Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 331,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. April 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1992 im Bundesgebiet. Es seien ihm zunächst Sichtvermerke und anschließend Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden. Seit 7. Dezember 1999 verfüge er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.
Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 27. April 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 26 Monaten, davon 18 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in einem mehrwöchigen Zeitraum von Oktober bis November 2000 gemeinsam mit mehreren Mittätern in wechselnder Zusammensetzung in elf Fällen teils bekannten und teils unbekannten Jugendlichen Bargeld, Handys und Zigaretten geraubt habe und in zwei weiteren Fällen derartige Raubüberfälle versucht habe. Dabei seien die überfallenen Jugendlichen mit der Ausübung von Gewalt bedroht worden. In vier Fällen habe der Beschwerdeführer zur Untermauerung seiner Drohungen ein Messer auf das jeweilige Opfer gerichtet. Nach den Feststellungen des Urteils sei bereits davor ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Einbruchsdiebstahls gemäß § 6 Jugendgerichtsgesetz eingestellt worden.
Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das der genannten Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß gefährde. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zur Mutter und zu einer Schwester, mit welchen Personen der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebe, sowie zu einer weiteren in Wien lebenden Schwester. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz des Eigentums) dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe eindrücklich zu erkennen gegeben, nicht Willens oder im Stande zu sein, maßgebliche Normen zum Schutz des Eigentums Dritter einzuhalten. Besonders schwer sei zu werten, dass er bei den Raubüberfällen wiederholt auch ein Messer verwendet habe. Das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer wäre nur untergeordneter Täter gewesen, widerspreche dem Strafurteil. Auch die im Tatzeitpunkt gegebene Minderjährigkeit des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr zu relativieren, habe das Gericht doch festgestellt, dass sämtliche Angeklagten zur Tatzeit voll zurechnungsfähig gewesen wären und keine Anhaltspunkte für eine Reifestörung vorlägen. Aus diesen Gründen sei eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Das Aufenthaltsverbot sei daher zulässig im Grund des § 37 Abs. 1 FrG.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich zwar nicht als gering, werde jedoch in ihrer sozialen Komponente durch das wiederholte schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers in ihrem Gewicht erheblich gemindert. Unter Berücksichtigung der erheblichen familiären Bindungen seien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet zwar gewichtig, jedoch nicht besonders ausgeprägt. Diesen Interessen stehe das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und am Schutz des Eigentums Dritter gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als das in seinem schwerwiegenden Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme. Dass der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen keine Bindungen in Bosnien habe, sei unbeachtlich, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe. Den Kontakt zu seinen Familienangehörigen könne der Beschwerdeführer - wenn auch eingeschränkt - dadurch aufrecht erhalten, dass er von diesen im Ausland besucht werde.
Die Erstbehörde habe das Aufenthaltsverbot zu Recht unbefristet erlassen. Die Vielzahl der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten lasse es auch unter Berücksichtigung seiner privaten Lebensumstände nicht voraussehbar erscheinen, wann die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 26 Monaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid liegt der Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde, dass er im Oktober und November 2000 gemeinsam mit mehreren Mittätern elf Raubüberfälle begangen und zwei weitere Raubüberfälle versucht hat, wobei die Opfer mit der Ausübung von Gewalt bedroht wurden.
In der Beschwerde wird dazu vorgebracht, dass der Beschwerdeführer an den Raubüberfällen nur in untergeordneter Rolle beteiligt gewesen sei. Die Intelligenz des Beschwerdeführers, der nur die Sonderschule besucht habe, sei herabgesetzt. Er sei in seiner Erkenntnisfähigkeit eingeschränkt, in seiner Reife verzögert und leicht zu manipulieren. Der Haupttäter U. habe die Gabe gehabt, Gleichaltrige oder Jüngere in seinen Bann zu ziehen und zu manipulieren. Er sei um ein Vielfaches intelligenter als der Beschwerdeführer. Die kriminelle Energie sei ausschließlich von U. ausgegangen.
Dem ist zu entgegnen, dass U. - der im Übrigen nach der Begründung des Strafurteils ebenfalls die Sonderschule besucht hat und mehr als ein Jahr jünger ist als der Beschwerdeführer - an mehreren Raubüberfällen des Beschwerdeführers gar nicht mitgewirkt hat. Bei vier Überfällen hat der Beschwerdeführer als Einziger ein Messer verwendet. Im Strafurteil ist ausdrücklich festgehalten, dass bei keinem der insgesamt neun Täter ein Anhaltspunkt für eine Reifestörung vorliege. Konkrete Anhaltspunkte, warum beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten dennoch eine Verzögerung der Reife vorgelegen sei, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Im Rahmen der Strafzumessungsgründe hat das Gericht weder bei U. die führende Rolle bei den Raubüberfällen als erschwerend, noch beim Beschwerdeführer eine untergeordnete Tatbeteiligung als mildernd gewertet. Von den neun Tätern erhielt der Beschwerdeführer die zweithöchste Strafe.
Die nach dem Beschwerdevorbringen auf den Intelligenzmangel des Beschwerdeführers zurückzuführende leichte Manipulierbarkeit, die zur Folge habe, dass der Beschwerdeführer "zur 'Rechtsuntreue' ebenso wie zur 'Rechtstreue' manipuliert werden" könne, führt zur keiner Verringerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr, könnte er demnach doch jederzeit neuerlich zur "Rechtsuntreue" verleitet werden.
Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass der mangelnden Einsichtsfähigkeit von Jugendlichen u.a. durch das Jugendgerichtsgesetz Rechnung getragen werde, ist ihm entgegenzuhalten, dass beim Beschwerdeführer trotz Anwendung des gemäß § 5 Z. 4 Jugendgerichtsgesetz herabgesetzten Strafrahmens eine teilbedingte Freiheitsstrafe im großen Ausmaß von 26 Monaten verhängt worden ist.
Auf Grund der großen Anzahl der vom Beschwerdeführer verübten Raubüberfälle, wobei er zum Teil auch ein Messer verwendete, kann entgegen der Beschwerde keine "günstige Zukunftsprognose gewagt werden". Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mit seiner Bewährungshelferin gut zusammenarbeitet, um soziale Integration bemüht ist und einer geregelten Beschäftigung nachgeht, ist der Zeitraum von nicht einmal eineinhalb Jahren seit Begehung der letzten Straftat viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum auch den unbedingten Teil der über ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat.
Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts seit 1992, die Familiengemeinschaft mit der Mutter und einer Schwester sowie den inländischen Aufenthalt einer weiteren Schwester berücksichtigt. Zu Recht hat sie auf die Minderung der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration in ihrer sozialen Komponente auf Grund der vielen Straftaten des Beschwerdeführers verwiesen.
Den dennoch sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland steht die von seinem weiteren Aufenthalt in Österreich auf Grund der vielen Straftaten ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Da an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität ein großes öffentliches Interesse besteht, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers auch die - bereits in der Berufung vorgebrachte - inländische Berufstätigkeit als Reinigungskraft berücksichtigt.
Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, in seiner Heimat "überhaupt keine Wurzeln mehr" zu haben und die dortige Landessprache "mehr passiv als aktiv" zu beherrschen, ist ihm zu entgegnen, dass von § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2001/18/0044).
4. § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG steht der vorliegenden Maßnahme nicht entgegen. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer unstrittig erst 1992, also im Alter von etwa acht Jahren, nach Österreich eingereist ist, ist er nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244) nicht "von klein auf im Inland aufgewachsen". Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob der Beschwerdeführer das weitere - kumulativ zu erfüllende - Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "langjährig rechtmäßig niedergelassen", das in § 38 Abs. 2 leg. cit. näher umschrieben wird, verwirklicht.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen bieten die vorgenannten Bestimmungen keine "ausreichende" Rechtsgrundlage dafür "ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer vorläufig nicht zu verhängen und in Vollzug zu setzen".
5. Schließlich begegnet es auch keinen Bedenken, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.
Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 2000/18/0114) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der Vielzahl der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Raubüberfälle, wobei er zum Teil eine Waffe verwendete, die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände, nämlich seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, nicht vorhergesehen werden könne, und daher das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.
6. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. November 2002
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