VwGH 98/18/0324

VwGH98/18/03249.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des V, geboren 1963, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. September 1998, Zl. SD 252/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. September 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1973 im Alter von zehn Jahren erstmals nach Österreich eingereist. Am 11. Juni 1981 sei er vom Jugendgerichtshof Wien wegen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahles zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Nach einem darauf verhängten Aufenthaltsverbot vom 2. November 1981 habe sich der Beschwerdeführer am 21. Juni 1982 von seiner Wohnadresse in Wien abgemeldet.

Am 16. Mai 1986 sei der Beschwerdeführer nach seiner Heirat unter dem nunmehr angenommenen Familiennamen seiner Ehefrau trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes wieder in das Bundesgebiet eingereist. Das Aufenthaltsverbot sei letztlich mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 10. März 1987 aufgehoben worden. Auf Grund des vom Beschwerdeführer eingebrachten Antrages vom 23. April 1987 seien ihm in weiterer Folge Sichtvermerke erteilt worden.

Am 30. Dezember 1993 sei der Beschwerdeführer durch das Bezirksgericht Hernals wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese Verurteilung habe ihn nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. Juli 1997 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 zweiter SatzStGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt.

Der zuletzt genannten Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mai 1995 bis Oktober 1996 an mehr als 25 Einbruchsdiebstählen beteiligt gewesen sei, die er in der Absicht begangen habe, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Es könne kein Zweifel bestehen, dass dieses Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß beeinträchtige. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - als gerechtfertigt.

Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes und im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und seinen drei minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, sei mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Dessen ungeachtet sei die Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Angesichts der Schwere und der Vielzahl der der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Straftaten und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Missachtung des Eigentums anderer Menschen sei das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG gebotenen Interessenabwägung sei auf den langen rechtmäßigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Zeitraum von 1973 bis 1981 und danach seit 1987 Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch die schwer wiegenden Straftaten erheblich gemindert werde. Die geschmälerten familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers müssten gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Eigentumskriminalität in den Hintergrund treten.

Der Beschwerdeführer halte sich seit Mai 1986 im Bundesgebiet auf. Der Aufenthalt sei seit dem 23. April 1987 rechtmäßig. Vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes - das sei die rechtskräftige Verurteilung vom 24. Juli 1997 - sei der Beschwerdeführer mehr als zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen. Im Hinblick auf die rechtskräftigen Verurteilungen vom 30. Dezember 1993 und vom 24. Juli 1997 könne sich der Beschwerdeführer nicht auf eine allfällige Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 35 Abs. 3 FrG berufen. Der Beschwerdeführer habe im April 1997 die Voraussetzungen für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft i.S. des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfüllt. Allerdings sei in diesem Zeitpunkt gegen ihn bereits bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig gewesen, das letztlich zur Verurteilung vom 24. Juli 1997 geführt habe. Der Verleihung der Staatsbürgerschaft wäre daher § 10 Abs. 1 Z. 3 lit. a StbG entgegengestanden. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG zulässig.

Ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, könne nicht vor Verstreichen des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers am 24. Juli 1997 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den Urteilsspruch eines Strafgerichtes insoweit gebunden, als die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegen jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Die Feststellungen des Strafurteils kann der Beschwerdeführer daher nicht durch die Behauptung entkräften, er sei "lediglich Chauffeur gewesen" und er habe bei den ersten Fahrten nicht gewusst, dass sein von ihm zu diversen Wohnhäusern gefahrener Schwager dort eingebrochen habe.

Dem genannten Strafurteil zufolge hat der Beschwerdeführer in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter in 16 Angriffen und zwei weiteren versuchten Angriffen im Zeitraum vom 26. Mai 1995 bis zum 15. Oktober 1996 einer Vielzahl von Opfern in Wien fremde bewegliche Sachen in einem S 25.000,-- übersteigenden Wert gewerbsmäßig durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtsmäßig zu bereichern, weggenommen. Es handelte sich dabei um Bargeld, Schmuck, Fotoausrüstungen, Videorekorder, Videospiele, Briefmarkenalben und Besteck. Gegen die daraus abgeleitete Auffassung der belangten Behörde, dass das Verhalten des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, bestehen im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0410) keine Bedenken. Dabei kommt dem Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid irrtümlich eine Beteiligung an mehr als 25 Einbruchsdiebstählen angenommen hat, keine entscheidende Bedeutung zu.

2.1. Im Licht des § 37 FrG meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe seine persönlichen Verhältnisse nicht entsprechend gewürdigt. Er sei in Österreich regelmäßig beschäftigt gewesen und bis zum "27.9." auch einer geregelten Arbeit nachgegangen. Seine Frau und die drei Kinder seien in Österreich aufgewachsen und sozial verwurzelt. Die Interessenabwägung hätte zu seinen Gunsten ausgehen müssen.

2.2.1. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich und im Hinblick darauf, dass er mit seiner Ehegattin und seinen drei minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebt, zu Recht einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und somit zulässig sei, hat doch der Beschwerdeführer durch seine zu unterschiedlichen Zeitpunkten gesetzten, mehrfachen und auf derselben schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.

2.2.2. Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Den für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen kommt kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass eine aus seinem Aufenthalt in Österreich resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein lang andauerndes Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.

Das Vorbringen, der Beschwerdeführer werde in Jugoslawien keine Anstellung finden, zumal er "diese Sprache kaum spreche", vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil vom Schutzumfang des § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens oder den Erhalt eines Arbeitsplatzes außerhalb Österreichs nicht umfasst ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 2001/18/0175, mwH).

3.1. Der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG liegt nicht vor, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist.

3.2. Auch die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, lagen nicht vor, weil der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des von der belangten Behörde als maßgeblich herangezogenen Sachverhaltes (Mai 1995) noch nicht seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hatte, reiste er doch erst am 16. Mai 1986 (trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes) wieder in das Bundesgebiet ein.

4. Die belangte Behörde hat in Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zutreffend davon Abstand genommen, von dem ihr bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

5. Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer müsse in Jugoslawien mit massiven Schwierigkeiten rechnen, weil er einen albanischen Namen trage, ist entgegen zu halten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird und mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 99/18/0128).

6. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 9. Mai 2003

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