Normen
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §81;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §81;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. Mai 2001 hat der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 11. August 2000, mit dem der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer Betriebsanlage an einem bezeichneten Standort durch die Errichtung einer Abfackelungsanlage genehmigt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei über den Antrag der Mitbeteiligten vom 15. Mai 2000 betreffend die Änderung der Betriebsanlage durch die Errichtung einer Abfackelungsanlage am 7. Juni 2000 eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Zu dieser Verhandlung sei der Beschwerdeführer nicht persönlich geladen worden. Mit Bescheid vom 11. August 2000 habe die genannte Bezirkshauptmannschaft die Änderung der Betriebsanlage antragsgemäß genehmigt. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer nicht zugestellt worden.
Der Beschwerdeführer betreibe einen Gartenbaubetrieb in Mannswörth, welcher sich nach seinen Angaben in einer Entfernung von 80 m von der Betriebsanlage befinde. Mit Schreiben vom 25. September 2000 habe er "Einspruch" gegen die Errichtung und den Betrieb der Abfackelungsanlage eingebracht. Nach seinen Angaben käme es auf Grund der Abgase dieser Anlage zu einer Schädigung seiner Pflanzen und seiner Gesundheit. Er hätte im Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit gehabt, gegen die Anlage Einwendungen vorzubringen. Bei seiner Einvernahme am 14. November 2000 habe der Beschwerdeführer ergänzend vorgebracht, dass er den Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Schwechat betreffend die Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den 7. Juni 2000 nicht bemerkt hätte. Zwischen seinem Grundstück und der Betriebsliegenschaft der mitbeteiligten Partei verliefe die Autobahn A4. Die Abfackelungsanlage würde auf dem seinem Grundstück nächstliegenden Teil der Betriebsanlage stehen. Vom gegenständlichen Verfahren betreffend Änderung einer Betriebsanlage hätte er erst durch die von ihm bemerkten Bautätigkeiten und einem darauf folgenden Telefonat mit der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung erfahren. Durch die derzeitige Umweltsituation wäre die Produktion von Feingemüse in geschützten Kulturen ohnehin an die Grenze der Belastbarkeit gelangt. Bereits geringfügige zusätzliche Einwirkungen könnten erhebliche Schäden verursachen. Ergänzend habe der Beschwerdeführer angegeben, dass die mündliche Verhandlung nicht durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 bekannt gegeben worden sei.
Die Stadtgemeinde Schwechat habe in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass der Abstand der nördlichen Grenze der Betriebsliegenschaft bis zu den Grundstücken des Beschwerdeführers etwa 70 m und bis zum Wohnhaus des Beschwerdeführers etwa 240 m betrage. Die Eigentümer der unmittelbar angrenzenden Liegenschaften seien von der Verhandlung nicht nachweislich verständigt worden. Die Kundmachung betreffend diese Verhandlung sei an der Amtstafel der Stadtgemeinde Schwechat am 26. Mai 2000 angeschlagen und am 7. Juni 2000 wieder abgenommen worden.
Die Abteilung Umwelttechnik, Fachgebiet Luftreinhaltetechnik, des Amtes der NÖ Landesregierung habe über Anfrage, ob aus luftreinhaltetechnischer Sicht der Beschwerdeführer auf Grund der Lage seiner Gärtnerei durch die Errichtung der gegenständlichen Abfackelungsanlage potenziell gefährdet oder belästigt bzw. in seinem Eigentum gefährdet werden könne, folgende Stellungnahme abgegeben:
"Aus der Verhandlungsschrift vom 7. Juni 2000 ist ersichtlich, dass in der gegenständlichen Fackel ausschließlich schwefel-, halogen- und stickstofffreie Kohlenwasserstoffe zur Verbrennung gelangen. Daraus bedingt setzen sich die Abgasemissionen aus Kohlendioxid, Wasserdampf, Kohlemonoxid und Stickstoffoxiden aus dem Luftstickstoff zusammen. Als Luftschadstoff sind im gegenständlichen Fall die Stickstoffoxide anzusehen, welche bei Fackeln dieser Größenordnung um 150 mg/m3 liegen. Kohlenmonoxid ist auf Grund der gegebenen Verbrennungstemperatur von 800°C bis 1.200°C als vernachlässigbar anzusehen, sodass lediglich die Stickstoffoxide für eine umwelttechnische Betrachtung heranzuziehen sind.
Werden die Stickoxidimmissionen unter Zugrundelegung der Fackelauslegung für das nächstliegende Grundstück des Herrn S (Grundstück Nr. 487) nach ÖNORM M 9440 ermittelt, so ist zu ersehen, dass das Immissionsmaximum bei der Ausbreitungsklasse 3, bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s (Starkwind) gegeben ist. Die Maximalimmission liegt bei 5 µg/m3 (0,005 mg/m3) in einer Entfernung von ca. 155 m vom Emittenten und liegt messtechnisch im Nachweisbereich der zur Zeit eingesetzten Immissionsmessgeräte. Da die Immissionen der gegenständlichen Fackel auf den Liegenschaften des Herrn S nur bei Winden aus südlicher Richtung zum Tragen kommen und Winde mit einer Windgeschwindigkeit von >10m/s aus südlicher Richtung im Raume Schwechat nicht auftreten, sind Stickoxidimmissionen in der berechneten Höhe auszuschließen. Eine potenzielle Gefährdung oder Beeinträchtigung des Eigentums (Gärtnerei) sowie der Gesundheit des Herrn S ist aus der Sicht der Luftreinhaltetechnik auszuschließen.
Die Immissionen der gegenständlichen Fackel wurden im erstinstanzlichen Verfahren deshalb nicht berücksichtigt, da als Hauptemissionsquellen die A 4, die OMV sowie der Großraum Wien anzusehen sind. Die angeführten Emissionsquellen weisen ein Vielfaches an Stickoxidemissionen auf."
Aus diesem Gutachten des Amtsachverständigen für Umwelttechnik, Fachgebiet Luftreinhaltetechnik vom 8. Mai 2001 gehe somit nachvollziehbar und schlüssig hervor, dass die einzig relevanten Stickstoffoxid-Emissionen der Anlage schlussendlich vernachlässigbar seien und eine potenzielle Gefährdung oder Beeinträchtigung des Eigentums und der Gesundheit des Beschwerdeführers auszuschließen sei. Die Gärtnerei des Beschwerdeführers liege somit außerhalb des möglichen Immissionsbereiches der Abfackelungsanlage. Dem Beschwerdeführer komme daher keine Nachbarstellung und damit auch keine Parteistellung zu. Seine Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, dass ihm jedenfalls Nachbarstellung zukomme, weil er Eigentümer eines unmittelbar - nur durch die Autobahn getrennten - an die Betriebsliegenschaft angrenzenden Grundstückes sei. Er halte sich im gesamten Bereich seiner Gärtnerei, auf dem sich auch mehrere Glashäuser befänden, regelmäßig auf, weil er dort Arbeiten zu verrichten habe. Der vom Sachverständigen angenommene übliche Emissionswert einer derartigen Abfackelungsanlage von 150 mg/m3 an Stickoxiden sei bei der Bauform der Fackel nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht zu erreichen. Selbst Gasfeuerungen bei Kesselanlagen erreichten nur mittels großem Aufwand einen Emissionswert von 100 bis 300 mg/m3 Stickstoffoxid. Bei der gegenständlichen Fackel handle es sich um einen atmosphärischen Brenner, bei dem die Verbrennungsluft ungeregelt durch den atmosphärischen Auftrieb in den Brennraum gelange. Diese Luftmenge betrage ein Vielfaches des rechnerisch notwendigen (stöchiometrischen) Luftbedarfs. Durch den hohen Luftüberschuss komme es zu heftigen Reaktionen, was hohe Flammentemperaturen von etwa 1.200ºC sowie eine kurze Flamme zur Folge habe. Diese auch im angefochtenen Bescheid referierten hohen Flammentemperaturen bewirkten zwar minimale CO-Werte, jedoch hohe Stickstoffoxidemissionen. Diese Emissionen stiegen bei Temperaturen um 1.200ºC extrem stark an. Es werde so genanntes thermisches Stickoxid emittiert. Durch die heftige Reaktion des Luftsauerstoffes in der Flamme stiegen die Stickstoffoxidwerte weiter an. Dies werde in der Fachliteratur als promptes Stickstoffoxid bezeichnet (Grundlage der Gastechnik, Otto Karlowitz, Hanser Verlag, Seite 264, Kaptitel 7.2.4.). Bei der gegenständlichen Fackel sei daher von einem Stickstoffoxidwert von mindestens 1.000 mg/m3 auszugehen. Der Sachverständige habe seine Grundannahme, dass die Fackel lediglich 150 mg/m3 an Stickstoffoxiden emittiere, weder rechnerisch noch empirisch begründet. Auch die vom Sachverständigen angenommenen vorherrschenden Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen seien nicht empirisch erhoben worden. Dem Beschwerdeführer sei vom Niederösterreichischen Luftgütemessnetz eine tabellarische Übersicht übergeben worden, aus der ersichtlich sei, dass Windgeschwindigkeiten von mehr als 10 m/s immer wieder vorkämen. Diese Tabelle wurde der Beschwerde beigelegt. Sie trägt die Überschrift "Halbstundenwerte Phönixplatz" und weist für den Zeitraum von 13. Jänner 2000 bis 10. Juli 2000 zahlreiche Zeitpunkte aus, an denen die Windgeschwindigkeit bzw. die Geschwindigkeit von Böen mehr als 10,0 m/s betragen hat. Die Richtungen dieser Winde werden mit größer als 130( und kleiner als 230( genannt.
Die Produktion von Feingemüse in geschützten Kulturen sei sehr sensibel und auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers ohnehin an der Grenze der Belastbarkeit. Jede zusätzliche Einwirkung von Störfaktoren aus der Umwelt bewirke daher eine Schädigung dieser Kulturen. Dies stelle eine Gefährdung des Eigentums dar.
Gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 sind Nachbarn im Sinne dieses Gesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.
Für die Nachbareigenschaft des Beschwerdeführers kommt es - unabhängig davon, ob er als "Anrainer" anzusehen ist - darauf an, ob seine Liegenschaft bzw. sein ständiger Aufenthalt innerhalb des Immissionsbereiches jener Emissionen der Betriebsanlage liegt, die ihre Ursache in der den Gegenstand des vorliegendes Verwaltungsverfahrens bildenden Änderung dieser Betriebsanlage haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1998, Zl. 98/04/0028). Entscheidend für die Nachbarstellung ist bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Belästigung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/04/0178). Dem Beschwerdeführer käme daher nur dann keine Nachbarstellung zu, wenn jede von der Abfackelungsanlage ausgehende Gefährdung oder Belästigung von vornherein ausgeschlossen wäre. Dies hat die belangte Behörde angenommen. Sie stützte sich dabei auf eine gutachtliche Äußerung der Abteilung Umwelttechnik, Fachgebiet Luftreinhaltetechnik des Amtes der NÖ Landesregierung, wonach von Fackeln dieser Größenordnung Stickstoffoxidemissionen im Bereich von etwa 150 mg/m3 ausgingen und die maximale Immission bei Windgeschwindigkeiten ab 10 m/s - welche aber im Raum Schwechat nicht vorkämen - in einer Entfernung von 155 m bei 0,005 mg/m3 liege.
Dazu hat sie dem Beschwerdeführer allerdings kein Parteiengehör eingeräumt. Das dagegen gerichtete Tatsachenvorbringen in der Beschwerde unterliegt daher nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Aus der vorgelegten Tabelle über Windgeschwindigkeiten, die sich nach dem Beschwerdevorbringen auf den Bereich der gegenständlichen Anlage bezieht, ergibt sich, dass Windgeschwindigkeiten von über 10 m/s - entgegen der nicht weiter begründeten Annahme des Sachverständigen - sehr wohl vorkommen. Überdies wurde - untermauert durch Literaturangaben - vorgebracht, dass der vom Sachverständigen - ebenfalls ohne weitere Begründung - angenommene Emissionswert des Brenners von 150 mg/m3 zu niedrig sei.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen Ergebnis bei der Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer Parteistellung zukomme, gekommen wäre. Die Unterlassung der Einräumung von Parteiengehör zum genannten Gutachten stellt daher einen relevanten Verfahrensmangel dar.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. Jänner 2002
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