Normen
AsylG 1997 §17 Abs1;
AsylG 1997 §20 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs1;
FlKonv Art31;
FrG 1997 §107 Abs1 Z3;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1;
FrG 1997 §2 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs1 Z4;
VStG §16 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
AsylG 1997 §17 Abs1;
AsylG 1997 §20 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs1;
FlKonv Art31;
FrG 1997 §107 Abs1 Z3;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1;
FrG 1997 §2 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs1 Z4;
VStG §16 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er begab sich noch am Tag seiner behaupteten Einreise, am 2. Dezember 1999, in das Wachzimmer der Bundespolizeidirektion Eisenstadt im Bundesamtsgebäude Eisenstadt. Wegen des Verdachtes, dass er vor wenigen Stunden unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei und weil er sich nicht ausweisen konnte und insbesondere kein Reisedokument bei sich hatte, wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am 3. Dezember 1999 niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, sein Heimatland im Zuge von Grenzstreitigkeiten aus Angst vor Tötung durch Bewohner der Stadt Umuleri verlassen zu haben; er habe sich nach Kumba/Kamerun und - nach ca. einmonatigem Aufenthalt an diesem Ort - in der Folge weiter nach Yaounde begeben, wo er nach ca. zwei bis drei Monaten einen Weißen kennen gelernt habe, von dem er schließlich bis nach Eisenstadt gebracht worden sei; er bitte um Schutz auf Grund seiner Probleme in Nigeria, wohin er aus Angst vor Verfolgung durch die Bewohner der Stadt Umuleri nicht mehr zurückkehren könne.
Die Niederschrift vom 3. Dezember 1999 langte gemäß dem in den Verwaltungsakten erliegenden Auszug aus dem Asylwerberinformationssystem (AIS) am 6. Dezember 1999 beim Bundesasylamt ein. Dort wurde der Beschwerdeführer am 13. Dezember 1999 zu seinem Fluchtweg einvernommen, wobei er (u.a.) seine am 3. Dezember 1999 getätigten Angaben dahingehend abänderte bzw. ergänzte, dass er sich vor dem Aufenthalt in Yaounde ca. zwei Monate in Kumba/Kamerun aufgehalten und dort - wie auch in Yaounde - auf einer Farm gearbeitet und gewohnt habe; für den Grenzübertritt von Nigeria nach Kamerun sei kein Reisepass erforderlich gewesen, sein Reisepass befinde sich zu Hause in Aguleri.
Noch am 13. Dezember 1999 wurde dem Beschwerdeführer, wie sich ebenfalls aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden Auszug aus dem AIS ergibt, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) erteilt. Sein Asylantrag wurde in der Folge mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 7 AsylG rechtskräftig abgewiesen; ebenso wurde gemäß § 8 AsylG rechtskräftig ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführer nach Nigeria zulässig sei. Gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates hat der Beschwerdeführer die zur Zl. 2000/20/0401 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit hg. Beschluss vom 4. Oktober 2000, Zl. AW 2000/20/0317, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom 17. November 2000 wurde der Beschwerdeführer, der eine davor ergangene Strafverfügung beeinsprucht hatte, mit einer Geldstrafe von S 500,-- (EUR 36,34; Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) belegt, weil er sich am 2. Dezember 1999 um 13.05 Uhr in Eisenstadt, Neusiedler Straße Nr. 84 (Bundesamtsgebäude), als passpflichtiger Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet Österreich aufgehalten habe, da er nicht im Besitze eines gültigen Reisedokumentes gewesen sei. Er habe dadurch § 2 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr.75, verletzt und sei daher gemäß § 107 Abs. 1 Z 3 leg. cit. zu bestrafen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. Angesichts seiner Reisebewegung nach Österreich komme der vom Beschwerdeführer im Verfahren als Strafausschließungsgrund geltend gemachte Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht zur Anwendung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
§ 107 FrG - in der hier anzuwendenden Fassung vor dem 1. Euro-Umstellungsgesetz - Bund - lautete wie folgt:
"Unbefugter Aufenthalt
§ 107. (1) Wer
1. nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder
2. einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder
3. sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, im Bundesgebiet aufhält oder
4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der
Z 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 10.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.
(2) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 Z 1 liegt nicht vor, wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§§ 57 und 75 Abs. 4) ist, oder wenn dem Fremden ein Abschiebungsaufschub erteilt worden ist.
(3) Eine Bestrafung gemäß Abs. 1 Z 3 schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 Z 4 begangenen Verwaltungsübertretung aus.
(4) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 Z 4 liegt nicht vor, solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist."
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass - jedenfalls dem Wortlaut nach - der Tatbestand des § 107 Abs. 1 Z 3 FrG erfüllt worden sei. Im Hinblick auf den besonderen Schutz nach der GFK, unter dem Flüchtlinge auch nach illegaler Einreise und Anwesenheit stünden, und im Hinblick darauf, dass ihm als Asylwerber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden und er vor Aufenthaltsbeendigung und Abschiebung geschützt sei, komme jedoch - auch angesichts näher genannter verwaltungsgerichtlicher Judikatur zu § 107 Abs. 1 Z 4 FrG - eine Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z 3 leg. cit. nicht in Betracht. Es widerspreche "dem Regelungssystem des Fremdengesetzes, dass Fremde zwar vor Aufenthaltsbeendigung gemäß § 37 FrG 1997 geschützt sind, aber dennoch mit Verwaltungsstrafen nach § 107 FrG 1997 abgestraft werden, um sie von der Fortsetzung des sanktionierten Verhaltens abzuhalten".
Soweit der Beschwerdeführer die GFK für sich ins Treffen führt, beruft er sich des Näheren auf deren Art. 31 Z 1. Demnach sollen die vertragschließenden Staaten keine Strafen wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit über Flüchtlinge verhängen, die, direkt aus einem Gebiet kommend, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne des Artikels 1 bedroht war, ohne Erlaubnis einreisen oder sich ohne Erlaubnis auf ihrem Gebiet befinden, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und gute Gründe für ihre illegale Einreise oder Anwesenheit vorbringen. In der Beschwerde wird zwar behauptet, der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Einreise nach Österreich in keinem Drittstaat vor Verfolgung oder Abschiebung in seinen Heimatstaat sicher fühlen können. Diese unkonkretisierte Behauptung steht jedoch zu den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren in Widerspruch, wonach er sich mehrere Monate in Kamerun aufgehalten habe; dass er dort in irgendeiner Weise Verfolgung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zu befürchten gehabt hätte, ist diesen Angaben nicht ansatzweise zu entnehmen. Der Beschwerdeführer erfüllt daher nicht das Kriterium der "direkten" Einreise, welches im gegebenen Zusammenhang dahingehend zu verstehen ist, dass der Betroffene vor der Einreise nach Österreich noch nicht verfolgungs- und refoulementsicher gewesen sein darf (vgl. 686 BlgNR 20. GP 23; vgl. auch U. Davy, Asyl und internationales Flüchtlingsrecht I, 114 f.). Aus Art. 31 GFK lässt sich für den Beschwerdeführer daher nichts gewinnen.
Was die Position des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des AsylG anlangt, so ist zunächst auf die §§ 20 und 21 leg. cit. hinzuweisen. Diese Bestimmungen haben - soweit hier wesentlich - folgenden Wortlaut:
"Dauernd und befristet Aufenthaltsberechtigte
§ 20. (1) Das Fremdengesetz findet auf Fremde, denen Österreich Asyl gewährt oder die im Besitz einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sind, mit Ausnahme der §§ 33, 41 bis 43, 45 Abs. 3 und 4, 52 bis 56, 59 bis 63 sowie 84 und 107 Anwendung. ...
(2) ...
Schutz vor Aufenthaltsbeendigung
§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im Folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie
...
(2) ...
(3) ..."
Wie sich aus § 20 Abs. 1 AsylG ergibt, findet § 107 FrG auf Fremde, denen Österreich Asyl gewährt oder die im Besitz einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sind, keine Anwendung. Gemäß § 21 Abs. 1 AsylG sind dagegen Asylwerber, mögen sie auch im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung sein und die weiter in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen erfüllen, nicht grundsätzlich von der Anwendung des § 107 FrG ausgenommen. Freilich hält sich ein Asylwerber, dem eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet auf (§ 31 Abs. 1 Z 4 FrG), weshalb er für den Zeitraum des Bestehens der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung den Tatbestand nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG nicht erfüllt. Soweit ein Asylwerber Ausweisungsschutz genießt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266), kommt darüber hinaus eine Bestrafung nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle auch ohne vorläufige Aufenthaltsberechtigung - aus den im hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zlen. 97/21/0085 und 98/21/0065, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellten und hier sinngemäß zum Tragen kommenden Gründen - nicht in Betracht. Der im vorliegenden Fall zu beurteilende Tatbestand des § 107 Abs. 1 Z 3 FrG sanktioniert jedoch anders als § 107 Abs. 1 Z 4 leg. cit. nicht (schlichtweg) den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, sondern spezifisch die Verletzung der Passpflicht. Ob dessen ungeachtet auch dann, wenn eine Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG nach dem Vorgesagten nicht in Betracht kommt, auch eine Strafbarkeit nach § 107 Abs. 1 Z 3 FrG ausscheidet - das Verhältnis der beiden Straftatbestände zueinander wird ausdrücklich nur in § 107 Abs. 3 leg. cit. angesprochen -, braucht hier nicht überprüft zu werden. Der Beschwerdeführer, für den § 20 Abs. 1 AsylG mangels Asylgewährung oder Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 15 AsylG von vornherein nicht einschlägig sein kann, war nämlich im ihm zur Last gelegten Tatzeitpunkt (2. Dezember 1999) jedenfalls noch nicht im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, wie er in seiner Beschwerde einräumt, erst am 3. Dezember 1999 den Asylantrag gestellt hat, war er bezogen auf den Tatzeitpunkt noch nicht einmal Asylwerber. Damit erweisen sich die auf diese Stellung Bezug nehmenden Beschwerdeargumente aber als nicht tragfähig. Für eine "Rückwirkung" asylrechtlicher Positionen auf den Einreisezeitpunkt finden sich im vorliegenden Zusammenhang im Gesetz keine Anhaltspunkte (vgl. zur Problematik vor dem Hintergrund des § 6 Asylgesetz 1991 auch U. Davy, aaO., II, 60 f., insbesondere FN 142).
Auch die vom Beschwerdeführer genannten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisse zu § 107 Abs. 1 Z 4 FrG (vom 20. September 1999, Zl. 98/21/0345, und vom 24. März 2000, Zl. 96/21/0247) lassen die gegenständliche Bestrafung nicht als rechtswidrig erkennen. Diesen Erkenntnissen (bzw. dem hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zlen. 97/21/0085 und 98/21/0065, auf welches das zuvor genannte Erkenntnis vom 20. September 1999 verweist) liegt zugrunde, dass eine Ausreise aus Österreich nicht zugesonnen werden kann oder dass diese überhaupt unmöglich ist; der sich daraus ergebende unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet kann nicht strafbar sein. In der vorliegenden Konstellation indes wäre das sanktionierte Verhalten nicht in erster Linie durch Ausreise - eine solche wäre gemäß § 2 Abs. 1 FrG gar nicht zulässig -, sondern durch Einreise mit einem gültigen Reisedokument (allenfalls auch durch nachträgliche Beschaffung eines solchen) abzuwenden gewesen. Dass dies dem Beschwerdeführer, der nie staatliche Verfolgung durch sein Heimatland Nigeria geltend gemacht hat, nicht möglich gewesen sein sollte - was im Hinblick auf §§ 5 Abs. 1 und 6 VStG von Relevanz wäre -, wurde über allgemeine Behauptungen hinaus nie vorgebracht.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Bestrafung des Beschwerdeführers mit dem Gesetz im Einklang steht. Soweit er gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe vorbringt, dass er vermögenslos sei und sein Einkommen unter der Grenze des Existenzminimums liege, ist ihm zu entgegnen, dass die Verhängung einer Geldstrafe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, (2000) unter E 416. zu § 19 VStG zitierte hg. Judikatur). Von daher bestehen auch gegen die Höhe der verhängten Strafe, die im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegt, keine Bedenken. Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 15. Oktober 2002
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