VwGH 2000/14/0140

VwGH2000/14/01402.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. S, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 21. Juni 2000, Zl. RV 178/1- T7/98 , betreffend u.a. Wiederaufnahme der Verfahren (Einkommensteuer 1993 bis 1996) sowie Einkommensteuer 1993 bis 1997, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §276 Abs1;
BAO §284 Abs1;
BAO §303 Abs4;
EStG 1988 §18 Abs1 Z1 idF 1999/I/106;
EStG §18 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §276 Abs1;
BAO §284 Abs1;
BAO §303 Abs4;
EStG 1988 §18 Abs1 Z1 idF 1999/I/106;
EStG §18 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 erwarb der Beschwerdeführer von der im September 1926 geborenen Verkäuferin M.A. gegen Leibrente ein (privat genutztes) bebautes Grundstück. Die Leibrentenzahlung machte der Beschwerdeführer in folgender Höhe als Sonderausgabe geltend: für 1991: S 120.000,--, für 1992:

S 286.000,--, für 1993 und 1994: je S 242.000,--, für 1995 bis 1997: je S 264.000,--.

Im Zuge einer den Zeitraum 1993 bis 1997 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer die Feststellung, die mit Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 festgelegte Leibrente stelle eine Kaufpreisrente dar. Der versicherungsmathematische Wert der Rente entspreche in etwa dem Verkehrswert der erworbenen Liegenschaft. Es liege somit keine sofort als Sonderausgabe absetzbare Versorgungsrente vor.

Das Finanzamt nahm hinsichtlich der Jahre 1993 bis 1996 die Einkommensteuerverfahren wieder auf und erließ für die Jahre 1993 bis 1997 Einkommensteuerbescheide, in welchen die Leibrentenzahlungen des Beschwerdeführers nicht als Sonderausgaben berücksichtigt wurden.

Der Beschwerdeführer brachte gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1993 bis 1997 sowie gegen die entsprechenden Sachbescheide Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung betreffend die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1993 bis 1996 abgewiesen (Spruchpunkt 1) sowie die Berufung betreffend die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1997 zurückgewiesen (Spruchpunkt 2). Weiters wurde die Berufung betreffend Einkommensteuer 1993 bis 1997 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 3).

Zur Begründung führt die belangte Behörde aus, das Finanzamt habe erstmals im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung vom Gutachten des Ing. O. vom 24. Mai 1989 betreffend den Wert der Kaufliegenschaft Kenntnis erlangt. Damit liege eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO vor. Da das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ausschließlich aus der Sicht des vor der zuständigen Behörde geführten, konkreten Verfahrens zu beurteilen sei, sei auch der Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 eine neu hervorgekommene Tatsache. Daran ändere der Umstand, dass dieser Kaufvertrag dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern angezeigt gewesen sei, nichts. Auf Grund dieser neu hervorgekommenen Tatsachen sei die vom Beschwerdeführer zu leistende Rente als Gegenleistungsrente zu qualifizieren, was zu im Spruch anders lautenden Bescheiden (kein Sonderausgabenabzug) führe. Im Hinblick auf die den Sachbescheiden des abgeschlossenen Verfahrens anhaftende, wegen des Ausmaßes der als Sonderausgaben geltend gemachten Beträge nicht bloß geringfügige Rechtswidrigkeit sei durch die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren das Ermessen im Sinne des Gesetzes gebraucht worden. Hinsichtlich der Jahre 1993 bis 1996 sei daher die Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide abzuweisen. Da für das Jahr 1997 eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht verfügt worden sei, sei diesbezüglich die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Sachbescheide sei strittig, ob die vereinbarte Rente als Versorgungsrente zu beurteilen und damit - im Gegensatz zu einer Gegenleistungsrente - beim Beschwerdeführer als Sonderausgabe zu berücksichtigen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 26. Jänner 1999, 98/14/0045, zum Ausdruck gebracht, dass stets eine Gegenleistungsrente vorliege, wenn ein Wirtschaftsgut gegen eine solche Rente übertragen worden sei, die als angemessene Gegenleistung qualifiziert werden müsse. Stelle hingegen die Rente keine angemessene Gegenleistung dar, liege eine freiwillige Zuwendung bzw. eine Unterhaltsrente im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 vor, die das Einkommen des Rentenverpflichteten nicht mindere. Vor dem Ergehen dieser Rechtsprechung sei eine Versorgungsrente auch im Bereich der Übertragung von Wirtschaftsgütern denkbar gewesen. Eine Versorgungsrente hätte zur Voraussetzung gehabt, dass in objektiver Hinsicht ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe und in subjektiver Hinsicht Versorgungsabsicht anzunehmen sei. Im gegenständlichen Fall behaupte der Beschwerdeführer gar nicht, die Rentenzahlungen an die ihm fremd gegenüberstehende Verkäuferin stünden mit Versorgungsüberlegungen in Zusammenhang. Ein derartiger Hinweis ergebe sich auch nicht aus der Aktenlage. Der Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 lasse vielmehr erkennen, dass die Vertragsteile bestrebt gewesen seien, Leistung und Gegenleistung aufeinander abzustimmen. Die Vertragsparteien seien bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, jeweils gleichwertige Leistungen zu erbringen. Im Übrigen ergebe sich aus den Aussagen der Verkäuferin, dass das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten des Ing. O. vom 24. Mai 1989 bei der Vertragsunterzeichnung beiden Vertragsparteien zur Verfügung gestanden sei und als Grundlage der Preiskalkulation gedient habe. Auf der Grundlage dieses Gutachtens sei die monatliche Rente mit S 20.000,-- festgesetzt worden. Hätte der Beschwerdeführer Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Gutachtens gehegt, hätte er damals ein Gegengutachten in Auftrag geben können, um eine Herabsetzung der von ihm zu erbringenden Gegenleistung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sei die Auseinandersetzung mit dem nunmehr vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten des Sachverständigen G. entbehrlich; dieses Gutachten sei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorgelegen, es sei vielmehr erst neun Jahre danach - anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung - erstellt worden und könne nicht dazu führen, eine - zu keinem Zeitpunkt gegebene - Zuwendungsabsicht des Beschwerdeführers zu unterstellen. Das Gutachten könne an dem von beiden Parteien des Kaufvertrages beabsichtigten Gegenleistungscharakter des Liegenschaftserwerbes nichts ändern.

Die Beschwerde wendet sich gegen Spruchpunkte 1 und 3 des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen - soweit dies für den gegenständlichen Fall von Bedeutung ist - u.a. dann zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 18 Abs. 1 Z. 1 Satz 1 bis 3 EStG 1988 in der (rückwirkend ab der Veranlagung 1989 anzuwendenden) Fassung des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999, sind als Sonderausgaben abzuziehen:

"Renten und dauernde Lasten, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen. Werden Renten oder dauernde Lasten als angemessene Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet gilt Folgendes: Die Renten und dauernden Lasten sind nur insoweit abzugsfähig, als die Summe der verausgabten Beträge den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 und 4 des Bewertungsgesetzes 1955) übersteigen; der kapitalisierte Wert ist auf den Zeitpunkt des Beginns der Leistung der wiederkehrenden Bezüge zu ermitteln."

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, dass bei Annahme einer Gegenleistungsrente Sonderausgaben erst vorliegen, wenn der nach § 16 Abs. 2 und 4 BewG kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung überschritten wird und nicht schon, wenn der niedrigere Wert des hingegebenen Grundstückes überschritten ist. Der kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung ist im vorliegenden Fall unbestritten nicht überschritten worden.

Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen einer Versorgungsrente verneint. Dem gegenüber nimmt die belangte Behörde das Vorliegen einer Gegenleistungsrente an und hat die Feststellung getroffen, das Finanzamt habe erst auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen (Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 und Gutachten des Ing. O.) erkennen können, dass die Rentenzahlung nicht als Versorgungsrente zu beurteilen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Jänner 1999, 98/14/0045, unter Bezugnahme auf Doralt, Die Versorgungsrente - Ein Steuersparmodell, RdW 1998, 517, zu Recht erkannt:

"Wird ein Wirtschaftsgut gegen Rente übertragen, die als angemessene Gegenleistung angesehen werden kann, dann liegt eine Gegenleistungsrente vor. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut gegen eine Rente übertragen, die nicht als angemessene Gegenleistung qualifiziert werden kann, muss von einer freiwilligen Zuwendung bzw. einer Unterhaltsrente im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 ausgegangen werden. Im Bereich der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Rente ist für eine weitere Rentenkategorie kein Raum."

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, kennt das Gesetz im Bereich der Übertragung eines Wirtschaftsgutes eine Rente, die sofort und zur Gänze zu Sonderausgaben führt (sog. Versorgungsrente) nicht. Solcherart kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie zur Ansicht gelangt ist, dass im gegenständlichen Fall keine Versorgungsrente vorliege und daher die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nicht gegeben seien.

Im Umstand, dass das Finanzamt keine Berufungsvorentscheidung erlassen hat und dass die belangte Behörde, weil der Beschwerdeführer keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt hat, liegt keine der belangten Behörde vorzuwerfende Verletzung von Verfahrensvorschriften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, 93/14/0146).

Die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 1993 bis 1996 hat die belangte Behörde darauf gestützt, dass dem Finanzamt relevante Tatsachen erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung - diese begann am 18. Mai 1998 - bekannt geworden sind. Als neu hervorgekommene Tatsachen nennt der angefochtene Bescheid u.a. den Kaufvertrag vom 2. Juni 1989. In der Tat führt der Beschwerdeführer in den Einkommensteuererklärungen ab jener für das Jahr 1991 - im Gegensatz zu den Einkommensteuererklärungen für 1989 und 1990 - Rentenzahlungen an M.A. als Sonderausgaben an. Die Abgabenerklärungen und die Beilagen lassen allerdings nicht erkennen, dass die Rentenzahlungen auf den Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 zurückzuführen sind oder dass sie in irgend einer Weise mit der Übertragung eines Wirtschaftsgutes in Zusammenhang stehen. Das Finanzamt folgte den Erklärungen in den - in den Jahren 1995 bis 1997 erlassenen - Einkommensteuerbescheiden 1993 bis 1996. Solcherart stellt der im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung hervorgekommene Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom 2. Juni 1989 eine neu hervorgekommene Tatsache dar, die geeignet gewesen ist, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Erst auf Grund dieses Umstandes konnte das Finanzamt erkennen, dass die Rente wegen der Übertragung eines Wirtschaftsgutes (Liegenschaft) vereinbart worden ist. Zutreffend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens betreffend die konkrete Abgabe und einen konkreten Zeitraum derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2001, 97/14/0036). Der Zusammenhang der Rente mit dem Kaufvertrag gilt daher für das Finanzamt im jeweiligen Einkommensteuerverfahren auch dann als neu hervorgekommen, wenn der Kaufvertrag dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern für Zwecke der Verkehrsteuerbemessung bereits vorgelegt gewesen ist.

Es ist nicht zu erkennen, dass die Abgabenbehörde bei der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren das ihr eingeräumte Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt hätte. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers liegt ein Missverhältnis zwischen der steuerlichen Auswirkung des Wiederaufnahmegrundes und den sich insgesamt auf Grund der Wiederaufnahme ergebenden steuerlichen Folgen nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 2. Juli 2002

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