Normen
MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 22. Februar 1970 in Kitzbühel geborene, geschiedene Betroffene M.G. ist mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des Beschwerdeführers gemeldet. Seit 5. März 1999 ist sie in Kitzbühel mit weiterem Wohnsitz gemeldet.
Die Betroffene ist in Kitzbühel berufstätig, wohnt dort und tritt von dort den Weg zur Arbeitsstätte an. In ihrer Wohnsitzerklärung gab sie an, dass sie sich ca. 315 Tage im Jahr in Kitzbühel und ca. 50 Tage im Jahr in Reith aufhalte. In einer weiteren Stellungnahme führte sie aus, dass intensive gesellschaftliche Kontakte (Famile, Freunde) in Reith bestünden, sie dort ein Grundstück habe und dass sie beabsichtige, in Reith ein Eigenheim zu erwerben.
Der mitbeteiligte Bürgermeister beantragte mit Eingabe vom 4. Juli 2001 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zur Entscheidung darüber, ob die Betroffene, die in der Gemeinde des beschwerdeführende Bürgermeister mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nach Durchführung eines Reklamationsverfahrens dem Antrag des mitbeteiligten Bürgermeisters stattgegeben, der Hauptwohnsitz der Betroffenen in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters aufgehoben und der Betroffenen aufgetragen, die erforderliche Meldung bei der für ihren nunmehrigen Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde vorzunehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof im Geltungsbereich der auch im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung BGBl. Nr. 352/1995, ausgeführt, dass im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt (wird), ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG 1991) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u. a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher - wie auch den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Meldegesetznovelle, BGBl. Nr. 505/1994 (GP XVIII RV 1334), zu entnehmen ist - vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften. Diese Regelung hat durch die Anfügung des Abs. 8 im § 1 MeldeG mit der Novelle vom 30. März 2001, BGBl. I Nr. 28/2001, keine inhaltliche Änderung erfahren, weil damit nur die in der vorzitierten Regierungsvorlage angeführten Kriterien in Gesetzesform gegossen worden sind.
Für das vom Verfassungsgerichtshof in seinem obzitierten Erkenntnis vom 26. September 2001 als verfassungskonform bewertete Reklamationsverfahren gilt daher, dass nur die im § 17 Abs. 3 MeldeG angeführten Beweismittel zulässig sind; die Parteien trifft eine besondere Mitwirkungspflicht. Die am Reklamationsverfahren beteiligten Bürgermeister dürfen nur Tatsachen geltend machen, die sie in Vollziehung eines Bundes- oder Landesgesetzes ermittelt haben und die keinem Übermittlungsverbot unterliegen.
Um dem Ziel des Reklamationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 3 MeldeG - "die Richtigkeit einer von einem Meldepflichtigen vorgenommenen Erklärung seines Hauptwohnsitzes im öffentlichen Interesse zu hinterfragen" (siehe das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001) - nachkommen zu können, hat sohin die Behörde (§ 17 Abs. 1 MeldeG) in ihrer Entscheidung für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen des Betroffenen als wesentliches Tatbestandsmerkmal seines Hauptwohnsitzes gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG eine Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen vorzunehmen. Diesen Anforderungen wird das Ermittlungsverfahren nur dann entsprechen, wenn die Behörde jedenfalls die oben wiedergegebenen, nunmehr im § 1 Abs. 8 MeldeG, BGBl. Nr. 28/2001, für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen angeführten Kriterien berücksichtigt hat. Hiefür stehen der Behörde die im § 17 Abs. 3 MeldeG (abschließend) aufgezählten Beweismittel zur Verfügung. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dazu der vom Verfassungsgerichtshof in dessen Erkenntnis vom 26. September 2001 vertretenen Auffassung an, dass die dort normierte besondere Mitwirkungspflicht der Parteien, insbesondere des Betroffenen, deren Verpflichtung einschließt, zu strittigen Umständen in Form verbindlicher und nachvollziehbarer Erklärungen und Erläuterungen Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" nur dann entscheidend ist, wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen Mittelpunkte der Lebensbeziehungen darstellen (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935), die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung des Hauptwohnsitzes allein also nicht jedenfalls maßgeblich ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen in Kauf genommen, um im gegebenen Zusammenhang bestimmte behördliche Vorgangsweisen hintanzuhalten, die bei Geltung des Prinzips der Unbeschränktheit der Beweismittel nach § 46 AVG denkbar oder möglicherweise sogar geboten wären.
Im Beschwerdefall steht fest, dass die 31-jährige Betroffene in Kitzbühel einer Beschäftigung nachgeht und vom dortigen Wohnsitz ihr Weg zur Arbeitsstätte ausgeht. Dass die Wohnsitznahme in Kitzbühel ausschließlich berufsbedingt erfolgt wäre, erscheint bei zwei unmittelbar benachbarten Gemeinden nicht nachvollziehbar, weil nicht erklärbar ist, warum der Weg zur Arbeitsstätte nicht auch von der Wohnung in der Heimatgemeinde aus angetreten werden kann. Auch die angegebene Aufenthaltsdauer lässt zwingend darauf schließen, dass nicht nur berufliche Tätigkeiten in Kitzbühel entfaltet werden.
Das Reklamationsverfahren ist, wie sich aus § 17 Abs. 1 MeldeG unzweifelhaft ergibt, gegenwartsbezogen ("... dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat"); es kommt also nicht auf beabsichtigte Veränderungen (hier: die Absicht, ein Eigenheim zu erwerben) an, da jederzeit eine neue Meldung erfolgen kann bzw. muss. Die Heimatverbundenheit einer Person ist in den in § 1 Abs. 8 MeldeG genannten Kriterien nicht enthalten.
Die erforderliche Gesamtbetrachtung verleiht der beruflichen Lebensbeziehung im Zusammenhang mit der angegebenen Aufenthaltsdauer ein deutliches Übergewicht, während bei der im Reklamationsverfahren gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die familiäre Bindung an die Eltern umso mehr in den Hintergrund tritt, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat. Auch das von den Eltern geschenkte Grundstück schafft noch keine derartige Lebensbeziehung, dass eine über § 1 Abs. 6 MeldeG hinausreichende Wohnsitzqualität angenommen werden kann.
Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer weiters darin, dass die auf Grund der Wohnsitzerklärung festgestellte Aufenthaltsdauer aufklärungsbedürftig sei. Die Fragestellung in der Wohnsitzerklärung: "Ich verbringe während eines Jahres am Hauptwohnsitz/am Nebenwohnsitz ungefähr folgende Anzahl von Tagen" ist eindeutig und wurde von der Betroffenen offenkundig verstanden. Verfahrensmängel liegen somit nicht vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Februar 2002
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