VwGH 2001/13/0166

VwGH2001/13/016619.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. Karl Bollmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Dezember 2000, Zl. AO 670/28-06/2000, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in eventu Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer 1992 bis 1996), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §308 Abs1;
BAO §309a;
BAO §308 Abs1;
BAO §309a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist selbständig tätige Steuerberaterin.

Mit Bescheiden vom 13. Dezember 1995 (für 1992), 12. Februar 1996 (für 1993), 3. Dezember 1996 (für 1994) und 30. März 1998 (für 1995 und 1996) wurde die Umsatzsteuer wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO festgesetzt. Den Bescheiderlassungen waren zumeist zahlreiche Fristerstreckungsanträge vorausgegangen, in denen die Beschwerdeführerin begründend (abwechselnd oder kumulativ) auf fehlende Unterlagen, urlaubs- oder krankheitsbedingte personelle Engpässe, den übergroßen Arbeitsanfall in der Kanzlei oder organisatorische Umstellungen hingewiesen hatte.

Nach Erlassung der Umsatzsteuerbescheide brachte die Beschwerdeführerin durchwegs (zumeist in monatlichen Abständen) Anträge auf Erstreckung der Berufungsfrist ein. Soweit Berufungen eingebracht wurden, verwies die Beschwerdeführerin zur Begründung lediglich auf die noch nachzureichenden Jahresabschlüsse. Verbesserungsaufträgen des Finanzamtes folgten (wiederum zumeist in monatlichen Abständen) Anträge auf Erstreckung der Mängelbehebungsfrist. Die genannten Ansuchen datieren vom 17. Jänner 1996 bis zum 31. März 1999 und waren im Wesentlichen in gleicher Weise begründet wie die Anträge auf Erstreckung der Frist zur Abgabe der Steuererklärungen, wobei ergänzend teilweise auf "amtsbekannte" gesundheitliche Gründe und einmal auf eine unmittelbar bevorstehende Dienstreise (Antrag vom 30. August 1997) hingewiesen wurde. Die beantragten Fristen blieben ungenützt; zu einer Offenlegung der Umsätze kam es nicht.

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung einer Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1992 bis 1996 sowie die Verspätungszuschlags- und Nebengebührenbescheide, "in eventu die Wiederaufnahme des Verfahrens". Gleichzeitig erhob sie Berufung gegen die Sachbescheide und übermittelte als Beilagen die Umsatzsteuererklärungen der Jahre 1992 bis 1996.

Begründend wies die Beschwerdeführerin auf ein diesbezüglich geführtes persönliches Gespräch mit HR Dr. K. hin, in welchem "der gesamte Sachverhalt im Detail erörtert" worden sei. Der Hinderungsgrund zur Einbringung der Berufungen gegen die genannten Bescheide habe "bereits in 1992/1993 durch eine existenzvernichtende Kriegsführung" eines näher bezeichneten Kreditinstitutes begonnen. Seit dieser Zeit sei die Bank mit dem Ziel gegen die Beschwerdeführerin vorgegangen, sie zu schädigen und in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht "aus dem Verkehr zu ziehen". Die detaillierte Chronologie der Geschehnisse könne gegebenenfalls anhand des durch jahrelange Recherchen ermittelten Materials belegt werden. Durch diesen Kampf um ihre wirtschaftliche Existenz und die ihrer drei minderjährigen Kinder sei die Beschwerdeführerin" in psychischer und physischer Hinsicht massivst geschädigt" und dadurch ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, die Berufungen fristgerecht einzubringen. Seit Beginn des Jahres 2000 habe sich ihr gesundheitlicher Zustand zumindest soweit stabilisiert, dass die Berufungen mit den beiliegenden Erklärungen und dem Ersuchen um Veranlagung im Wege der Wiedereinsetzung oder in eventu Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht werden könnten. Insbesondere in Anbetracht des gegen sie eingeleiteten Finanzstrafverfahrens werde um rasche Erledigung des Antrages ersucht.

Gemäß § 309a Abs. 2 BAO forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 28. Jänner 2000 auf, die Mängel der Eingabe zu beheben. Im Sinne des Abs. 1 lit. a. leg.cit. fehlten die Bezeichnung der versäumten Frist und gemäß lit. d Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages notwendig seien.

Mit Schreiben vom 3. März 2000 teilte die Beschwerdeführerin mit, bei der versäumten Frist handle es sich um jene zur Einbringung der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1996 und der damit zugleich verhängten Verspätungszuschläge. Die Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1992 habe nicht vor dem 15. Februar 1996 geendet, jene für die Folgejahre entsprechend später, sodass die in § 309a BAO genannte Fünfjahresfrist gewahrt sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses gestellt worden. Ihr Gesundheitszustand habe die Beschwerdeführerin seit 10. Jänner 2000 in die Lage versetzt, die Berufung gegen die genannten Bescheide zugleich mit dem verfahrensrechtlichen Antrag einzubringen. Weiters stelle sie "vorsichtshalber" den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO betreffend Umsatzsteuer 1992 bis 1996. Hinsichtlich des fehlenden Verschuldens werde auf die im Wiedereinsetzungsantrag dargestellten Gründe verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in eventu Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1992 bis 1996 ab. Eingangs hielt die belangte Behörde fest, auf Grund des Devolutionsantrages vom 5. September 2000 sei die Entscheidungspflicht nach § 311 BAO auf sie übergegangen. Im Erwägungsteil wird zusammenfassend dargelegt, der von der Beschwerdeführerin geschilderte Sachverhalt könne weder als unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO angesehen werden, noch werde damit ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 303 BAO aufgezeigt. Auch zur Frage der Rechtzeitigkeit habe sich die Beschwerdeführerin auf eine bloße Behauptung beschränkt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Gemäß § 308 Abs 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Mit BGBl. I Nr. 28/1999 wurde die Bestimmung des § 309a BAO eingefügt, wonach der Wiedereinsetzungsantrag (Abs. 1)

  1. a) die Bezeichnung der versäumten Frist;
  2. b) die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses;

    c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung notwendig sind;

    d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind,

    zu enthalten hat.

    Entspricht der Wiedereinsetzungsantrag nicht den im Abs. 1 umschriebenen Erfordernissen so hat die Abgabenbehörde dem Antragsteller die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (Abs. 2).

    Die Beschwerdeführerin rügt, die Abgabenbehörde hätte den nach Abs. 2 leg.cit. ergangenen Mängelbehebungsauftrag nicht auf die lit. a) und d) beschränken dürfen, sondern auch auf die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (lit. b) erstrecken müssen. Diesfalls hätte die Beschwerdeführerin ausgeführt und bescheinigt, dass sie infolge der Beeinträchtigung ihres Geisteszustandes nicht früher zur Abgabe der Steuererklärungen in der Lage gewesen sei.

    Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. November 1999, 99/15/0118, ausgeführt hat, ergibt sich aus der Bestimmung des § 309a BAO nicht, dass die Behörde nach Abs. 2 dieser Bestimmung einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen hätte, wenn der Wiedereinsetzungsantrag Ausführungen enthält, mit denen der Art nach den in Abs. 1 der Bestimmung angeführten Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrages entsprochen wird. Im gegenständlichen Antrag hat die Beschwerdeführerin auf ihre Verstrickung in wirtschaftliche Existenzkämpfe und die daraus resultierenden massiven psychischen und physischen Schädigungen hingewiesen und damit Ausführungen hinsichtlich des Tatbestandes des § 309a Abs. 1 lit. b erstattet.

    Wenn die belangte Behörde das von der Beschwerdeführerin geschilderte Geschehen in der Folge nicht als tauglichen Wiedereinsetzungsgrund beurteilt hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet nur eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, 90/13/0004). Ein derartiger Zustand wurde im Verwaltungsverfahren mit dem Hinweis auf "psychische und physische Schädigungen" nicht dargetan. Die Handlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin kam im Zuge ihrer umfangreichen Eingaben an das Finanzamt ausreichend zum Ausdruck. Kein anderes Bild ergibt sich auch aus dem Inhalt der mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingereichten Abgabenerklärungen. Danach hat die Beschwerdeführerin in den Jahren 1992 bis 1996 laufend Umsatzerlöse als selbständig tätige Steuerberaterin erzielt.

    Mangels "Hindernisses" im Sinne des § 308 Abs. 3 BAO stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin den Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht (d.h. innerhalb von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses) eingebracht hat, nicht mehr. Das sich mit dieser Frage beschäftigende Beschwerdevorbringen kann daher auf sich beruhen.

    2. Wiederaufnahme des Verfahrens:

    Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe den Sachverhalt zu Unrecht nicht unter die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO subsummiert. Für die Beschwerdeführerin seien die "nun richtig berechneten Umsätze" neu hervorgekommen. Das zugrundeliegende Zahlenwerk sei schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorgelegen.

    Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

    Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren zur Verschuldensfrage auf ihre gesundheitliche Beeinträchtigung hingewiesen. Warum es der Beschwerdeführerin trotz "der physischen und psychischen Schädigungen" möglich war, für ihre Klienten tätig zu werden, der Gesundheitszustand es ihr aber nicht erlaubt haben sollte, der persönlichen Erklärungspflicht nachzukommen, lässt auch die Beschwerde im Dunkeln. Der belangten Behörde kann daher schon aus diesem Grund nicht entgegen getreten werden, wenn sie dem Wiederaufnahmeantrag nicht entsprochen hat.

    Bei dieser Sach- und Rechtslage kam es auf die näheren Umstände der von der Beschwerdeführerin mit dem Kreditinstitut geführten Auseinandersetzung in keiner Weise an. Diesbezüglicher Erhebungen bedurfte es daher nicht. Welche entscheidungsrelevanten Aufschlüsse sich aus einer Befragung des Dr. K. zum Inhalt seines Gespräches mit der Beschwerdeführerin ergeben hätten, verschweigt die Beschwerde. Mit der bloßen Behauptung, eine Nachfrage beim zuständigen Beamten hätte ergeben, dass der Wiedereinsetzungsantrag, jedenfalls aber der Wiederaufnahmeantrag zu Recht erfolgt sei, wird die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dargelegt.

    Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 19. Dezember 2001

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