VwGH 2001/20/0096

VwGH2001/20/009612.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des PM in Graz, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 3. Jänner 2001, Zl. III-WA-73/2000, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde bestätigte diese das von der Bundespolizeidirektion Graz mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ausgesprochene Verbot des Besitzes von Waffen und Munition (Waffenverbot).

Aus dem angefochtenen Bescheid und dem vorgelegten Verwaltungsakt ist folgender Sachverhalt ersichtlich:

Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, Jasmine F., erstattete am 5. November 1999 bei der Bundespolizeidirektion Graz Anzeige gegen den Beschwerdeführer, weil sie von ihm gefährlich bedroht und am Körper verletzt worden sei. Bei ihrer Aussage vor der Polizei gab sie an, nachdem sie am 4. und 5. November 1999 mehrmals Streit mit dem Beschwerdeführer gehabt habe, habe dieser sie am Abend des 5. November im Zuge eines solchen Streites plötzlich mit beiden Händen am Hals gepackt und so fest zugedrückt, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Auf Grund des Würgens sei sie "ganz benommen" geworden. Der Beschwerdeführer habe sie schließlich zu Boden gestoßen, wobei sie mit dem Kopf gegen einen harten Gegenstand gefallen und danach kurzzeitig bewusstlos geworden sei. Nachdem ihr einer ihrer beiden, in der Wohnung aufhältigen Söhne aufgeholfen hätte, habe sie starke Kopfschmerzen verspürt. Als der zu diesem Zeitpunkt in der Küche sitzende Beschwerdeführer über ihren Zustand gelacht habe, habe sie ihm eine Ohrfeige versetzt. In der Folge habe der Beschwerdeführer sie mit den Worten "Ich bringe Dich um" bedroht. Auf Grund dieser Äußerung sei sie in Angst geraten. Sie sei "bereits des Öfteren von ihrem Lebensgefährten geschlagen und bedroht" worden, habe jedoch bisher nie Anzeige erstattet.

Der Beschwerdeführer verließ vor dem Eintreffen der Sicherheitsbeamten die Wohnung, kehrte aber bald darauf zurück und wurde von den mittlerweile eingetroffenen Organe der Bundespolizeidirektion Graz (für die Dauer von insgesamt einer halben Stunde) festgenommen. Bei der Sachverhaltsaufnahme wurde von den einschreitenden Beamten bei Jasmine F. eine "ca. Zehnschilling große Schwellung" an der rechten Stirnseite sowie ein starke Rötung des Halses festgestellt. Eine Erstversorgung durch das Rote Kreuz wurde von Jasmine F. abgelehnt. Im Zuge der Amtshandlung wurde gegen den Beschwerdeführer eine Wegweisung und ein Rückkehrverbot gemäß § 38a SPG ausgesprochen.

Zu seiner Rechtfertigung gab der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde an, dass ihm seine Lebensgefährtin im Zuge des Streites am Abend des 15. November 1999 mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen habe. Er habe sich dann gewehrt und sie mit beiden Händen weggestoßen, wodurch sie zu Boden gestürzt sei. Um weiteren Streit zu vermeiden, sei er ins Wohnzimmer gegangen, wohin ihm seine Lebensgefährtin nachgefolgt sei und ihm dort neuerlich eine Ohrfeige versetzt habe. Sie sei dann von ihren beiden Kindern zurück gehalten worden; der Beschwerdeführer habe die Wohnung verlassen, um weiteren Tätlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Dass er sie mit dem Umbringen bedroht habe, sei unrichtig. Die beiden 1986 und 1988 geborenen Kinder der Jasmine F., die zum Zeitpunkt des Vorfalls in der Wohnung waren, wurden zum Sachverhalt nicht befragt.

Die Staatsanwaltschaft in Graz legte die gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurück, nachdem der Beschwerdeführer und Jasmine F. im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleiches erklärt hatten, "sich ausgesprochen und den Konflikt bereinigt" zu haben.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 verbot die Bundespolizeidirektion Graz dem Beschwerdeführer den Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 WaffG und begründete diese Entscheidung damit, Jasmine F. sei auf Grund des in der oben wiedergegebenen Anzeige geschilderten Sachverhaltes in Angst und Schrecken versetzt worden, da sie habe befürchten müssen, neuerlich den Gewalttätigkeiten des Beschwerdeführers zum Opfer zu fallen, "zumal sie schon mehrmals von ihm geschlagen wurde". Aus der Aktenlage sei beim Beschwerdeführer "eine Charaktereigenschaft erkennbar, die auf Eifersucht, Aggression und Gewalttätigkeit hinweist".

In seiner gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, Jasmine F. habe "im Affekt" unrichtige Angaben gemacht, sie habe jedoch sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch beim außergerichtlichen Tatausgleich erklärt, dass sie sich niemals vom Beschwerdeführer bedroht gefühlt und weder vor noch nach diesem Vorfall jemals Angst um ihr Leben oder ihre Gesundheit gehabt habe. Sie sei bereit, "dies jederzeit nochmals zu bestätigen". Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass die ihm vorgeworfenen Charaktereigenschaften, welche zum Waffenverbot geführt hätten, dadurch "entkräftet" seien.

Laut einem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Schreiben der Behörde erster Instanz brachte der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides noch eine Berufungsergänzung ein. Weiters wird im angefochtenen Bescheid und in der gegenständlichen Beschwerde eine im Berufungsverfahren der Behörde übermittelte, im vorgelegten Verwaltungsakt jedoch nicht enthaltene Erklärung seiner Lebensgefährtin erwähnt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die erstinstanzliche Entscheidung. Begründend führte sie nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Gesetzesstellen nur aus, den Ausführungen des Beschwerdeführers könne nicht beigetreten werden,

"da die Zurücklegung der Strafanzeige wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung und der Körperverletzung im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleiches ... erfolgte und für das Verwaltungsverfahren ohne Bedeutung ist, zumal die waffenrechtliche Behörde unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen hat, ob der Inhaber einer Waffenurkunde möglicherweise eine Waffe missbräuchlich oder leichtfertig verwenden könnte. Auch ein noch so untadeliges Vorleben einer Partei darf die Behörde nicht davon abhalten, ein Waffenverbot zu verhängen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. ... Den Angaben des Berufungswerbers und der Erklärung der Jasmine F. kann seitens der Berufungsbehörde nicht gefolgt werden. Die Bestimmung des § 12 WaffG 1996 dient der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, dass bereits tatsächlich eine solche stattgefunden hat. ..."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425, mwN, sowie zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen die Erkenntnisse vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/20/0076, und vom 17. Oktober 2002, Zl. 2001/20/0418).

Nach den gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden §§ 58 und 60 AVG muss in der Begründung des Berufungsbescheides in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende) Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete (vgl. bloß die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 9. Februar 1987, Zl. 86/10/0043, u. v.a.). Im Rahmen ihrer Begründungspflicht hat sich die Behörde mit Einwendungen und der Frage des Beweiswertes von Beweismitteln, die eine Partei (auch noch im Berufungsverfahren) zur Entkräftung entgegenstehender Beweisergebnisse beibringt, auseinander zu setzen und zu begründen, weshalb sie ein Beweismittel dem anderen vorgezogen hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 E 86 sowie E 102 ff zu § 60 AVG angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Mangels eigener Feststellungen oder auch nur einer Verweisung der belangten Behörde auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid lässt er vor allem nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, von welchen Feststellungen die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Darüber hinaus fehlt im angefochtenen Bescheid jede Begründung dafür, warum die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer in der Berufung erstattete Vorbringen, seine Lebensgefährtin habe über den Vorfall unrichtige Angaben gemacht (wofür er sich u.a. auf von seiner Lebensgefährtin vor der Staatsanwaltschaft und im Zuge des außergerichtlichen Tatausgleiches gemachte Aussagen sowie eine der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgelegte Erklärung seiner Lebensgefährtin berufen hat), als unglaubwürdig qualifiziert hat.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides somit nicht den - eine nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ermöglichenden - Anforderungen der §§ 58 und 60 AVG entspricht und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde, hätte sie die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt getroffen und sich dabei insbesondere auch mit der ihr vorgelegten Erklärung der Lebensgefährtin im Einzelnen auseinander gesetzt (was je nach dem Inhalt dieser Erklärung allenfalls auch eine Einvernahme oder andere Ermittlungen erforderlich gemacht hätte), zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 12. Dezember 2002

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