Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden je wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den Beschwerdeschriften und den ihnen angeschlossenen Ausfertigungen der beiden angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender unstrittige Sachverhalt:
Mit Übergabsvertrag vom 20. Dezember 2000 übertrug Herr Dr. R, geboren am 28. April 1935, seinen Töchtern N und S eine Vielzahl von Liegenschaften und Liegenschaftsanteilen.
In Punkt Drittens des Vertrages behält sich der Übergeber das unentgeltliche Fruchtgenussrecht an den vertragsgegenständlichen Objekten vor. Weiters bedingt sich der Übergeber nach seinem Ableben für seine Gattin, Frau R, geboren am 29. Oktober 1947, auf deren Lebensdauer das unentgeltliche Fruchtgenussrecht an sämtlichen vertragsgegenständlichen Liegenschaften und Liegenschaftsanteilen dergestalt aus, dass die Fruchtgenussberechtigte 80 % des Ertrages sämtlicher Vertragsobjekte zu erhalten hat.
Das Fruchtgenussrecht wurde von den Vertragsparteien mit jährlich S 2,713.670,- (entspricht EUR 197.210,09) bewertet.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien erließ in der Folge je einen Grunderwerbsteuerbescheid, wobei unter Zugrundelegung der Bewertungsvorschriften des § 16 BewG entsprechend dem Lebensalter der als Fruchtgenussberechtigten in Aussicht genommenen Regina Levett der 13-fache Vervielfacher angewendet wurde.
Nach Ergehen von Berufungsvorentscheidungen stellten die Beschwerdeführerinnen den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie vorbrachten, es handle sich bei dem Fruchtgenussrecht der R um eine bedingte Gegenleistung, die davon abhänge, dass R den Übergeber (ihren Gatten Dr. R) überlebe.
Die belangte Behörde wies die Berufungen (abgesehen von einer teilweisen Stattgabe in einem nicht mehr beschwerdegegenständlichen Punkt) als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, die Bewertung habe bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu erfolgen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden (wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges vom Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen) Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht darauf verletzt, dass das Fruchtgenussrecht für R als aufschiebend bedingt angesehen wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGG mit Beschluss vom 10. Juni 2002, Zlen. 2002/16/0125, 0126-4, die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1966, Zl. 648/66, Slg. Nr. 3538/F, aufgefordert, ein Vorbringen dahin zu erstatten, warum die von den Beschwerden behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt. Daraufhin äußerte sich die belangte Behörde innerhalb der ihr dazu gesetzten Frist, dass ihrer Ansicht nach das zitierte Erkenntnis "die Grunderwerbsteuer weniger im Blick gehabt habe". Die Beschwerdeführerinnen seien ohne weitere Bedingung an die Erfüllung der getroffenen Vereinbarung gebunden; der Übergabsvertrag selbst sei unbedingt abgeschlossen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 Abs. 2 GrEstG lautet:
"(2) Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung."
§ 4 BewG bestimmt:
"Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, werden erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist."
Im Gegensatz zu der von der belangten Behörde in ihrer gemäß § 35 Abs. 2 VwGG erstatteten Stellungnahme vertretenen Ansicht geht es im vorliegenden Fall nicht um die Frage, ob der Erwerbsvorgang selbst unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde (also nicht um die Frage der Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG), sondern vielmehr um die Frage, ob im Rahmen der Berechnung des Wertes der Gegenleistung gemäß § 16 BewG ein Fruchtgenussrecht, das unter einer aufschiebenden Bedingung eingeräumt wurde, vor Eintritt der Bedingung zu berücksichtigen ist oder nicht.
Dass das Fruchtgenussrecht für die Ehefrau des Übergebers unter einer aufschiebenden Bedingung steht, bedarf keiner näheren Begründung, weil es nach dem unstrittigen Vertragstext davon abhängig ist, ob Regina L ihren Gatten überleben wird oder nicht. Das aber ist ein unbestimmtes Ereignis und damit eine Suspensivbedingung gemäß § 696 ABGB.
Da der Verwaltungsgerichtshof in dem oben schon angeführten hg. Erkenntnis Slg. Nr. 3538/F gerade zur Grunderwerbsteuer ausgesprochen hat, dass aufschiebend bedingte Rechte auch bei der Ermittlung der Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sind (vgl. überdies Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz16, § 14 dBewG, Rz 17 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung), ergab sich schon aus dem Inhalt der angefochtenen Bescheide, dass die behauptete Rechtsverletzung vorliegt.
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung aufzuheben.
Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Juli 2002
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