Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §17 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §18;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §17 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §18;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. April 2000 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Gattin sowie auf die drei gemeinsamen Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, "i.d.g.F." iVm § 39 Abs. 1 und 2 leg. cit. ab. Der Beschwerdeführer, am 10. Juli 1959 in Chirapatre, Kumasi, Ghana geboren und ein Staatsangehöriger Ghanas, sei im September 1989 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe um politisches Asyl angesucht. Der Asylantrag sei in sämtlichen Instanzen negativ beschieden worden. Erstmalig sei er am 5. Juni 1991 in Graz zur Anmeldung gelangt und wohne seither durchgehend mit seiner Familie in Graz. Er sei mit der ghanaischen Staatsangehörigen Deborah B. verheiratet. Dieser Ehe entstammten die minderjährigen Kinder Kevin, Gilbert und Felix Addo. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei erstmals im Jahr 1995 in das Bundesgebiet eingereist.
Der Beschwerdeführer sei seit Juli 1996 bei der Firma Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik AG & Co KG als Schweißer beschäftigt und verdiene etwa S 16.000,--.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Gattin seien in der Zeit ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet strafrechtlich in Erscheinung getreten. So sei der Beschwerdeführer im Jahr 1992 wegen des Verdachtes der Entwendung vom Bezirksgericht für Strafsachen (Graz) zu einer Geldstrafe von S 2.000,-- und im Jahr 1996 wegen des Deliktes der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von S 5.200,-- verurteilt worden. Im selben Jahr sei die Ehegattin des Beschwerdeführers wegen des Vergehens nach den §§ 223 Abs. 2, 15, 228 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von S 6.300,-- verurteilt worden.
Weiters seien "folgende Vormerkungen in der Verwaltungsstrafkartei" festgestellt worden:
"1996 § 52 lit. a Ziff. 10a StVO
ATS 700.- Geldstrafe,
§ 8 Abs. 4 StVO ATS
700.- Geldstrafe,
1999 § 19 Abs. 7 i.V.m. § 19 Abs. 4 StVO ATS
2.000.- Geldstrafe,
§ 42 Abs. 1 KFG ATS
1.000.- Geldstrafe."
Mit Schreiben vom 11. Jänner 2000 sei dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt worden, zum vorliegenden Sachverhalt eine Stellungnahme abzugeben. Hievon habe er keinen Gebrauch gemacht.
Auf die Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG bestehe kein Rechtsanspruch. Vielmehr habe die Behörde bei ihrer Entscheidung Rücksicht auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden zu nehmen. Unter diesen, an die Behörde für eine Entscheidung gestellten Anforderungen seien insbesondere die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und seiner Gattin zu betrachten. In einem nunmehr zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet seien beide insgesamt dreimal rechtswidrig in Erscheinung getreten. Zuletzt seien im Jahr 1996 Bestrafungen erfolgt. Bei der der Gattin zur Last gelegten strafbaren Handlung der Urkundenfälschung handle es sich um ein Vorsatzdelikt, das "ein Maß an Unrechtbewusstsein" voraussetze. Durch die erfolgte Bestrafung sei festgestellt worden, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers eine Verletzung der österreichischen Rechtsordnung bewusst begangen habe. Es sei daher davon auszugehen, dass zumindest damals eine Integration im Sinne einer Unterordnung in das Rechtssystem nicht gegeben gewesen sei. Dies sei auch beim Beschwerdeführer selbst anzunehmen, insbesondere deshalb, weil er wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Vor allem die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung sei unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Wohles und der öffentlichen Interessen zu betrachten. Der Umstand von zwei Verurteilungen, die zeitlich doch weit (vier Jahre) auseinander lägen, lasse den Schluss einer zumindest latent bestehenden Wiederholungsgefahr zu. Dies zeige sich weiters auch in der Anzahl der Verwaltungsübertretungen. Verstöße gegen der Sicherheit des Straßenverkehrs dienende Vorschriften führten dann zum Ausschluss von der Verleihung der Staatsbürgerschaft, wenn aus der Art, der Schwere und aus der Häufigkeit dieser Verstöße die negative Einstellung gegenüber der zur Hintanhaltung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen erlassenen Gesetze zum Ausdruck komme. Bei den Verwaltungsübertretungen aus dem Jahr 1996 handle es sich um "Übertretung der Geschwindigkeitsbeschränkung und das Verbot der Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder seien, insbesondere mit Motorfahrrädern". Diese Vorschriften dienten grundsätzlich der Vermeidung von Gefahren aller Art. Die Vormerkung aus dem Jahr 1999 beruhe auf einer Vorrangverletzung sowie auf der Unterlassung der Bekanntgabe von Änderungen der für die Zulassung maßgebenden Umstände. Daraus werde ersichtlich, dass es dem Beschwerdeführer bis zum Jahr 1999 nicht gelungen sei, sich in die österreichische Rechtsordnung zu integrieren. Unter Berücksichtigung der Verwaltungsübertretungen und der strafgerichtlichen Verurteilungen könne weiters auch im Interesse des allgemeinen Wohles der Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt kein Grund für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gefunden werden. Mangels Stellungnahme des Beschwerdeführers hätten allfällige in seiner Person liegende entlastende Momente nicht berücksichtigt werden können.
Die Anträge auf Erstreckung der Verleihung seien in Entsprechung des § 18 StbG abzuweisen gewesen, weil Erstreckungen nur gleichzeitig mit der Verleihung und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürften.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung derselben erkennbar im Grunde des § 11 StbG abgewiesen; sie ging somit implizit davon aus, dass die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG gegeben seien.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes i.d.F. der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - soweit für den Beschwerdefall von Relevanz - wie folgt:
"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
...
§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn ...
...
§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 zu erstrecken auf
1. die ehelichen Kinder des Fremden,
...
§ 18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden."
Die Ermessensübung der belangten Behörde ist schon insofern rechtswidrig, als sie in unzulässiger Weise eine Gesamtbetrachtung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin (als Erstreckungswerberin) vornahm, indem sie die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und seiner Gattin undifferenziert verwertete: In einem nunmehr zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet seien beide insgesamt dreimal rechtswidrig in Erscheinung getreten.
Für die Person des Verleihungswerbers ist gesondert zu prüfen, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG erfüllt sind und ob gegebenenfalls eine positive Ermessensübung nach § 11 StbG in Frage kommt; bei Bejahung der Voraussetzungen in seiner Person ist davon streng getrennt eine individuelle Beurteilung der Person des Erstreckungswerbers im Hinblick auf das Vorliegen der Kriterien des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 StbG vorzunehmen, wobei gegebenenfalls der Behörde kein Ermessen offen steht und sie verpflichtet ist, die Erstreckung zu verfügen. Zwar darf nach § 18 StbG die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft (und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt) verfügt werden, weshalb Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem abzuführen sind; ferner ist nach dem Vorgesagten für die Erstreckung der Verleihung eine "doppelte" Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen (für den Verleihungs- und für den Erstreckungswerber) erforderlich. Das ändert jedoch nichts daran, dass die betreffenden Personen je für sich einer Beurteilung zu unterziehen sind und dass eine pauschale familienbezogene Betrachtung mit dem Gesetz nicht im Einklang steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 97/01/1069, mwN).
Der belangten Behörde war es daher verwehrt, ihre Ermessensübung, die nur auf den Verleihungswerber bezogen werden durfte, an Umständen zu orientieren, die - ohne Rückwirkung auf den Verleihungswerber - allein in der Person der Erstreckungswerberin begründet waren. Damit hat die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501; die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 12. März 2002
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