VwGH 99/02/0103

VwGH99/02/010326.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der CV in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 20. November 1998, Zl. LGSTi/V/1212/2526 17 12 76-702/1998, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §17 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §21 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs2 idF 1996/201;
AlVG 1977 §21 Abs2;
AlVG 1977 §7 Abs1;
ASVG §108 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
StruktAnpG 1996 Art23 Z16;
VwRallg;
AlVG 1977 §17 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §21 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs2 idF 1996/201;
AlVG 1977 §21 Abs2;
AlVG 1977 §7 Abs1;
ASVG §108 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
StruktAnpG 1996 Art23 Z16;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 28. Oktober 1998 wurde gemäß § 21 Abs. 1 und 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (kurz: AlVG) auf Grund eines Antrags der Beschwerdeführerin festgestellt, dass ihr ab 3. September 1998 das Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich S 171,70 gebührt.

Der wegen zu geringer Höhe des zuerkannten Arbeitslosengeldes gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 1998 keine Folge gegeben.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 3. September 1998 beim Arbeitsmarktservice Innsbruck ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Laut Auszug des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger vom 18. September 1998 seien für das Jahr 1996 Jahresbeitragsgrundlagen gespeichert gewesen (durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage S 11.126.--); für das Jahr 1997 seien keine Jahresbeitragsgrundlagen gespeichert gewesen. Für 1998 seien die Dienstverhältnisse vom 7. Jänner 1998 bis 6. Februar 1998 und vom 1. April 1998 bis 31. August 1998 mit dem Vermerk "Beitragsgrundlagen nicht geprüft" aufgeschienen. Bei Geltendmachung am 3. September 1998 hätten nach § 21 Abs. 1 AlVG die Jahresbeitragsgrundlagen des Jahres 1997 herangezogen werden müssen. Jahresbeitragsgrundlagen für 1998 hätten bei Geltendmachung am 3. September 1998 noch nicht vorliegen müssen. Da jedoch 1997 keine Jahresbeitragsgrundlagen vorgelegen hätten, habe jene des Jahres 1996 herangezogen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 22. Februar 1999, Zl. B 2454/98, ablehnte und sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur weiteren Behandlung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0079, näher ausgeführt hat, ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld - bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen - bereits im Zeitpunkt seiner Geltendmachung verwirklicht. Daraus folgt aber, dass die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gegebenheiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auch für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebend sind.

Im Beschwerdefall ist daher (auf Grund der im September 1998 erfolgten Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeldes) § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung des Art. 23 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, sowie des Art. IV des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 411/1996 und des Art. 5 des Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 139 (in Kraft getreten gemäß § 79 Abs. 41 AlVG am 1. Jänner 1998), anzuwenden. Diese Bestimmung in den vorzitierten Fassungen lautet:

"Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen keine Jahresbeitragsgrundlagen des letzten bzw. vorletzten Jahres vor, so sind jeweils die Jahresbeitragsgrundlagen des zuletzt vorliegenden Kalenderjahres heranzuziehen. Zeiten in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, in denen eine Herabsetzung der Arbeitszeit im Sinne des § 27 Abs. 1 oder eine Beschäftigung neben einer Gleitpension (§ 253c ASVG) vorliegt, bleiben außer Betracht. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes älter als ein Jahr, so sind diese mit dem/den Aufwertungsfaktor/en gemäß § 108 Abs. 4 ASVG des betreffenden Jahres/der betreffenden Jahre aufzuwerten."

§ 21 Abs. 2 AlVG i.d.F. des Art. 23 des Strukturbereinigungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, und des Art. 5 des Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 139, lautet:

"Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vor, so ist für die Festsetzung der Lohnklasse das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden."

Die Beschwerdeführerin führt u.a. aus, sie habe am 3. September 1998 (der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld weist hingegen laut Verwaltungsakt als Datum der Antragstellung den 13. September 1998 aus) den Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Es wären daher nach den Bestimmungen des § 21 Abs. 1 AlVG die Beitragsgrundlagen des Jahres 1997 heranzuziehen gewesen. Da sie jedoch im Jahre 1997 keine Beschäftigung gehabt habe, somit keine Beitragsgrundlagen vorlägen, hätte die belangte Behörde erst dann auf das Jahr 1996 zurückgreifen dürfen, wenn auch für das Jahr 1998 keine Beitragsgrundlagen vorgelegen wären. Da dies nicht der Fall sei, hätte die belangte Behörde das ihr zustehende Arbeitslosengeld nach den vorliegenden Beitragsgrundlagen der ersten 6 Monate des Jahres 1998 - in denen die Beschwerdeführerin zum ersten Mal eine regelmäßige Beschäftigung gehabt habe - heranziehen müssen. Es sei Sinn des AlVG, dem Arbeitslosen einen vorübergehenden Entgeltausfall auf Grund der Arbeitslosigkeit durch das sog. Arbeitslosengeld auszugleichen, wobei die Höhe des Arbeitslosengeldes jeweils in Relation zum letzten Einkommen stehen sollte. Durch ihre Interpretation dieser Gesetzesstelle gehe die belangte Behörde jedoch an der Zielsetzung des Arbeitslosengeldes vorbei. Es könne nicht vom Gesetzgeber gewollt sein, für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes ein Einkommen heranzuziehen, das mehr als zwei Jahre hinter dem zuletzt erhaltenen Einkommen zurückliege. Die Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahre 1996 gründe sich lediglich auf einem dreiwöchigen Ferialjob.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist maßgebender Zeitpunkt, ob beim Hauptverband bereits Beitragsgrundlagen des letzten Kalenderjahres vorliegen, der erste Tag der Arbeitslosigkeit als frühest möglicher Zeitpunkt der rechtlich wirksamen Geltendmachung des Arbeitslosengeldes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 97/08/0484, m.w.N.). Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin bei einer näher genannten Gesellschaft m.b.H. bis 31. August 1998 beschäftigt und ab 1. September 1998 arbeitslos war.

Gemäß den Erläuterungen zu § 21 Abs. 1 AlVG i.d.F. des Art. 23 Z. 16 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (Regierungsvorlage 72 der Beilagen zu den Sten. Protokollen des NR, XX. GP, S 235 f) solle das Arbeitslosengeld "nunmehr" nach vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen berechnet werden. Als Stichtag sei der 1. Juli gewählt worden, da spätestens zu diesem Zeitpunkt die Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vorlägen, und zwar auch dann, wenn der Dienstgeber die Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren abführe. Werde das Arbeitslosengeld im zweiten Halbjahr geltend gemacht, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des Vorjahres (z.B. bei Geltendmachung im Herbst 1996 daher die Bemessungsgrundlage für 1995) heranzuziehen. Liege die Geltendmachung im ersten Halbjahr, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des vorletzten Jahres heranzuziehen (z.B. bei Geltendmachung im Herbst 1996 daher die Bemessungsgrundlage für 1995). Würden diese Jahresbeitragsgrundlagen nicht vorliegen, so seien die jeweils zuletzt vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Falls die Jahresbeitragsgrundlagen älter als ein Jahr seien, seien diese mit dem entsprechenden Aufwertungsfaktor gemäß § 108 Abs. 4 ASVG bzw. mit den entsprechenden Aufwertungsfaktoren bei länger zurückliegenden Jahresbeitragsgrundlagen auszuwerten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/08/0474, unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 zweiter und dritter Satz AlVG in der Fassung des Art. 23 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ausgeführt hat, regeln diese Bestimmungen nur, welche Beitragsgrundlagen - in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Antragstellung - in erster Linie für die Bemessung des Arbeitslosengeldes in Betracht kommen. Wenn solche Beitragsgrundlagen nicht vorliegen, so ist im Falle des dritten Satzes (Geltendmachung nach dem 30. Juni), d.h. bei Fehlen von Beitragsgrundlagen aus dem letzten Kalenderjahr tatsächlich auf die davor liegenden Kalenderjahre zurückzugreifen.

Unbestritten ist, dass für das Jahr 1997 im Zeitpunkt der Abfrage der Daten beim Hauptverband (Abfrage vom 18. September 1998) für das Jahr 1997 keine Versicherungszeiten gespeichert waren. Für das Jahr 1998 schien für die Zeiträume vom 7. Jänner bis 6. Februar und vom 1. April bis 31. August der Hinweis auf, dass die Beschwerdeführerin ASVG-pflichtversichert gewesen, jedoch die Beitragsgrundlagen (noch) nicht geprüft gewesen seien. Für das Jahr 1996 wurde hingegen auf Grund einer kurzzeitigen Beschäftigung der Beschwerdeführerin vom 20. August bis 9. September 1996 eine durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage von S 11.126.-- in der Abfrage ausgewiesen.

Damit waren aber zu Beginn der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin im September 1998 für das Jahr 1997 und - bedingt durch die aktuelle Antragstellung während des Jahres 1998 - auch für das Jahr 1998 keine Jahresbeitragsgrundlagen im Sinne des § 21 Abs. 1 AlVG vorhanden. Hingegen wies die Abfrage - wenngleich auf Grund einer nur kurzfristigen Beschäftigung im Jahre 1996 - für das Jahr 1996 für die Beschwerdeführerin eine durchschnittliche Jahresbeitragsgrundlage aus. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung kann dem Gesetz jedoch nicht entnommen werden, dass Jahresbeitragsgrundlagen nur auf Grund "regelmäßiger, über einen längeren Zeitraum erhaltener Entgeltzahlungen" zu ermitteln wären. Da Jahresbeitragsgrundlagen bezogen auf das Jahr 1996 vorhanden waren, lag auch kein Anwendungsfall des § 21 Abs. 2 AlVG vor, welcher schon nach dem Wortlaut gerade das Fehlen solcher Jahresbeitragsgrundlagen voraussetzt.

Es lagen für die Behörde auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Jahre 1996 etwa im Zuge einer Lehrlingsbeschäftigung erfolgt wäre oder sonstige Zeiten, die nach § 21 Abs. 1 leg. cit. bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht zu bleiben haben, vorgelegen hätten. Der in diesem Zusammenhang erhobenen Rüge, die Behörde habe diesbezüglich ergänzende Ermittlungen unterlassen, fehlte es daher an der Wesentlichkeit.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 501/2001.

Wien, am 26. April 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte