Normen
ARHG §34 Abs1;
ARHG §36;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
ARHG §34 Abs1;
ARHG §36;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Note der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Wien vom 18. Dezember 2000 wurde die Auslieferung des Beschwerdeführers, der US-amerikanischer und israelischer Staatsangehöriger ist, zur Vollstreckung der mit dem - auf der Grundlage des näher genannten Urteiles des U.S. District Court for the Middle District of Florida, Orlando Division, vom 1. November 1999, ergangenen - Strafurteil des U.S. District Court für the Middle District of Florida, Orlando Division, vom 22. Februar 2000, Zl. 6:98-Cr-99-Orl-19A, verhängten Freiheitsstrafe von 845 Jahren beantragt.
Mit Beschluss vom 11. September 2001 erklärte das Oberlandesgericht Wien die Auslieferung unter Berufung auf Art. 2
7. ZP EMRK für unzulässig.
Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidung auf Grund einer vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit Urteil vom 9. April 2002 mit der Begründung auf, das Oberlandesgericht habe seine Zuständigkeit überschritten.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Mai 2002 wurde die Auslieferung im Hinblick auf die näher angeführten Urteile (ausgenommen Anklagepunkt 93) für zulässig erklärt.
Die angefochtene, für den Bundesminister für Justiz gefertigte Erledigung vom 10. Mai 2002 lautet:
"Das Bundesministerium für Justiz teilt mit, dass der Bundesminister für Justiz auf Grundlage des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 8.5.2002 die Auslieferung des amerikanischen Staatsangehörigen W, geboren am 1.4.1954 in Scranton/Pennsylvania/USA, zur Vollstreckung der auf Grundlage des Urteils des U.S. District Courts for the Middle District of Florida, Orlando Division, vom 1.11.1999, 98-99 CR ORL-19A, mit Urteil dieses Gerichtes vom 15.2.2000, 6:98-Cr99-ORL-19A, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 845 Jahren mit Ausnahme des auf die beeidete Falschaussage als Beschuldigter (Anklagepunkt 93) entfallenden Strafteils bewilligt hat. Hinsichtlich des Anklagepunkts 93 wurde die Auslieferung abgelehnt. Hievon werden die amerikanischen Behörden auf diplomatischem Weg und das Landesgericht für Strafsachen Wien in Kenntnis gesetzt."
Die dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Mai 2002, B 923/02-9, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt.
Am Freitag, den 24. Mai 2002, wurde dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Durchführung der Auslieferung des Beschwerdeführers höchstwahrscheinlich am darauf folgenden Sonntag zu befürchten sei. Im Hinblick darauf gab der Verwaltungsgerichtshof noch am selben Tag mit Beschluss vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/06/0073-2, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge.
Dieser Beschluss wurde der belangten Behörde, dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Landesgericht für Strafsachen Wien am 24. Mai 2002 mit Telefax zugestellt.
Am Montag, dem 27. Mai 2002, erging die Aufforderung an die belangte Behörde, binnen (nur) zwei Wochen die Verwaltungsakten vorzulegen und eine Gegenschrift zu erstatten. Die Gegenschrift langte am 7. Juni 2002 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Am 10. Juni 2002 wurde bekannt, dass der Beschwerdeführer am 9. Juni 2002 - ungeachtet des hg. Beschlusses, mit dem die aufschiebende Wirkung gewährt worden war - bereits ausgeliefert worden war.
In der Folge wurde der Beschwerdevertreter vom Verwaltungsgerichtshof aufgefordert, zu der Frage der Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Beschwerde, die durch die erfolgte Auslieferung eingetreten sei, Stellung zu nehmen. In der am 13. Juni 2002 erstatteten Stellungnahme des Beschwerdevertreters wurde von diesem die mittlerweile erfolgte Auslieferung des Beschwerdeführers, dessen Übergabe von der Untersuchungsrichterin verfügt worden sei, bestätigt und auch darauf hingewiesen, dass "die belangte Behörde den Vollzug der
Übergabe .... durch einen Beamten der belangten Behörde (.....)
leiten und überwachen ließ". Weiters wird in dieser Stellungnahme im vorliegenden Zusammenhang ausgeführt:
"5. Dem Beschwerdeführer ist durch die auch in diesem Punkt rechtswidrige Vorgehensweise der belangten Behörde gerade jener - mit dem Vollzug der Auslieferung unwiederbringliche - Schaden entstanden, der mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hintangehalten werden sollte. Die Tatsache, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, geeignete Maßnahmen zu treffen, den Vollzug der Auslieferung in Entsprechung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes zu verhindern, stellt eine beispiellose Missachtung des zu § 30 VwGG gewährleisteten Rechtsschutzes dar, die das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in ihren Grundfesten erschüttert. Wenn es der belangten Behörde im konkreten Fall letztlich doch gelungen ist, die Auslieferung trotz bestehenden Rechtsschutzes des Beschwerdeführers faktisch durchzusetzen, wird einer beispielhaften Wirkung für zukünftig ähnlich gelagerte Fälle nur dadurch vorgebeugt werden können, dass der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung des Erkenntnisses über die Beschwerde auch darauf Bedacht nimmt und die Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise der belangten Behörde mit aller zu Gebote stehenden Deutlichkeit aufzeigt.
6) Sollte der Verwaltungsgerichtshof seiner ständigen Spruchpraxis entsprechend zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beschwerde im Hinblick auf die bereits erfolgte Auslieferung des Beschwerdeführers für gegenstandslos zu erklären ist, ersucht der Beschwerdeführer um Feststellung, dass die oben dargestellte Vorgehensweise der belangten Behörde, die Auslieferung während der Wirksamkeit des Beschlusses auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Vollzug zu setzen, rechtswidrig war und ist. Diese Feststellung ist deshalb notwendig, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu eröffnen, die Rechtswidrigkeit der Auslieferung vor den zuständigen U.S.-amerikanischen Gerichten geltend zu machen."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluss vom 28. Juni 1990, Zl. 90/09/0027, und die dort angeführte Judikatur) führt nicht nur die formelle (ausdrückliche) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auch der Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zuge eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu dessen Einstellung, weil der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer nach Art. 131 B-VG erhobenen Bescheidbeschwerde zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen ist. Ergibt sich im Zuge eines derartigen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, dass eine fortwirkende Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) gegeben ist, auch eine stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine (weitere) Veränderung bewirken würde und die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen damit nicht mehr fallbezogene, sondern nur noch theoretische Bedeutung besitzen, dann führt dies zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Durch die erfolgte Auslieferung des Beschwerdeführers ist das Ziel der Beschwerde - dessen Verwirklichung für den Fall des Erfolges der Beschwerde durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesichert werden sollte - jedenfalls vereitelt. Die angefochtene Erledigung bewirkt im dargelegten Sinne jedenfalls keine fortwirkende Verletzung in einem allfälligen subjektiven Recht des Beschwerdeführers mehr. Wie sich auch aus der angeführten Stellungnahme des Beschwerdeführers ergibt, wird eine fortwirkende Verletzung in Rechten des Beschwerdeführers durch die angefochtene Erledigung nicht geltend gemacht. Eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Erledigung durch den Verwaltungsgerichtshof könnte an der durch die Auslieferung faktisch hergestellten Rechtsstellung des Beschwerdeführers nichts mehr ändern, die belangte Behörde könnte nicht mehr im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG neuerlich über das Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten entscheiden, weil ihm durch die Auslieferung ohnedies faktisch und endgültig entsprochen wurde.
Das Beschwerdeverfahren war daher gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m.
§ 12 Abs. 3 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
Zum Begehren des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof möge die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise der belangten Behörde treffen, ist Folgendes zu sagen:
Die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung einer beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde bewirkt, dass der "Vollzug" des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also seine Vollstreckbarkeit und die durch ihn bewirkte Gestaltung der Rechtslage, seine Tatbestandswirkungen und seine Bindungswirkungen zum Zwecke der Sicherung eines möglichen Erfolges der Beschwerde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG suspendiert werden. Bis zur Entscheidung über die Beschwerde dürfen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt jedenfalls keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0521, vom 23. Juli 1999, Zl. 99/02/0081, vom 15. Oktober 1999, Zl. 99/19/0031, und den hg. Beschluss vom 4. Oktober 2000, Zl. AW 2000/21/0128, jeweils mit weiteren Nachweisen, und auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, Slg. Nr. 15508); dies unabhängig davon, ob die Beschwerde - aus welchen Gründen immer - letztlich erfolglos bleibt oder zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, insbesondere auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Frage der Bescheidqualität des angefochtenen Verwaltungsaktes umstritten ist.
Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt es im vorliegenden Verfahrensstadium allerdings nicht, die Beachtung und Einhaltung einer gewährten aufschiebenden Wirkung durchzusetzen, weshalb es ihm auch hier verwehrt ist, über die Rechtmäßigkeit der nunmehr tatsächlich erfolgten Auslieferung trotz der von ihm gewährten aufschiebenden Wirkung abzusprechen. Aus dem oben Gesagten ergibt sich aber, dass als Folge der gewährten aufschiebenden Wirkung der verfahrensgegenständliche Verwaltungsakt der belangten Behörde keine taugliche Rechtsgrundlage für die in § 36 ARHG vorgesehene Durchführung der Auslieferung sein konnte.
Da die Entscheidung über die Frage der Erfolgsaussichten der Beschwerde im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGG nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand getroffenen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0094), findet unter Heranziehung des in § 58 Abs. 1 VwGG verankerten Grundsatzes kein Zuspruch von Kosten statt.
Wien, am 13. Juni 2002
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