Normen
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/123;
PG 1965 §9 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/123;
PG 1965 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1965 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. April 2000 als Beamtin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Ihre letzte Dienststelle war das Bundesministerium für Inneres, wo die Beschwerdeführerin als Telefonistin tätig war.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 2000 gemäß § 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), mit Ablauf des 31. März 2000 in den Ruhestand versetzt. Im Ruhestandversetzungsverfahren wurde das Gutachten des leitenden Arztes des Bundespensionsamtes Dr. Z. vom 18. Februar 2000 eingeholt, der sich wiederum auf die Untersuchungsbefunde des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 4. Jänner 2000 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 12. Jänner 2000 stützte. Aus dem Gutachten Dris. Z. ging auf Grundlage dieser Untersuchungsbefunde hervor, dass die Beschwerdeführerin
1. an Multipler Sklerose, schubhafte Verlaufsform mit linksseitiger
ataktischer Hemiparese und Blasenfunktionsstörung und
2. an degenerativen Veränderungen des Achsenskelettes mit Schmerzbeschwerden, ohne neurologische Ausfälle
leide.
Als Leistungskalkül führte der Sachverständige Folgendes aus:
"Wegen einer chronisch progredienten, schubhaft verlaufenden neurologischen Erkrankung kommt es zu einer deutlich eingeschränkten körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit. Sehr verantwortungsvolle Arbeiten, die besonderer emotionaler und psychischer Stabilität bedürfen, können nicht durchgeführt werden. Arbeiten unter gelegentlich überdurchschnittlichem Zeitdruck sind aber möglich. Weder schwere noch mittelschwere körperliche Arbeiten können durchgeführt werden. Feinmotorische Arbeiten mit den Händen können nicht erfolgen. Es können nur gelegentliche kurze Gehstrecken ohne Tragen von Gegenständen zugemutet werden. Arbeiten im Sitzen unter Ermöglichung häufiger Lagewechsel sind durchführbar. Bildschirmarbeit ist wegen der Feinmotorikstörung nur eingeschränkt möglich. Ein Anteil von 70 % Bildschirmarbeit kann nicht mehr zugemutet werden. Die Anforderungen des Arbeitsplatzes im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sind aufgrund der eingeschränkten Belastbarkeit der Beamtin aus ärztlicher Sicht auf Dauer nicht mehr zu erfüllen. Eine Besserung ist durch Entlastung und durch therapeutische Maßnahmen innerhalb eines Jahres nicht mehr zu erzielen. Der weitere Verlauf der Multiplen Sklerose ist nicht vorhersehbar. Sowohl eine Stabilisierung als auch eine fortlaufende Verschlechterung ist möglich. Der derzeitige Verlauf schien eher ungünstig trotz intensiver Therapie. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit innerhalb der kommenden 2 Jahre ist jedenfalls möglich. Berufliche Umstellung kann derzeit durch Anlernen und durch Unterweisung erfolgen. Durchführbar ist eine leichte körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung. In geschlossenen Räumen sind bei überwiegend durchschnittlichem Zeitdruck verantwortungsvolle geistige Tätigkeiten an einem bildschirmunterstützten Arbeitsplatz möglich. Ein Anteil von maximal 30 % Bildschirmarbeit an der Gesamtarbeitszeit, bei gleichmäßiger Verteilung auf den Arbeitstag, ist möglich. Dauernde Eingabetätigkeit oder Schreibarbeit ist dabei nicht möglich, das Bedienen einer 'PC-Maus' ist zumutbar. Ein Anmarschweg von 500 Metern ist innerhalb einer halben Stunde auch unter Berücksichtigung der bestehenden Gangstörung zu bewältigen. Krankenstände sind bis zu 4 Wochen im Jahr derzeit zu erwarten."
Um in Erfahrung zu bringen, zu welchen Tätigkeiten die Beschwerdeführerin bei diesem festgestellten Gesundheitszustand noch in der Lage sei, wurde in weiterer Folge vom Bundespensionsamt ein berufskundliches Gutachten eingeholt. In diesem Gutachten vom 1. November 2000 führte der berufskundliche Sachverständige Dr. G. Folgendes aus:
"Insgesamt ist der Beamtin aufgrund des gegebenen, ärztlichen Leistungskalküls weder der zuletzt besetzte Arbeitsplatz zumutbar, noch ist zumutbare Erwerbsfähigkeit gegeben. Dauernde Erwerbsfähigkeit nach Par. 4/7 PG 1965 liegt nicht vor: körperlich leichte und sowohl schematische als auch nicht schematische Arbeiten nach genauer Anweisung bei Selbstständigkeit im Rahmen eines erteilten Auftrages übersteigen nicht das vorliegende Arbeitskalkül.
Folgende Arbeitsplätze des freien und allgemeinen Arbeitsmarktes erscheinen noch zumutbar:
- (Qualifizierte) Hilfskraft in Ämtern, Büros und
Betrieben sowie im Archiv-
o. Dokumentarwesen
- Angestellte in Registraturen
Die angeführten Arbeiten sind üblicherweise mit geringer bis mittlerer Leistungs- u. Verantwortungsanforderung verbunden und stellen leichte körperliche Tätigkeiten im Sitzen mit ausreichend Ausgleichsbewegungen dar (leichte Administrationsarbeiten wie Schreiben, Ablegen auch am PC, Telefondienst, Kopieren u. Vervielfältigen etc.)."
Das Bundespensionsamt stellte mit Bescheid vom 11. Dezember 2000 fest, dass der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 3 bis 7 und 62b des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965), vom 1. April 2000 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 8.769,60 gebühre.
Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass eine Befreiung von der Kürzung nach Abs. 3 des § 4 PG 1965 nicht zu erfolgen gehabt habe, weil die Beschwerdeführerin nicht als dauernd erwerbsunfähig nach § 4 Abs. 7 PG 1965 angesehen werden könne. Diese Einschätzung stütze sich auf die Gutachten Dris. Z., und Dris. G. Demnach sei beim körperlichen und geistigen Zustand der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung noch eine Restarbeitsfähigkeit vorhanden gewesen und diese daher nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965. Unter Berücksichtigung einer bescheidmäßig erfolgten Zurechnung von zehn Jahren gemäß § 9 PG 1965 errechne sich eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 25 Jahren und einem Monat; unter Zugrundelegung von 62 % als Ruhegenussbemessungsgrundlage errechne sich der bescheidmäßig festgestellte Betrag des Ruhegenusses.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie im Wesentlichen darauf hinwies, sie sei gemäß § 4 Abs. 7 PG 1965 als dauernd erwerbsunfähig einzustufen, sodass ihre Ruhegenussbemessungsgrundlage nicht 62 % (Mindestausmaß) sondern 80 % betrage. Sie begründe dies damit, dass im ärztlichen Untersuchungsbefund Dris. S. nach der Prognose bezüglich ihrer Erkrankung keinerlei Besserung zu erwarten sei; diese Schlussfolgerung finde sich auch im ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundespensionsamtes zur Leistungsfeststellung. Andererseits werde widersprüchlich von einer theoretischen Verbesserbarkeit ihres Gesundheitszustandes gesprochen, obwohl gleichzeitig zuerkannt werde, dass ein weiterer Verlauf ihrer Krankheit als eher ungünstig einzustufen sei. Zudem sei unerfindlich, in welcher Tätigkeit sie am gesamten Arbeitsmarkt auf Grund ihrer Erkrankung noch eingesetzt werden könnte, wenn ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beamtin sogar unter jene so genannten "einfachen" Tätigkeiten falle, die der berufskundliche Sachverständige genannt habe. Gemäß § 9 PG 1965 sei sie als zumutbar erwerbsunfähig eingestuft worden, was bedeute, dass sie auch in sämtlichen Verweisungsberufen, die in ihrer Qualifikation, Ausbildung und sozialem Ansehen der Tätigkeit einer Telefonistin entsprächen, nicht mehr einsetzbar wäre. Wenn sie aber auf Grund ihrer Erkrankung nicht einmal als Telefonistin einsetzbar sei, so bleibe keine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sie verweisbare Tätigkeit über, sodass sie als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 einzustufen sei. Zudem sei ihr nach dem Behinderteneinstellungsgesetz eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 % bescheidmäßig zuerkannt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Juni 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 11. Dezember 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsverfahrens und des Inhaltes der in diesem eingeholten Gutachten stellte die belangte Behörde fest, aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin sowohl aus medizinischer als auch aus berufskundlicher Sicht im Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung als dauernd erwerbsunfähig (gemeint wohl: nicht als dauernd erwerbsunfähig) anzusehen sei. In der Berufung bestreite die Beschwerdeführerin offenbar nicht, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung erwerbsfähig gewesen sei. Wenn sie aber in der Berufung auf die von Dr. S. in seinem Gutachten gemachte Feststellung verweise, wonach keine Besserung ihrer Erkrankung zu erwarten sei, wolle sie wohl zum Ausdruck bringen, dass diese Erwerbsfähigkeit nicht auf Dauer gegeben sei. Dazu sei allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Aussage nur im Zusammenhang mit den übrigen in diesem Gutachten gemachten Feststellungen zu verstehen sei. Maßgeblich, ob dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege oder nicht, sei in erster Linie nicht die Krankheit selbst, sondern die dadurch eingetretene Minderung der Leistungsfähigkeit. Diesbezüglich mache Dr. S. in seinem Gutachten eindeutige Aussagen und halte dort unter "Leistungsdefizit" fest, dass der Beschwerdeführerin "aus allgemein medizinischer Sicht eine hauptsächlich sitzende, leichte bis mittelschwere Tätigkeit mit den üblichen Arbeitspausen und ohne übermäßigen Zeitdruck zumutbar sei." Nach dieser Aussage sei bei der Beschwerdeführerin zumindest aus medizinischer Sicht Erwerbsunfähigkeit sicherlich nicht gegeben. An dieser Einschätzung der Leistungsfähigkeit ändere auch die Feststellung nichts, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und die damit - eingeschränkte, aber doch gegebene - Erwerbsfähigkeit nicht mehr bessern werde. Im Übrigen verweise Dr. S. hinsichtlich der Einschränkungen, die durch die Krankheit der Beschwerdeführerin eingetreten seien und die bei der Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit eindeutig im Vordergrund stünden, auf das neurologische Gutachten Dris. F. Dieses Gutachten halte zunächst fest, dass der weitere Verlauf der Krankheit der Beschwerdeführerin nicht vorhersehbar sei. Wenn die Beschwerdeführerin aber meine, dass in der Folge darin der weitere Verlauf ihrer Krankheit als ungünstig eingestuft werde, so übersehe sie, dass mit dieser Feststellung keine Prognose für die Zukunft abgegeben worden sei. Es werde darin lediglich festgehalten, dass der "derzeitige" - dies könne in diesem Zusammenhang nur bedeuten: der bisherige, bis zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. F. - Verlauf der Krankheit trotz intensiver Therapie der untersuchenden Ärztin als ungünstig erschienen sei. Bezüglich der künftigen Entwicklung enthalte das ausgesprochene Gutachten nur eine Aussage, nämlich, dass "eine Besserung der Leistungsfähigkeit innerhalb der kommenden zwei Jahre jedenfalls möglich sei." Der von der Beschwerdeführerin angesprochene Widerspruch in diesem Gutachten sei nicht gegeben und es könne daraus berechtigterweise der Schluss gezogen werden, dass bei entsprechender Therapie innerhalb dieses Zeithorizontes, wenn schon nicht mit einer Verbesserung, so doch mit keiner Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen sei.
Bezüglich der Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen das Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen sei festzuhalten, dass dort in ausreichender Weise dargelegt werde, welche "Arbeitsplätze des freien und allgemeinen Arbeitsmarktes" der Beschwerdeführerin als gesundheitlich noch zumutbar anzusehen seien. Als Verweisungsberuf werde dort der Beruf einer Telefonistin eindeutig nicht angeführt. Es werde sogar ausdrücklich hervorgehoben, dass der Beschwerdeführerin auf Grund des medizinischen Leistungskalküls der "zuletzt besetzte Arbeitsplatz" - also der Arbeitsplatz einer Telefonistin - nicht zumutbar sei. Dass die der Beschwerdeführerin als gesundheitlich zumutbar angesehenen Tätigkeiten auch fallweise das Telefonieren umfassten, könne nicht dagegen sprechen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführerin feinmotorische Tätigkeiten nicht mehr möglich seien, sei sowohl im medizinischen als auch im berufskundlichen Leistungskalkül berücksichtigt worden. Darüber hinaus fänden sich in den beiden medizinischen Gutachten keine Feststellungen darüber, dass es der Beschwerdeführerin auch unmöglich sei, Tätigkeiten mit leichter körperlicher Anstrengung durchzuführen. Ebenso fehle die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, "Anmarschwege zu bewältigen"; es werde vielmehr ausgesagt, dass ihr noch "gelegentlich kurze Gehstrecken" durchaus zugemutet werden könnten. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nach dem Behinderteneinstellungsgesetz zu 70 % behindert sei, habe keinen Einfluss auf die Frage, ob sie dauernd erwerbsunfähig sei, weil der Begriff der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 ein eigenständiger sei, dessen Vorliegen nur von der Pensionsbehörde zu beurteilen sei.
Zusammenfassend müsse daher gesagt werden, dass die Berufungseinwände nicht geeignet seien, das medizinische oder das berufskundliche Leistungskalkül in Frage zu stellen. Es sei daher weiter davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin zumindest zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 gewesen sei. Die Voraussetzung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 sei daher nicht vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der im Beschwerdefall für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin, somit der 1. April 2000. Die Frage der Erwerbsunfähigkeit des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 ist nach der damals geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 62j Abs. 2 erster Satz PG 1965 in der - hier anzuwendenden -
Fassung dieser Gesetzesbestimmung nach den Novellen BGBl. I Nr. 95/2000 und BGBl. I Nr. 142/2000).
§ 4 PG 1965 in der im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung geltenden Fassung, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/98, lautet (auszugsweise):
"§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.
(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.
(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt
- 1. im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,
- 2. wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt oder
3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung "dauernd erwerbsunfähi" ist.
(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf 62 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten.
(6) ...
(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
(8) ..."
Unbestritten ist die Beschwerdeführerin (im Sinne des § 14 BDG 1979) dienstunfähig und (im Sinne des § 9 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung vor der Pensionsreformnovelle 2000) zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden (vgl. dazu auch den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2000, mit welchem auf dieser Rechtsgrundlage der Beschwerdeführerin ein Zeitraum von 10 Jahren zu ihrer ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit hinzugerechnet wurde).
Gegenstand des vorliegenden Ruhegenussbemessungsverfahrens ist die Klärung der Frage, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung "dauernd erwerbsunfähig" war (§ 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) und ob demnach die Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zur Anwendung gelangte oder nicht.
Eine solche dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, daher die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wieder erlangt werden kann. Der schon bisher in § 9 Abs. 1 PG 1965 (in der Fassung bis zum Pensionsreformgesetz 2000) verwendete Begriff der Erwerbsunfähigkeit (Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb) hat mit dem in § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 verwendeten Begriff insofern eine "gemeinsame" Wurzel, als Erwerbsfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Die Erwerbsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen. Es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Sie setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 2001, Zl. 2000712/0300, und vom 20. Februar 2002, Zl. 2000/12/0058, mit weiteren Nachweisen).
Gestützt auf die medizinischen Gutachten, die dem Ruhestandsversetzungsverfahren zu Grunde lagen (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Heranziehung auch dieser Gutachten zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025) und auf das darauf Bezug nehmende im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 erstattete berufskundliche Gutachten gelangte die belangte Behörde zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin im Sinn des § 4 PG 1965 nicht erwerbsunfähig sei, sondern - im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung - näher genannte und umschriebene einfachere Tätigkeiten noch hätte ausüben können.
Unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin eine Unvollständigkeit der Gutachten bzw. des Bescheides. Es sei unbestritten, dass sie nicht mehr als Telefonistin verwendbar sei. Es müsse daher jedenfalls bei einer weiteren Erwerbstätigkeit eine Umschulung auf eine andere Arbeit erfolgen. Es könne aus der allgemeinen Lebenserfahrung als bekannt vorausgesetzt werden, dass eine solche Umschulungsphase erhöhte Anforderungen vor allem psychischer Art stelle. Mit der Frage, ob die Beschwerdeführerin dieser psychischen Belastung gewachsen sei, habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinander gesetzt.
Die Beschwerdeführerin übersieht damit aber, dass sich in den Gutachten, auf die sich die belangte Behörde stützte, auch zur Umschulung Aussagen finden, denen die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten ist. So führte der Gutachter Dr. Z. in seinem Gutachten unter Bezugnahme auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin aus, "berufliche Umstellung kann derzeit durch Anlernen und durch Unterweisung erfolgen." Das eingeholte Gutachten Dris. F. hält fest, dass von der Beschwerdeführerin "sehr verantwortungsvolle Arbeiten, die besonderer emotionaler und psychischer Stabilität bedürften, nicht durchgeführt werden könnten. Arbeiten unter gelegentlich überdurchschnittlichem Zeitdruck seien aber möglich."
Diese Feststellungen geben aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in ausreichendem Ausmaß Auskunft darüber, dass und welche psychischen Belastungen, die im Falle einer Umschulung und Neueinschulung typischerweise auftreten könnten, die Beschwerdeführerin zu tragen im Stande ist. Es kann daraus in schlüssiger Form abgeleitet werden, dass die Beschwerdeführerin zwar einem ständigen überdurchschnittlichen Zeitdruck nicht gewachsen ist, einer gelegentlichen Überbelastung aber sehr wohl. Dass eine Umschulung auf eine weitaus einfachere Tätigkeit, als von der Beschwerdeführerin bisher ausgeübt, derart beschaffen wäre, dass sie hinsichtlich ihrer psychischen Belastung anders zu bewerten wären als die genannten Arbeiten "unter gelegentlich überdurchschnittlichem Zeitdruck", die die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung aber noch bewältigen konnte, wird weder von der Beschwerdeführerin behauptet, noch ist dies offensichtlich. Das diesbezügliche Vorbringen zeigt daher keine Ergänzungsbedürftigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
In weiterer Folge rügt die Beschwerdeführerin die Widersprüchlichkeit der medizinischen Begutachtung, in der einerseits ausgeführt werde, eine Besserung ihrer Leistungsfähigkeit innerhalb der kommenden zwei Jahre sei jedenfalls möglich, andererseits sei der weitere Verlauf ihrer Krankheit als völlig unkalkulierbar dargestellt worden. Dazu komme noch eine weitere, die Zukunft betreffende Aussage, nämlich, dass eine Besserung durch Entlastung und durch therapeutische Maßnahmen innerhalb eines Jahres nicht mehr zu erzielen sei. Auf Grund dieser Widersprüchlichkeit ergebe sich keine taugliche Basis für eine fundierte Entscheidung.
Wie bereits oben dargestellt, ist bei Lösung der Frage, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vorliegt, eine die Zukunft einbeziehende Prognoseentscheidung erforderlich (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, mit weiteren Nachweisen). Es ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass aus den Ausführungen des Sachverständigen für Medizin keine tragfähige Grundlage im Hinblick auf eine Prognose über den zukünftigen Krankheitsverlauf der Beschwerdeführerin zu gewinnen ist und die von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Widersprüchlichkeit und Unschärfe hinsichtlich ihrer zukünftigen Krankheitsentwicklung in den Aussagen dieses Sachverständigen tatsächlich besteht. Nun erweist sich die Prognose der Dauerhaftigkeit der Erwerbsunfähigkeit aber erst dann als notwendig, wenn im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand Erwerbsunfähigkeit vorliegt und es - im Rahmen dieser Prognose - darum geht, das "Fortdauern" dieser Erwerbsunfähigkeit in die Zukunft festzustellen.
Der aufgezeigte Mangel der Prognose wäre daher dann für den Verfahrensausgang ohne Relevanz, wenn die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand erwerbsfähig im Sinne des § 4 Abs. 3 PG 1965, der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof Stand hielte. Dies ist jedoch aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:
Das Gutachten Dris. Z., auf welches sich die belangte Behörde maßgeblich stützt, weist nämlich eine - gegebenenfalls für den Verfahrensausgang entscheidende - Ergänzungsbedürftigkeit im Bereich des bei der Beschwerdeführerin festgestellten Leitsungskalküls auf. So ging der Sachverständige zwar bei der Beschreibung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin noch unter Bezugnahme auf die ihm vorliegenden medizinischen Befunde davon aus, dass die Beschwerdeführerin (u.a.) an einer Blasenfunktionsstörung leide; auf dieses - nicht unerhebliche - Merkmal des Leidenszustandes der Beschwerdeführerin kommt er jedoch bei der Beurteilung ihres Leistungskalküls nicht mehr zurück. Allerdings spricht der Sachverständige in diesem Zusammenhang davon, dass von der Beschwerdeführerin "ein Anmarschweg von 500 Metern innerhalb einer halben Stunde auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Gangstörung" zu bewältigen sei. Eine Beziehung zwischen der Behinderung der Fortbewegung der Beschwerdeführerin und der Blasenfunktionsstörung, die häufigere Ortswechsel der Beschwerdeführerin als bei anderen Erwerbstätigen nahe legen, stellen weder der leitende Arzt des Bundespensionsamtes noch der Sachverständige für Berufskunde in ihren Gutachten her.
Die ärztlichen Feststellungen zum Gesundheitzustand der Beschwerdeführerin lassen aber gerade vor dem Hintergrund der (oben wiedergegebenen) Rechtsprechung zur Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess (vgl. u.a. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2001) die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Frage geboten erscheinen, ob eine 36-jährige Frau, der wegen ihrer Gehstörungen nur ein Anmarschweg von 500 m in einer halben Stunde zugemutet werden kann, unter Mitberücksichtigung der bei ihr festgestellten Blasenfunktionsstörung am Arbeitsmarkt überhaupt eingegliedert werden kann. Mit dieser Frage haben sich aber weder die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten noch die belangte Behörde selbst in nachvollziehbarer Weise befasst, sodass die auch in diesem Zusammenhang auf die eingeholten Gutachten aufbauenden Schlussfolgerungen der belangten Behörde wegen der aufgezeigten Unvollständigkeit der Gutachten einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht standhalten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. September 2002
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