VwGH 99/03/0439

VwGH99/03/043916.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der 1.) B GmbH in Wien, 2.) Z in Zenica, 3.) F in Zenica, alle vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen die Bescheide des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) vom 10. Juni 1999, 1.) Zl. 841.596/1-II/C/14/99, 2.) Zl. 841.541/1-II/C/14/99, und 3.) Zl. 841.541/2-II/C/14/99, betreffend Kraftfahrlinienkonzession (mitbeteiligte Partei: A in 1230 Wien, Richard Strauss-Straße 32), zu Recht erkannt:

Normen

KflG 1952 §4 idF 1994/819;
KflG 1952 §4 idF 1994/819;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 18. August 1997, ergänzt durch das Schreiben vom 8. Oktober 1997, suchte die Erstbeschwerdeführerin unter Hinweis auf ihren bosnisch-herzegowinischen Vertragspartner (Reziprokunternehmen), der Zweitbeschwerdeführerin, um die Erteilung einer Konzession zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der internationalen Kraftfahrlinie Wien-Zenica-Travnik an. Schon mit Schreiben vom 6. März 1997 hatte die Zweitbeschwerdeführerin unter Hinweis, dass sie gemeinsam mit der Erstbeschwerdeführerin diese Kraftfahrlinie (Personenbeförderung) betreiben werde, um die Genehmigung zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der "grenzüberschreitenden Kraftfahrlinie Travnik - Wien" angesucht. Im Ermittlungsverfahren sprach sich die mitbeteiligte Partei, die eine Linie Wien-Tesanj und eine Linie Wien-Sarajevo betreibt, gegen das Vorhaben aus und brachte im Wesentlichen vor, dass ein weiterer Mitbewerber bis und ab Travnik die zusteigenden Personen sicher um mehr als die Hälfte reduziere, wodurch eine wirtschaftliche Führung der Linie für beide Konzessionsinhaber nicht gegeben sei.

Mit Schreiben vom 26. Mai 1998 suchten die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin um Genehmigung für die Strecke Zenica-Wien (für den Bereich des Territoriums Österreichs) an.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1998 teilte die Erstbeschwerdeführerin unter Vorlage der Zustimmungserklärung der Zweitbeschwerdeführerin und unter Verweis auf ihr Schreiben vom 23. Feber 1998, mit welchem sie dies angekündigt hatte, mit, die geplante Kraftfahrlinie Wien-Zenica-Travnik durch Verzicht auf die Orte Vitez und Travnik zu reduzieren, um eine Verfahrensbeschleunigung (Vermeidung von Berührungspunkten mit einer von der "Firma B" betriebenen Linie) zu erwirken. Mit Schreiben vom 27. Juli 1998 legte die Erstbeschwerdeführerin dieses Schreiben der belangten Behörde vor und erklärte, dass dem auch die Drittbeschwerdeführerin beigetreten sei.

Über die so geänderten Anträge leitete die belangte Behörde erneut ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke der geplanten Kraftfahrlinie Wien-Zenica ein. In ihrer Stellungnahme sprach sich die mitbeteiligte Partei gegen die Erteilung der beantragten Linie aus und brachte hinsichtlich ihrer Linie Wien-Tesanj vor: Die Kilometereinnahmen dieser Linie seien mit S 8,40 noch nicht kostendeckend. Die beantragte Linie könnte das Fahrgastaufkommen durch den Zustiegort Zepce um mehr als 30 % reduzieren, sodass bei einer derzeitigen Auslastung von knapp 25 Personen eine wirtschaftliche Durchführung nicht mehr möglich sei. Zur Linie Wien-Sarajevo: Auf dieser Linie werde die Kostendeckung mit einem Kilometererlös von S 9,95 gerade knapp erreicht. Die beantragte Kraftfahrlinie würde für den Zustieg Zenica eine Reduzierung von mindestens 50 % der dort zusteigenden Personen nach sich ziehen, was einen Gesamteinnahmenentfall von bis zu 30 % bedeuten könne.

Mit den nunmehr angefochtenen - in der wesentlichen Begründung gleichlautenden - Bescheiden vom 10. Juni 1999 wurden die Anträge sämtlicher Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b Kraftfahrliniengesetz 1952 idF BGBl. Nr. 128/93 abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die mitbeteiligte Partei einen zu befürchtenden Einnahmenverlust von ca. 30 % der zusteigenden Personen in Zepce für die internationale Linie Wien-Tesanj und für die Linie Wien-Sarajevo 50 % der zusteigenden Personen in Zenica, was einen Gesamteinnahmenentfall von bis 30 % bedeute, geltend gemacht habe. Berücksichtige man den Umstand, dass die beantragte Kraftfahrlinie mit zwei Kurspaaren wöchentlich zwar teilweise an denselben Tagen, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten von Österreich, bzw. teilweise an denselben Tagen von Bosnien-Herzegowina, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten betrieben werden solle und bei der Abfahrtszeit von Wien nur eine Differenz von einer Stunde vorgesehen sei, sei der von der mitbeteiligten Partei "geltend gemachte Einnahmenausfall durchaus realistisch".

Gegen diesen Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte ihre Behandlung mit Beschluss vom 28. Dezember 1999, B 1301 bis 1303/99, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und der Antrag gestellt, die Bescheide kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte ihre die Anträge abweisende Entscheidung auf die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 5 lit. b Kraftfahrliniengesetz 1952 (KflG). Nach dieser kann die Konzession (nur) erteilt werden, wenn das Unternehmen - neben der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt insbesondere vor, wenn der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmer, in deren Verkehrsbereich die neue Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden geeignet ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, liegt eine Gefährdung der Erfüllung von Verkehrsaufgaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG nur dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen in der Führung seiner Linie einschneidend beeinträchtigt wird, im allgemeinen also dann, wenn er einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleidet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 2001, Zl. 98/03/0321, mit weiterem Nachweis). Anhaltspunkte für die Beurteilung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes im Sinne der genannten Bestimmung ergeben sich dabei aus Ermittlungen und Feststellungen über den Fahrgastausfall, der im Bereich der konzessionierten Linie zu erwarten ist.

Wenn die beschwerdeführenden Parteien zunächst rügen, dass die mitbeteiligte Partei ihre Linienführung erst nach dem Antrag der beschwerdeführenden Parteien geändert habe, ist ihnen zu entgegnen, dass für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Konzessionserteilung im Sinne des § 4 KflG vorliegen, die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich ist und es auf die im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich gegeben gewesenen Verhältnisse nicht ankommt (vgl. ebenfalls das soeben erwähnte Erkenntnis vom 14. November 2001). Im Übrigen kommt der Beschwerde im Ergebnis jedoch Berechtigung zu:

Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei zu Grunde gelegt. In dieser Stellungnahme wird hinsichtlich der Linie Wien-Sarajevo wohl ein bei Bewilligung des Antrages der Beschwerdeführer von der mitbeteiligten Partei erwarteter Gesamteinnahmenentfall von bis zu 30 % angeführt und eine Reduzierung von mindestens 50 % der zusteigenden Personen behauptet, in dieser Stellungnahme werden jedoch konkreten Zahlen, wie viele Personen betroffen seien und wie viele Fahrgäste durch die Genehmigung der vom Beschwerdeführer beantragten Erweiterung der von ihm betriebenen Kraftfahrlinie verloren gingen, nicht genannt. Weiters handelt es sich bei der in der besagten Stellungnahme ersichtlichen Annahme, die Erteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Konzession bedeute einen Gesamteinnahmenentfall von bis zu 30 %, um eine bloße Behauptung, lässt sich dieser Stellungnahme doch nicht entnehmen, weshalb der Einnahmenentfall gerade in der Höhe des angegebenen Prozentsatzes anzunehmen sei. Damit fehlt im angefochtenen Bescheid aber eine objektive Grundlage, die die von der Behörde angenommene Betriebseinbuße der mitbeteiligten Partei nachvollziehbar machen würde. Um eine solche Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wäre es erforderlich gewesen, die von der mitbeteiligten Partei stammenden besagten Angaben betreffend die Höhe der Gesamteinnahmen bzw. den befürchteten Einnahmenausfall auf die vom vorliegenden Antrag berührte Zahl von Fahrgästen zurückführbar darzustellen und die Umstände aufzuzeigen, auf die sich die Annahme des gesagten Prozentsatzes betreffend den Einnahmenentfall stützt. Allenfalls hätte die belangte Behörde die Verpflichtung gehabt, die mitbeteiligte Partei aufzufordern, ihre in Rede stehenden Stellungnahmen in dem eben genannten Sinn zu ergänzen.

Wenn die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift ausführt, sie habe "naturgemäß" zum Entscheidungszeitpunkt keine Unterlagen vorlegen können, die den Einnahmenausfall dokumentieren, weil ein solcher erst bei der tatsächlichen Verkehrsaufnahme durch die Beschwerdeführer vorhanden wäre, ist ihr zu entgegnen, dass es hier nicht auf einen bereits eingetretenen Einnahmenausfall, sondern auf den auf Grund der Behauptungen der mitbeteiligten Partei zu erwartenden Einnahmenausfall ankommt, den sie durch entsprechende Konkretisierung unter Beischluss von geeigneten Nachweisen darzulegen hat.

Bereits nach dem Gesagten ist somit die Begründung der angefochtenen Bescheide mangelhaft und der Sachverhalt jeweils in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb die angefochtenen Bescheide infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben waren, ohne dass auf die weiteren Ausführungen in den Beschwerden eingegangen werden musste.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Oktober 2002

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