 und 26. August 1991 wegen Betrügereien zu Grunde lägen.

Aus dem Gesamtfehlverhalten folge, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Das Ermessen des § 36 Abs. 1 FrG werde deshalb zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgeübt.

Der Beschwerdeführer halte sich im Bundesgebiet seit 1997 erlaubt auf. Er sei in Deutschland aufgewachsen, habe dort 15 Jahre - bis 1985 - als Postbeamter, von 1985 bis 1990 bei einer Versicherung und von 1990 bis Anfang 1997 bei einer Rollladenfirma gearbeitet, bis er Anfang 1997 dauernd arbeitslos geworden sei. Eine intensive private bzw. familiäre Bindung habe der Beschwerdeführer seit 1997 zu der Österreicherin Claudia G. und ihrem 13-jährigen Sohn Thomas in Innsbruck. Bei diesen Personen lebe der Beschwerdeführer, ohne polizeilich angemeldet zu sein. Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege daher vor. Das Aufenthaltsverbot erscheine jedoch zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Vermögensrechte anderer im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb dieses auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auf Grund der aus den zahlreichen Vorstrafen des Beschwerdeführers eindrucksvoll hervorleuchtenden Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG auch gegen den Beschwerdeführer als EWR-Bürger zulässig. Auf eine persönliche niederschriftliche Befragung des Beschwerdeführers "zu den näheren Umständen der jeweiligen Straftaten" werde wegen Unnotwendigkeit verzichtet. Dass der Beschwerdeführer "die Geschädigten jeweils nur um geringe Beträge geschädigt habe", dass er "die Schäden mittlerweile ausgeglichen habe" und dass er "bis jetzt in Österreich nicht vorbestraft war", ändere nichts an den Straftaten, am Gesamtfehlverhalten und der daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die seit der letzten Straftat des Beschwerdeführers (im Jahr 1997) verstrichene Zeit sei zu kurz, um dem Beschwerdeführer eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung zur Rechtsordnung attestieren zu können, wie seine Vorstrafen in Deutschland eindrucksvoll zeigten. Daraus, dass er sich davor ab 1991 in Deutschland nichts habe zu Schulden kommen lassen, könne er nichts gewinnen. Entscheidend seien sein Gesamtfehlverhalten laut den "rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen und die daraus hervorleuchtende Neigung Ihrer Person zu Vermögensstraftaten in persönlichen Krisenzeiten". Der relativ lange Zeitraum des Wohlverhaltens von 1991 bis 1997 mache den Beschwerdeführer nicht weniger gefährlich für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Zwischen den Straftaten sei jeder Rechtsbrecher "ein an sich rechtstreuer Mensch".

Der Zeitpunkt des Wegfalles des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes könne nicht vorhergesehen werden. Es werde (aus näher dargelegten rechtlichen Gründen, wonach die Maßnahme dennoch nicht auf unbestimmte Dauer erlassen werden könne) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Dabei sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG insofern weiterhin von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, mwN).

Gegen die Ansicht der belangten Behörde, der - wie dargestellt als Orientierungsmaßstab heranzuziehende - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, bestehen in Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten keine Bedenken.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die im § 48 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist -

nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Der Beschwerdeführer, der in Deutschland am 21. Jänner 1988, 20. Dezember 1988, 17. Jänner 1990 und 26. August 1991 wegen Betrügereien verurteilt worden war, kam im Jahr 1997 nach Österreich und hat im selben Jahr die Sparkasse Kufstein mit einem Betrag von S 140.580,-- und die Volksbank Kufstein mit einem Betrag von S 77.402,-- dadurch mit Bereicherungsvorsatz geschädigt, dass er diese Geldinstitute zur Auszahlung von Geldbeträgen bzw. zum Zulassen von Kontoüberziehungen verleitete, wobei er vorgab, in der deutschen Klassenlotterie gewonnen bzw. ein Sparbuch mit Guthabenstand zu haben und die gewährten Kontoüberziehungen abdecken zu können. Er ist deswegen vom Landesgericht Innsbruck am 23. April 1998 wegen des Vergehens des schweren Betruges zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0410) bestehen schon in Anbetracht des der zuletzt genannten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit in Österreich gefährde und der Tatbestand des § 48 Abs. 1 erster Satz (iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) verwirklicht sei, keine Bedenken. An dieser Beurteilung vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern, die in Österreich gesetzten strafbaren Handlungen stünden damit im Zusammenhang, dass "wiederum eine Beziehung ... zu Ende" gegangen und er selbst in Obdachlosigkeit geraten sei.

3.1. Der Beschwerdeführer meint, dass die Interessenabwägung gemäß § 37 FrG zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen. Er habe im Sommer 1997 seine Lebensgefährtin Claudia G. kennen gelernt. Diese sei österreichische Staatsbürgerin und Mutter eines dreizehnjährigen Sohnes, für den er "eine starke Bezugs- und damit auch Vaterperson darstellte". Sein früherer Arbeitgeber habe ihm einen Vertreterposten für Tirol und Vorarlberg in Aussicht gestellt. Er habe in Deutschland weder Familie, noch Wohnung oder Arbeit.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Bindungen des seit Anfang 1997 arbeitslosen Beschwerdeführers zu seiner österreichischen Lebensgefährtin und deren Sohn zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund dieser Gesetzesbestimmung dringend geboten und somit zulässig sei, hat doch der Beschwerdeführer durch seine zu unterschiedlichen Zeitpunkten gesetzten mehrfachen, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.

Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Den für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen kommt kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass eine aus seinem verhältnismäßig kurzen Aufenthalt in Österreich mit anschließender Strafhaft allenfalls resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wäre. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge vor dem Landesgericht Innsbruck voll geständig gewesen sei und er "bereit und in der Lage (ist) den von ihm verursachten Schaden wieder gut zu machen", bewirkt keine relevante Verschiebung der Interessenlage zu Gunsten des Beschwerdeführers und kann daher zu keinem anderen Ergebnis der Interessenabwägung führen.

5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

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