Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11. April 2000 die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 sowie § 29 Abs. 4 des Führerscheingesetzes (FSG) für die Dauer von 12 Monaten bis einschließlich 15. Oktober 2000. Als begleitende Maßnahme wurde die Absolvierung eines Einstellungs- und Verhaltenstrainings bis 15. Oktober 2000 angeordnet; außerdem wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, sich vor Ablauf der Entziehungszeit einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 26 Abs. 8 FSG zu unterziehen.
Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers, der sich im Entziehungsverfahren als Rechtsanwalt auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG berufen hatte, zugestellt.
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2000 ersuchte der Beschwerdeführer persönlich um Wiederausfolgung des Führerscheines.
Im Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 12. Oktober 2000 wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 derzeit nicht geeignet sei. Auch der Amtsarzt kam in seinem Gutachten gemäß § 8 FSG zum gleichen Ergebnis.
Der Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gemäß § 45 AVG persönlich vom Ergebnis dieser Beweisaufnahme verständigt. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung eine Stellungnahme abzugeben oder am 6. November 2000 zu einer mündlichen Erörterung des Gegenstandes bei der Behörde zu erscheinen. Diese Verständigung erging "nachrichtlich" an den Vertreter des Beschwerdeführers.
In einem Aktenvermerk vom 20. Oktober 2000 wurde vom Sachbearbeiter der Behörde erster Instanz festgehalten, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vorgesprochen und ausdrücklich erklärt habe, nicht mehr durch den im Akt ausgewiesenen Anwalt vertreten zu sein. Sollte er einen Anwalt benötigen, werde er sich mit diesem in Verbindung setzen. In einer vom Beschwerdeführer unterzeichneten Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom selben Tag ist festgehalten, dass ihm das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, vor allem das Gutachten des medizinischen Sachverständigen zur Kenntnis gebracht worden sei.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 25. Oktober 2000, für den Beschwerdeführer nach zwei Zustellversuchen an dessen Abgabestelle am 31. Oktober 2000 hinterlegt, wurde dem Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines vom 2. Oktober 2000 keine Folge gegeben. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung ab Zustellung des Bescheides mangels gesundheitlicher Eignung gemäß § 24 Abs. 1 FSG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Z. 4 lit. a Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) entzogen. Weiters wurde gemäß § 25 Abs. 1 und 2 FSG ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer bis zur behördlichen Feststellung der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf. Der medizinische Sachverständige habe eine seit Jahrzehnten bestehende Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers diagnostiziert. Es fänden sich typische Zeichen der chronischen Alkoholkrankheit mit Endstücksataxie im Vorhalteversuch sowie dupuytrensche Kontraktur der Beugesehnen der Ruhehand. Weiters bestehe eine toxische Polyneuropathie mit Sensibilitätsstörung im Bereich beider Unterschenkel und Gangunsicherheit. Im Zusammenhang mit der verkehrspsychologischen Begutachtung sei die Annahme gerechtfertigt, dass beim Beschwerdeführer die zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klassen A und B erforderliche gesundheitliche Eignung nicht mehr gegeben sei.
Bereits mit Eingabe vom 27. Oktober 2000, bei der Behörde eingelangt am 30. Oktober 2000, hatte der im erstgenannten Entziehungsverfahren vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Rechtsanwalt unter Hinweis auf die Vollmachtserteilung gemäß § 10 Abs. 1 AVG die Übermittlung von Ablichtungen der Gutachten und sämtlicher seit dem Bescheid vom 11. April 2000 bei der Behörde eingelangten Unterlagen sowie die Erstreckung der dem Beschwerdeführer eingeräumten Frist zur Stellungnahme zu diesen Gutachten beantragt.
In ihrem Schreiben vom 2. November 2000 informierte die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach den Vertreter des Beschwerdeführers von der bereits erfolgten Abfertigung ihres (nunmehrigen) Entziehungsbescheides vom 25. Oktober 2000.
In der - ausgehend von einer gesetzeskonformen Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG - fristgerecht vom Vertreter des Beschwerdeführers erhobenen Berufung gegen den Entziehungsbescheid vom 25. Oktober 2000 wird ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei keine Gelegenheit gegeben worden, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erhalten; es sei daher kein Parteiengehör eingeräumt worden. Die Bestellung eines Vertreters bewirke, dass die Behörde Verfahrenshandlungen gegen den Vertreter zu setzen habe; diesem sei daher im Ermittlungsverfahren Gehör zu gewähren, sämtliche Schriftstücke seien dem Vertreter und nicht dem Vertretenen zuzustellen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, der behauptete Verfahrensmangel liege nicht vor. Selbst wenn der Mangel des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz vorgelegen hätte, wäre dieser Mangel durch die im Berufungsverfahren bestehende Möglichkeit zur Äußerung geheilt. In der Sache selbst habe der Beschwerdeführer nichts vorgebracht. Die Berufung enthalte keine neuen, im bisherigen Verfahren noch nicht berücksichtigte Fakten. Zweifel an der Richtigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens bestünden nicht, vielmehr sei dieses Gutachten auf Grund der vorliegenden Befunde und der verkehrspsychologischen Stellungnahme schlüssig und nachvollziehbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer erblickt seinem Vorbringen in der Beschwerde zufolge eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass der erstinstanzliche Bescheid "trotz ausgewiesener Vollmacht des für die Partei einschreitenden Vertreters" nur dem Beschwerdeführer selbst zugestellt worden sei. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher nicht rechtswirksam erlassen, die belangte Behörde wäre nicht befugt gewesen, in der Sache zu entscheiden.
Schon mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Hat ein Rechtsanwalt der Behörde in einem Verwaltungsverfahren seine Bevollmächtigung durch die Partei gemäß § 10 Abs. 1 AVG (in einem Schriftsatz) bekannt gegeben und im Verfahren unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht Anträge eingebracht, kann eine Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG wirksam allein an diesen Rechtsanwalt erfolgen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0789, und vom 28. Mai 2002, Zl. 2000/11/0143).
Unstrittig ist die aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtliche Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 25. Oktober 2000 an der Abgabestelle (§ 4 ZustellG) des Beschwerdeführers am 31. Oktober 2000, also nach Einlangen der Bekanntgabe der Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters bei dieser Behörde. Diese Hinterlegung hat daher nicht die Wirkung einer Zustellung, weshalb dieser Bescheid noch nicht erlassen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 2000/11/0336). Ab dem Vorliegen einer - infolge Berufung eines Rechtsanwaltes auf die erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG bestehenden - Zustellungsbevollmächtigung (§ 9 ZustG) hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht an den Vertretenen zuzustellen; wird statt dessen an den Vertretenen selbst zugestellt, ist diese Zustellung unwirksam (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 50. zu § 9 ZustG, Seiten 1925 f, wiedergegebene Rechtsprechung).
An diesem Ergebnis ändert auch nichts die vom Beschwerdeführer am 20. Oktober 2000 abgegebene, vom zuständigen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach in einem Aktenvermerk festgehaltene Erklärung, nicht mehr durch einen Anwalt vertreten zu sein. Der Beschwerdeführer hat nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, "sich mit ihm (gemeint: seinem Anwalt) in Verbindung" zu setzen, "falls er ihn brauchen wird". In dem bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach in der Folge am 30. Oktober 2000 - also vor Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer - eingelangten Schriftsatz hat sich der Vertreter des Beschwerdeführers auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG berufen. Sowohl die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach als auch die belangte Behörde sind von einer unbedenklichen (neuerlichen) Vollmachtserteilung durch den Beschwerdeführer ausgegangen. Auch für den Verwaltungsgerichtshof obwalten keine Zweifel über Bestand und Umfang dieser Vertretungsbefugnis.
Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der belangten Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur soweit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 93. zu § 66 AVG, Seite 1261, referierte hg. Judikatur).
Mit dem meritorischen Abspruch über die Berufung des Beschwerdeführers hat daher die belangte Behörde die Grenzen ihrer funktionellen Zuständigkeit überschritten, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 4. Juli 2002
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